II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 218

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20. Zuischenspiel
Telephon 12801.
9
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Aussemntt n Sen #de be7,

vom:

G-
Lessiugtheater. Arthur Schnitzlers Komödie „Das
Zwischenspiel“ ging gestern zum ersteumal in Berlin!
über die Bretter. Wien mag sich über eine solche durch drei
Akte gesponnene Unterhaltung über Ehe oder Nicht=Ehe
zwischen Künstlern gefreut haben. In Berlin wird man Schnitzler
den Vorwurf nicht ersparen, daß er kein Drama geschrieben
hat, wer aber in das Theater geht, darin die Probleme behandelt
zu sehen, an denen wir alle arbeiten, mit denen wir auf
Kriegsfuß stehen und die manchen aus unseren Reihen dicht
neben uns hinraffen oder von dem Tisch des wirkenden Lebens
in die Einöde eines unfruchtbaren Haderns mit der Welt stoßen,
der wird nicht mit einem verständnislosen Lächeln sich über die
feine geistige Schwungkraft eines Schnitzlerschen Dialoges
hinweg setzen können. Ich behalte mir eine Analyse des
Stückes und des Problems für Montag vor. Die Darstellung
des Künstlerpaares, die über das Recht zur Freiheit bei
Mann und Weib in der Ehe streiten, wurde von Basser¬
mann und Irene Triesch mit Einsatz ihrer ganzen
künstlerischen Eigenart durchgeführt. Reicher spielte einen
beratenden Freund. So wurde der Erfolg gegen eine Hand
voll Zischer schließlich auch hier errungen. Schnitzler konnte
W. M.
sich wiederholt bedanken.
er
le
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-York. Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Ausschnitt au nZe
vemssisg- Tneater
Zum ersten Male: „Zwischenspiel“, Komödie in
drei Akten von Arthur Schnitzler.
Nein, ein Theaterstück war es nicht. Darin mögen die,
die an falscher Stelle lachten, beim Applaus erschreckt aus
einem heimlichen Gähnen auffuhren und als Schlußpunkt ein
Zischen auf die Beifallssalve setzten, recht behalten. Ein
4Theaterstück war es nicht. Es war eben viel mehr. Es war
keine jener feinsten Wahrheiten, bei denen es ganz gleich ist,
ob sie in lyrischer, epischer oder dramatischer Form gesagt
werden; eine jener allergeheimsten Wahrheiten, die man sich
selbst nur mit Zögern eingesteht, und meist — wenn es zu
spät ist.
„Zwischenspiel“ nennt Schnitzler diese Komödie des
Lebens, die er uns heute in Dialogen brachte. Der Titel ist
Ironie. Und der Inhalt nicht minder. Doch von jener Art,
die man sich erst angewöhnt hat, wenn's mit Lachen und
Weinen schlechterdings nicht mehr geht. Das zu vermögen,
dazu gehört kein Stückeschreiber, dazu gehört ein Dichter. —
Der Kapellmeister Amadens Adams, ein genialer Bursch, hat
eine Frau, die als Opernsängerin ein Stern wird. Mit dem
Ruhm stellen sich bei beiden die unvermeidlichen Courmacher¬
bezw. Courmacherinnen ein, die stets schnell bereit sind, das
Goldstück des Ruhms in die kleine Münze ihrer „Liebe“ um¬
zuwechseln. Also: der Kapellmeister kann nicht widerstehen.
Eine Gräfin lockt zu verführerisch. Sie bringt das Jongleur¬
stück fertig, sich selbst auf dem Präsentierbrett zu servieren.
Da geht er hin, aber nicht ohne als echtes „Männchen“ sein
Haus bestellt zu haben. Damit ihm hinter dem Rücken nichts
Aergerliches passiert, entläßt er seine Frau zuvörderst aus!
dem ehelichen Verhältnis und bietet ihr dafür eine Kamerad¬
schaft, die auf Freiheit und Wahrheit beruht. Selbstverständ¬
lich unter der stillen Voraussetzung, daß seine Frau selbst als
Nur=Kameradin von derselben ehelichen Treue nicht los¬
könne, von der er sich für die Dauer eines Zwischenspiels dis¬
pensiert. Der arme Kerl! Für eine Episode gab er das ganze
Spiel. Vom Abenteuer zurück, mit der Frau — die inzwischen
an der Berliner Oper Triumphe feierte — nach monatiger
Trennung wieder vereint, weiß er auch sie nicht anders zu
gewinnen, als wär's ein neues, lockendes Abenteuer. In der
Frau sind durch ihn die Sinne aufgepeitscht. Jetzt! Während
Und nach der heißen
die seinen die Ruhe bei ihr suchen ...
Liebesnacht ist er der Verlorene, der Aufgegebene. Im Weib
ist das Weibchen erwacht.
Die beiden Menschen haben das Prinzip der Wahrheit
in der Ehe. Das heißt auf gut Ehe=Deutsch: „Es darf nichts
vorkommen!“ Diese Folgerung hat der Kapellmeister nicht
begriffen. Und da er weiter nicht begriff, daß er durch die
Wahrheit, die er seiner Frau durch die Dekouvrierung von
Gefühlen antat, die anderen Frauen galten, sie als Frau
und Eheweib deklassierte, ihr Scham= und Ehrgefühl nieder¬
ein Zustand,
zog und sie zur zweiten Garnitur stempelte —
dem keine Frau gewachsen bleibt — so blieb ihm nichts, als
beim Erwachen aus dem Zwischenspiel die schwächliche Eifer¬
sucht und der Zusammenbruch. Das Stück Schnitzlers beruht
wesentlich auf Empfindungen, die sonst nicht ausgesprochen zu
werden pflegen. Werden sie erst Worte, so ist die Komödie
im Leben wie auf der Bühne aus. Schnitzler aber beginnt
mit ihnen. Damit wäre das Stück nach dem ersten Akte zu
Ende. Aber die Psychologie reizte den Dichter, die Kunst und
auch der Mut, die Seelenzustände zu zerfasern, die bei San¬
quinikern, die sich nicht an Taten, sondern an Hoffnungen
klammern, einzutreten pflegen. Immer neue Fazetten ent¬
stehen unter seiner Hand, ein blinkendes Spiel, und ist es
schon eine Farce, so ist es doch eine geistreiche Farce. Das
kindische Aufbegehren eines Mannes nach einer Frau, von der
er weiß, daß sie ihm verloren ist.
Den weichlichen Kapellmeister, der zum eigenen Wohl¬
ergehen Frau, Geliebte und Kameradin, Lebenslied und
Zwischenspiel unter einen Hut bringen möchte, übersetzte
Albert Bassermann aus der Dichtung ins Leben. Er
war ein Hampelmann und eine tragische Figur in eins. Er
hatte nur Worte, Worte statt Taten; aber er klammerte sich
an seine Worte und konstruierte Beweise mit jener Zähigkeit,
die den Weichling überfällt, wenn's an die Aenderung seiner
Rechnung gehen soll. Eine tragische Figur. Das ist für den
Darsteller das größte Lob. Irene Triesch als Gattin
blieb mir zu tühl; es blitzte mir zu selten durch die zuerst an¬
genommene und dann erworbene Reserviertheit das wilde
Empfinden der Frau hindurch, die mit Mutterhänden noch ein¬
mal nach dem Manne greift. Emanuel Reicher stattete
die Charge eines Dichters aus, der den Chor in der alten
Komödie vertrat: eine Leistung voll überraschend feiner,
lebenskluger Nuancen. Willy Grunwald als junger,
korrekt liebender Fürst, Else Schiff als junge, unkorrekt
liebende Gräfin boten amüsante, geistreiche Noten. Das
Publikum, soweit es nicht aus Pharisäern der Welt und der
Literatur bestand, horchte mit wehmütigem oder doch ver¬
ständnisvollem Lächeln; das Publikum, das sich nicht als
Zöllner und Sünder erkannt wissen wollte, lehnte ab. Der
Beifall zwang Schnitzler nach jedem Akt, vor die Rampezu
Rudolf Herzog.
treten.