20. Zuischenshiel
san hal sich gestern abend gegen 8 Uhr auf der Zeitzer
Straße zugetragen. Nach Kinderunart war dort der
Dichter Dietrich Eckart zum ersten Mal zugleich mit
Leipzig die Première seines „Froschkönigs“ hatte.
Auch hier wurde das Stück ziemlich unzweideutig
sgelehnt.
Eitel Jubel und Freude herrschte dagegen im
Berliner Theater, wo Ferdinand Vonn unentwegt
für seinen Ruhm arbeitet, in dem er Theaterbillets
zu Hunderten an völlig unbekannte Personen ver¬
schenkt, seine Premierei mit klatschlustigen Frei¬
bergern vollpfroft und sogar Logenschließer und
Garderobefrauen zum Beifall heranzieht. Auch das
neue Stück „Anne=Marie“ von Curt Berns, nach
einer Idee Israel Zangwills, entpuppte sich als
eine unendlich wertlose Arbeit. Frau Marie Bonn
gab wieder untrügliche Beweise einer völligen
Talentlosigkeit Da darf es denn nicht wundern,
wenn da die Zuhörer von Logenschließern an der
Aeußerung des Mißfallens verhindert werden und
das Parkett mit durchaus beifallssicheren Leuten ge¬
Schauspieler des eigenen
füllt ist — wenn die ...
Theaters zu spielen anfangen. So tat es Fräulein
Felicitas Cerigioli, die ihre Direktorin für ihre
Leistung als „Jungfrau von Orleaus“ von der
Bühne herab auszischte. Fräulein Cerigioli wurde
sofort entlassen. Aber kühn erwiderte sie ihrem
Direktor: „Ich bin froh, daß ich auf diese Weise ohne
Konventionalstrafe aus Ihrem Theater komme.“
Fräulein Prome de Tréville, die im Theater!
des Westens als Rosine im Barbier“ gastierte, ver¬
fügt über eine außergewöhnlich hübsche und gut ge¬
bildete Stimme, wenngleich weder Vortrag noch
Spiel auf eine höhere Begabung ihrer Kunst
Paul Schlesinger.
schließen lassen.
Viertes Philharnonisches Konzert des Winder¬
„Sin¬
stein=Orchesters. (Erster Moderner Abend.)
sonie in vier Bildern nach dem dramatischen Gedicht
Byrons“ lautet der Untertitel des Tschaikowsky'schen
„Manfred“, und man kann sich denken, wie allein
dieser Titel schon den geschworenen Gegner einer
„Programmusik“ in Harnisch zu bringen vermag.
Nicht ganz mit Unrecht: „in vier Bildern“, das lesen
wir auch über einem Drama nicht gerne, das deutet
darauf hin, daß der innere Jusammenhang zwischen den
einzelnen,Bildern“ zu wünschen übrigläßt und der drama¬
tische Funke vom einen zum andern Bilde nur mit Mühe
überspringt. Die Sätze einer Beethoven=Sinsonie wird
man niemals „Bilder“ nennen können, — schon weil
sie auch in sich selbst jeder voll dramatischen oder,
einfacher, voll bewegten Lebens sind. Aber ist auch
die Unterströmung im Tschailowskyschen „Manfred“:
keine ungebrochene, so gibt voch die Gestalt des Titel¬
heiden — wenn man in einer Sinsonie von einem
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1
enen
1. Berliner Theaterbrief.
Berlin, 26. November. Ein „Capriccio dolo¬
koso“, so nenm Arthur Schnitzler selbst sein Zwischenspiel,
die neue Komödie in drei Akten, die am Sonnabend im
Lessing=Theater in Szene ging. Es ist ein bizarres
Spiel, das da mit den ehrwürdigen Begriffen von Ehe, Treue,
Wahrheit getrieben wird; doch ein weher Klang tönt durch die
neckischen Klänge und dem Gelächter ist ein tief innerliches
Schluchzen beigemischt. So will es der Geist des Humors, der
die Trüne im Wappen führt: aber Schnitzler gelingt weder Lachen
und Weinen recht. Es ist ein unsicheres Hin= und Herschwanken
in leisen Nebentönen, ein Verwischen der starken Wirkungen, so
daß nur in seinen Nbancen. in geistreichen Dialogen, in zart ge¬
formien Sönen die Hand des Dichters zu spüren ist, der heute
in deutscher Sprache die feinsten Zwiegespräche müder Seelen an
belauschen weist. Das Motiv seines neuen Werkes kann höchst
komisch und sehr tragisch behandelt werden. Zwei Künstler, ein
Komponist und eine Sängerin, gründen einen Ehebund, der auf
völliger Freiheit und sieter Aufrichtigkeit basiert sein soll. Wenn
nun nach siebenjähriper Ehe die engen Bande der Liebe sich
lockern, die Macht der Gewohnheit abstumpft, dann kommt das
Zwischensviel in der Sinfonie dieser beiden Menschenleben, das
schaurig düster in einem Trauermarsch und übermüng in
einem Allegro ausklingen kann. Die beiden Eheleute geben ein¬
ander frei; die Frau aus Stolz, tief verletzt durch die Lieblosige
keit des Mannes, den andere Freuden locken; der Mann froh, da
er die frühere Geliebte sich als Freundin bewahrt. Aber bald er¬
kennt er, daß er nur sie lieht, empfindet seine Verblendung und¬
wirbt von neuem um seine eigene Frau. Sie mag ihn abweisen.]
weil sie nicht mit sich svielen läßt, und er wird gebrochen von
dannen ziehen Sie mag ihm verzeihend aus Herz sinken und
alles wird in eitel Frende enden. Schnitzler weicht jedem dieser!
banalen Schlüsse aus; er hat zu feinfühli,, die Untertöne de¬
Lebens gehört, um so laut und grel zu enden. Sein Kapeli¬
meister Adame mut die Frau verlassen, mit der er gespielt, vor?
der er unter dem Schein der Wahrheit im eingelildeten Stolz des 1
hochstebenden Menschen Gleichgültigkeit geheuchelt; aber er läßt;
das Solo seiner großen Sinfonie zurück, das nur seine Frau#
singen kann, und sie bezeinnt es unter Tränen zu singen. D
beiden werden sich wiederfinden; dies unruhig wilde Zwischenspiel“
Das
wird noch in einem seligen Andante ausklingen.
Tempo, in dem dieses feine, für einen Dichter von Scmitzlers Be¬
deutung etwas blasse Stück gehalten ist, wechselt in leichten
Schwankungen zwischen leichtmütig schneller Lebendigkeit undige¬
dämpft traurigem Nachdenken. Nicht umsonst heißt der Held
Amadeus; etwas von der liebenswürdigen Weichheit, dem
schnellen Enthusiasmus, der unüverlegt leichtsinnigen Lebens¬
freude Mozirts soll auch in den Kapellmeister Adams gelegt sein.
Albert Bassermann, der den Helden spielte, gab ihn aber zu ner¬
däs, zu schwermütig, zu leidenschaftlich, so daß häufig eine##
tragische Stimmung durchdrang. Er sowohl wie Reicher haben
zu viel eigenes Gewicht, um in den leichten Wogen eines solchen
feinen, leise abschattierten Dialoges untertauchen zu können.
Reicher gab als wichtigste Episodenrolle einen Freund Adams,
einen Dichter, den Schnitzler in einem echt romantischen Spiel ein
Theaterstück in das Theaterstück hineinlegen läßt. Er will aus der
Ehegeschichte der beiden ein Drama machen und erzählt ausführ=
lich, wie das zugehen müsse. Die geiswollen, tiefsinnig humor¬
vollen Reden dieser Figur stören doch ein wenig die hochgestimmten.
1
Szenen der beiden Eheleute, zumal Reicher eine sehr scharf ge¬
zeichnete Gestalt daraus schuf. So litt die Aufführung, in der
die besten Kräfte der Brahmschen Bühne ihre Meisterschaft
zeigten, vielleicht an einer gewissen Schwere des Rhythmus und
Klanges. Irene Triesch, welche die weibliche Hauptrolle spielte,
traf am besten den leichten, zwischen Tragik und Neckerei hin¬
gleitenden Ton, womit freilich nicht gesagt sein soll, daß sie die
Dr. P. L.
bedeutendste künstlerische Leistung bot.
—.— —
san hal sich gestern abend gegen 8 Uhr auf der Zeitzer
Straße zugetragen. Nach Kinderunart war dort der
Dichter Dietrich Eckart zum ersten Mal zugleich mit
Leipzig die Première seines „Froschkönigs“ hatte.
Auch hier wurde das Stück ziemlich unzweideutig
sgelehnt.
Eitel Jubel und Freude herrschte dagegen im
Berliner Theater, wo Ferdinand Vonn unentwegt
für seinen Ruhm arbeitet, in dem er Theaterbillets
zu Hunderten an völlig unbekannte Personen ver¬
schenkt, seine Premierei mit klatschlustigen Frei¬
bergern vollpfroft und sogar Logenschließer und
Garderobefrauen zum Beifall heranzieht. Auch das
neue Stück „Anne=Marie“ von Curt Berns, nach
einer Idee Israel Zangwills, entpuppte sich als
eine unendlich wertlose Arbeit. Frau Marie Bonn
gab wieder untrügliche Beweise einer völligen
Talentlosigkeit Da darf es denn nicht wundern,
wenn da die Zuhörer von Logenschließern an der
Aeußerung des Mißfallens verhindert werden und
das Parkett mit durchaus beifallssicheren Leuten ge¬
Schauspieler des eigenen
füllt ist — wenn die ...
Theaters zu spielen anfangen. So tat es Fräulein
Felicitas Cerigioli, die ihre Direktorin für ihre
Leistung als „Jungfrau von Orleaus“ von der
Bühne herab auszischte. Fräulein Cerigioli wurde
sofort entlassen. Aber kühn erwiderte sie ihrem
Direktor: „Ich bin froh, daß ich auf diese Weise ohne
Konventionalstrafe aus Ihrem Theater komme.“
Fräulein Prome de Tréville, die im Theater!
des Westens als Rosine im Barbier“ gastierte, ver¬
fügt über eine außergewöhnlich hübsche und gut ge¬
bildete Stimme, wenngleich weder Vortrag noch
Spiel auf eine höhere Begabung ihrer Kunst
Paul Schlesinger.
schließen lassen.
Viertes Philharnonisches Konzert des Winder¬
„Sin¬
stein=Orchesters. (Erster Moderner Abend.)
sonie in vier Bildern nach dem dramatischen Gedicht
Byrons“ lautet der Untertitel des Tschaikowsky'schen
„Manfred“, und man kann sich denken, wie allein
dieser Titel schon den geschworenen Gegner einer
„Programmusik“ in Harnisch zu bringen vermag.
Nicht ganz mit Unrecht: „in vier Bildern“, das lesen
wir auch über einem Drama nicht gerne, das deutet
darauf hin, daß der innere Jusammenhang zwischen den
einzelnen,Bildern“ zu wünschen übrigläßt und der drama¬
tische Funke vom einen zum andern Bilde nur mit Mühe
überspringt. Die Sätze einer Beethoven=Sinsonie wird
man niemals „Bilder“ nennen können, — schon weil
sie auch in sich selbst jeder voll dramatischen oder,
einfacher, voll bewegten Lebens sind. Aber ist auch
die Unterströmung im Tschailowskyschen „Manfred“:
keine ungebrochene, so gibt voch die Gestalt des Titel¬
heiden — wenn man in einer Sinsonie von einem
box 25/2
1
enen
1. Berliner Theaterbrief.
Berlin, 26. November. Ein „Capriccio dolo¬
koso“, so nenm Arthur Schnitzler selbst sein Zwischenspiel,
die neue Komödie in drei Akten, die am Sonnabend im
Lessing=Theater in Szene ging. Es ist ein bizarres
Spiel, das da mit den ehrwürdigen Begriffen von Ehe, Treue,
Wahrheit getrieben wird; doch ein weher Klang tönt durch die
neckischen Klänge und dem Gelächter ist ein tief innerliches
Schluchzen beigemischt. So will es der Geist des Humors, der
die Trüne im Wappen führt: aber Schnitzler gelingt weder Lachen
und Weinen recht. Es ist ein unsicheres Hin= und Herschwanken
in leisen Nebentönen, ein Verwischen der starken Wirkungen, so
daß nur in seinen Nbancen. in geistreichen Dialogen, in zart ge¬
formien Sönen die Hand des Dichters zu spüren ist, der heute
in deutscher Sprache die feinsten Zwiegespräche müder Seelen an
belauschen weist. Das Motiv seines neuen Werkes kann höchst
komisch und sehr tragisch behandelt werden. Zwei Künstler, ein
Komponist und eine Sängerin, gründen einen Ehebund, der auf
völliger Freiheit und sieter Aufrichtigkeit basiert sein soll. Wenn
nun nach siebenjähriper Ehe die engen Bande der Liebe sich
lockern, die Macht der Gewohnheit abstumpft, dann kommt das
Zwischensviel in der Sinfonie dieser beiden Menschenleben, das
schaurig düster in einem Trauermarsch und übermüng in
einem Allegro ausklingen kann. Die beiden Eheleute geben ein¬
ander frei; die Frau aus Stolz, tief verletzt durch die Lieblosige
keit des Mannes, den andere Freuden locken; der Mann froh, da
er die frühere Geliebte sich als Freundin bewahrt. Aber bald er¬
kennt er, daß er nur sie lieht, empfindet seine Verblendung und¬
wirbt von neuem um seine eigene Frau. Sie mag ihn abweisen.]
weil sie nicht mit sich svielen läßt, und er wird gebrochen von
dannen ziehen Sie mag ihm verzeihend aus Herz sinken und
alles wird in eitel Frende enden. Schnitzler weicht jedem dieser!
banalen Schlüsse aus; er hat zu feinfühli,, die Untertöne de¬
Lebens gehört, um so laut und grel zu enden. Sein Kapeli¬
meister Adame mut die Frau verlassen, mit der er gespielt, vor?
der er unter dem Schein der Wahrheit im eingelildeten Stolz des 1
hochstebenden Menschen Gleichgültigkeit geheuchelt; aber er läßt;
das Solo seiner großen Sinfonie zurück, das nur seine Frau#
singen kann, und sie bezeinnt es unter Tränen zu singen. D
beiden werden sich wiederfinden; dies unruhig wilde Zwischenspiel“
Das
wird noch in einem seligen Andante ausklingen.
Tempo, in dem dieses feine, für einen Dichter von Scmitzlers Be¬
deutung etwas blasse Stück gehalten ist, wechselt in leichten
Schwankungen zwischen leichtmütig schneller Lebendigkeit undige¬
dämpft traurigem Nachdenken. Nicht umsonst heißt der Held
Amadeus; etwas von der liebenswürdigen Weichheit, dem
schnellen Enthusiasmus, der unüverlegt leichtsinnigen Lebens¬
freude Mozirts soll auch in den Kapellmeister Adams gelegt sein.
Albert Bassermann, der den Helden spielte, gab ihn aber zu ner¬
däs, zu schwermütig, zu leidenschaftlich, so daß häufig eine##
tragische Stimmung durchdrang. Er sowohl wie Reicher haben
zu viel eigenes Gewicht, um in den leichten Wogen eines solchen
feinen, leise abschattierten Dialoges untertauchen zu können.
Reicher gab als wichtigste Episodenrolle einen Freund Adams,
einen Dichter, den Schnitzler in einem echt romantischen Spiel ein
Theaterstück in das Theaterstück hineinlegen läßt. Er will aus der
Ehegeschichte der beiden ein Drama machen und erzählt ausführ=
lich, wie das zugehen müsse. Die geiswollen, tiefsinnig humor¬
vollen Reden dieser Figur stören doch ein wenig die hochgestimmten.
1
Szenen der beiden Eheleute, zumal Reicher eine sehr scharf ge¬
zeichnete Gestalt daraus schuf. So litt die Aufführung, in der
die besten Kräfte der Brahmschen Bühne ihre Meisterschaft
zeigten, vielleicht an einer gewissen Schwere des Rhythmus und
Klanges. Irene Triesch, welche die weibliche Hauptrolle spielte,
traf am besten den leichten, zwischen Tragik und Neckerei hin¬
gleitenden Ton, womit freilich nicht gesagt sein soll, daß sie die
Dr. P. L.
bedeutendste künstlerische Leistung bot.
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