II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 259

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20. Zuischenspiel
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und zumal ohnehin das Beste an Schnitzler gleich= werden. Der Schwall von trivialen Unstimmig= angese

Advents-Bummel.
falls auf den Roman hinweist? Amadäus und
keiten und aufgedonnerten Paradoxen, der sich zuschätz
Cäcilie mögen noch so selbstsichere und aller Pöbel¬
über den sonst langweilig=stumpfen Dialog er¬ Sieso
I.
instinkte bare Naturen sein — in dem Augen¬
gießt, vermag an dem Urteile nichts zu ändern. alle gre
* Fünf Mark sind ein Stück Geld, immerhin. blicke, wo um ihr Lebensglück gewürfelt wird, muß
oder
Er weckt höchstens neues Bedauern über das allzu
Undt weit ich mich kenne und mich mit ehernen
auch in ihnen der Dämon aufschreien, Grimm und
zeitige Hinscheiden Oskar Wildes. Der Englän¬
Ketten an die Pflicht binden muß, habe ich Mor¬
flackernde Leidenschaft werden auch sie hinreißen, der verstand sich aufs Fangbalbspiel und aufs Ver¬
Nun
gens den Burschen ins Schauspielhaus geschickt
und sie werden aufhören, sich kindisch=witzig zu
blüffen. Grinsender Zynismus dagegen ist kein
grau u
und mir eine Karte fürs Parkett kaufen lassen.
schrauben und zu quälen, während ihre Seele wie
Surrogat für Geist. Denn sonst müßten die stin¬
schlicke
So bin ich, zwar nicht moralisch aber doch finan¬
ein wildes Tier brüllt. Ich würde Schnitzlers
kenden Tanz=Tavernen an der Oberspree Höhen¬
sprühen
ziell, gezwungen, an der Uraufführung teilzuneh¬
merkwürdigen und überaus geistvollen Versuch,
tempel des Geistes sein.
allesan
men. Uraufführung — das klingt noch viel lang¬
hypervornehm gestimmte Menschen von unerschüt¬
besond
III.
weiliger als Premiere. Manchmal ist es das so= terlich guter Erziehung aufs Theater zu bringen,
Feucht
gar auch.
In den abendlichen Straßen fehlt mir zunächst Zahllo
trotz alledem wenigstens für halbwegs gelungen
Diese Dezemberabende, wie würde ich sie als
das lustige Drängen und Schieben, das die liebe die Mi
erklären, wenn er nicht seinen unmöglichen Alber¬
Vorweihnachtswoche kennzeichnet. Es stäubt aller¬
Theaterdirektor verfluchen! Es ist kein Wunder,
tus Rhon mitgegeben hätte. Auf Sardous und
sind m
dings ein Regen nieder, wie ihn nur ganz goti=Münch
daß die meisten Bühnenleiter den christlichen
Dumas' Notbehelfe sollten unsere Allerneuesten
verlassene Novembernächte kennen, ein hoffnungs¬
Glauben abgeschworen oder lieber gar nicht erst nicht zurückgreifen. Tun sie es dennoch, wollen sie
Dackel
los öder, mißmutiger, zuwiderer Regen. Er
angenommen haben. Eine ruinösere Erfindung auf den undramatischen Räsonneur und Zeichen¬
schnitze
schüttet uns keine Wassermassen auf den Schirm,
als Weihnachten gibt es für sie nicht. In Wieder= deuter nicht verzichten, so müssen sie die Puppe als
finger
er gießt keine blanten Spiegel aus, in denen sich
holungen geht kein Mensch und die neuen Stücke richtige Theatermeister handhaben. Schnitzler läßt
gen, 5
die flammenden runden Lichter rundum begucken
fallen durch. Schnitzlers „Zwischen¬
alle Drähte sehen, die er zieht, müht sich förmlich
ten zu
können. Es ist nichts wild Gemütliches nichts haben
spiel“*) verdient kaum seinen Titel, so eilfertig
ab, jedermann klar zu machen, daß dieser Alber¬
Romantisches in diesem Nähnadel=Gespritz, das Herzm
zieht es sich wieder aus dem Spielplane zurück.
tus wirklich nur eine Sprechmaschine ist.
Bürgersteig und Damm und Menschenseele mit ins H#
Der Wiener hat die Tragödie der künstlerisch ge¬
II.
grauer, klebriger Schmutzschicht überzieht. Nein, gehen
bändigten Leidenschaften schreiben wollen. Er
heut' Abend geh' ich, trotz des Marquis von Keith, Nacken
läßt den schrecklichsten und verzweifeltsten Kampf,
Freilich, der Wiener Allzufeine bleibt doch im¬
ins Theater. Ich hätte gar nicht vorsichtshalber nem
den zwei vollsaftige Menschen führen können, den
mer ein großer Herr im Reiche der Kunst. Wenn
die fünf Mark zu deponieren brauchen.
Kampf um ihre Liebe, zum spaßigen Florett=Ge¬
er sich einmal herbeiläßt, den Mantel zu öffnen,
Festkng
kitzel werden. Statt des wütenden, unklugen Pa¬
schimmern die hohen Orden hervor, die er trägt.
An der Potsdamer Brücke steht der erste flie= Spate#
thos feine, kluge, geschliffene Konversationssätze;
Kaum weiß ich mir ein kultivierteres, fesselnderes
gende Weihnachtshändler. Er mag zwölf Jahre
gern
statt roter Wut und heißer Gier jener an tief¬
Unterhaltungsbuch als sein „Zwischenspiel“. Der
alt sein und vertreibt Hampelmänner. Ein Ham¬
Erwach
durchdachte Schachzüge erinnernde Dialog, der die
Gedanke, Frank Wedekinds „Marquis
pelmann setzt sich bekanntlich aus bemalter Pappe
seid,
besondere Lebenswahrheit des Theaters verneint von Keith“ gleich darauf zu lesen ist peini¬
und Bindfaden zusammen; zieht man an der
Pei
und die Kulissenillusion zerstört. Mich erinnert gend widerwärtig. Fast noch widerwärtiger als
Strippe, so bewegt er aufgeregt Arme und Beine.
durch
solche Gebundenheit an das Salongebahren un= der, das jämmerlich mißratene Stück zum zweiten
Ich sehe sehr schöne, sehr dauerhafte und dem mo¬
Man
serer Börsenpatrizier, die die Hände fest auf die Male zu sehen. — Man spricht von einem Wede¬
dernen Geschmack angepaßte Hampelmänner. Ein
mich,
Sesseklehne legen, damit sie (eben diese Hände) kind=Rummel. Die zerfahrene, unrastvolle Sucht Automobilist in täuschend schwarz ausschauendem
Nilpfel
junger Bühnenleiter, Sensation um jeden Preis
nicht in gesprächige Beweglichkeit geraten und
Dreß und mit einer Riesenbrille, die die höllische
chem
zu erregen, hat Wedekind emporgehoben. Vor¬
plaudernd ausplaudern. Auf den ersten Blick er¬
Röte seiner Nase wohlwollend zur Hälfte verbirgt.
soll ich
kennt man die angestrengte Arbeit, die Schnitzler gestern verlacht, gestern betracht', heute geacht'.
Ein reizender Deleassé, auf dessen Wasserkopf die M
just auf dieses Werk verwandt hat, und fragt be¬
Der Absturz wird nicht minder rasch erfolgen.
Fürst Bülow keine feurigen Kohlen sammeln kann.
beiseit
dauernd: Wofür? Nur um keine dramatischen
Ein Autor, der so grob und fahrlässig dilettiert,
Ein alter, weißbärtiger Herr, der ldem guten Kö¬
und e
Wirkungen zu erzielen? Ja. weshalb bringt er
der so völlig außerstande ist, zu gestalten und nicht nig Leopold entfernt ähnelt. Da ich für den
und d
die Ehegeschichte des Amadäus dann auf die
einmal merkt, daß sein Held, der angeblich genia= Frühschoppen im Kaiserkeller am Weihnachts¬
aus.
lisch=großzügige Hochstapler, nie auch nur sekun¬
Bühne, zumal sie ohnehin auf den Roman hinweist
montag noch künstlerisch ausgeführte Geschenke
nehm
denlang über den Trottel hinauswächst, ein Autor gebrauche, ka## ich diese drei Hampelmänner. gekälte
*) Als Buch bei S. Fischer in Berlin erschienen, dieses Kalibers braucht nicht ernst genommen zu! Ich muß sie teuer bezahlen, weil mir der Händler will je