box 25/2
20. Zuischensniel
1 wicklung hat dann nicht seine künstlerischen Wesensseiten! schon zähmen. Und nun prallen in der scène à faire! rühm
an.
die gegensätzlichen Meinungen aufeinander. Raphael reißt
vertieft. Die Zustandsmalerei machte sich immer uner¬
1/0. Feuisleton.
diesen
die Mauern des mosaischen Gedankenghettos ein, aber
quicklichr breit; das Temperament schrumpfte ein; und
Kuns
er stürmt auch gegen das christliche Ideenschutzzallsystem
Ge### Berliner Theater.
die leidige Tendenz wurde ihm mehr und mehr Selbst¬
Erin
an, um einen höchst nebulosen Pantheismus oder viel¬
Von Dr. Max Meyerfeld.
zweck.
Nove
mehr eine auf allgemeine Menschenliebe gegründete Re¬
All das spiegelt sich in seinem jüngsten Trauerspiel
III.
Franz
ligionslosigkeit mit Elan hinauszuschleudern. Ghetto,
„Ghetto“ dem zionistische Studenten (mich schaudert!
Mosaik.
eine
Einengung, Absperrung ist ihm nicht nur der Glaube
Anfang Dezember.
am Kleinen Theater eine widerlich spektakulöse Aufnahme
rende
seiner Väter, sondern auch jener anderen, die ihn ver¬
bereiteten. Die jungen Hitzköpfe gebärdeten sich rabiat,
Im Grunde gehört der Holländer Hermann
eigen
höhnen oder mißachten, weil er als Jude geboren ist.
als ob ihre heiligsten Güter in den Schmutz gezogen
Heyermans zu den Einwerkspoeten, an denen wir
Schr
Deshalb nimmt er von seiner Geliebten das hochherzige
würden. Und doch galt ihr Lärmen nur einer verwor¬
lin Deutschland nicht gerade Mangel leiden. Er fing mit
eines
Opfer nicht an, als sie sich aus Mitleid mit dem alten
renen, abgestandenen Theaterei. Sie schienen besser zu
der „Hoffnung auf Segen“ verheißungsvoll an. Seine
schau
blinden Manne bereit erklärt, zum Judentum überzu¬
wissen als der Autor selbst, was er eigentlich wollte.
m#uralistiche Beobachtungsschärfe verblüffte. Wäle sie
wirkl
treten. Mit Schimpf und Schande jagt er sie fort, und
Denn sobald er durch den Mund seines Helden seine
* Lustrum früher zu uns gedrungen, als der allein
näher
er selbst bleibt — bleibi, um womöglich zu guter Letzt
neue Heilslehre verkündet, wird er schrecklich geschwollen
##ig machense Naturalismus noch in seiner Sünden
doch noch die schwarzäugige Rebekka zu heiraten.
und — was fast noch schlimmer ist — peinlich unklar.
Maienblüte stand: sie wäre wie ein Gipfel angestannt
Was soll das alles? fragen wir in tiefster Seele
Raphael Sachel heißt der junge Mann. Er ist in der
schorden. Immerhin, er durfte als Nachzügler in der
die
uninteressiert. Wozu der Aufwand? Wozu die lang¬
stickigen Ladenluft eines Trödelkrams aufgewachsen und
Kolonne mitmarschieren. Wertvoller als die umständliche,
es
atmigen Tiraden, die tönenden Phrasen? Hab' ich
der jahrhundertealten Tradition des starren Judentums
quälende Milienschilderung war ein jäher Temperaments¬
Schi
Heyermans recht verstanden — und es ist keineswegs
längst entwachsen. Den blinden Vater verachtet er, weil
ausbruch. Wie sich der jüngste Sohn einer Fischerwitwe,
süßen
leicht, sich diesen Bombast zu deuten —, so zielt er nicht
er betrügt, und sagt ihm das ins Gesicht mit einer Bru¬
der den sicheren Tod auf den unbarmherzigen Wellen
wollch
allein auf das orthodoxe Judentum. Sondern er ver¬
talität, wie sie jüdischen Kindern im allgemeinen schwer¬
vor Augen hat, verzweifelt an die Wände klammert, als
1 so da
wirft gleichermaßen die christliche Religion, die von
lich eigen ist. Als echtes, von der Melancholie gezeich¬
sie ihn abholen wollen, wie er nach dem Leben jammert,
los
ihren Anhängern ebenso unbedingte Unterwürfigkeit ver¬
netes jüdisches Kind flüchtet er hinwiederum in seiner
winselt, tobt, wie ihn die alte Mutter dann besänftigt
langt. Er will, daß sich zwei Menschen, die sich lieb
Herzensnot ans Grab der Mutter, wo er Blümlein
und in das unentrinnbare Verderben schickt: das gehört
ist,
haben, auch ohne Gott oder mit einem Gott, wie ihn
pflückt. Vater und Tante wollen den seltsamen Schwär¬
zu den stärksten Eindrücken der modernen Bühne und
und
keine der beiden Konfessionen kennt, vereinigen. Und
mer mit einer Glaubensgenossin verkuppeln, die drei¬
ist schlechterdings unvergeßlich. Aber leider folgte noch
Nivch
weil das schlichte Dienstmädchen sich nicht zu so ver¬
tausend Gulden und eine gediegene Aussteuer in die Ehe
ein vierter Akt, in dem der Dichter vom Tendenzler er¬
sich
stiegener Naturverehrung aufschwingen kann, erhält es
mitbringt, um ihn auf diese Weise zu fesseln; er aber
drosselt wurde. Mit Knüppeln wurde auf die ver¬
biduch
kurzerhand den Laufpaß. Der abtrünnige Jude aber sinkt
hat sich insgeheim mit der christlichen Magd eingelassen
brecherischen Reeder losg hauen, die mit Menschenleben
ler
dadurch zum Prinzipienreiter herab und wird einfach
und nennt sie vor Gott seine Frau. Da alles Zureden
ein zum Himmel schreiendes Spiel treiben. — In nuce
das
lächerlich. Schlimm genug, wenn ein Ausor seinem
nichts hilft, wird schließlich der Herr Rabbiner bemüht:
hatte man hier den ganzen Heyermans, mit großen Vor¬
1 Helden so grausam mitspielt. — Es bleibt die viel ge¬ vorle#
zügen, doch auch mit bedenklichen Schwächen. Seine Ent= der wird mit seiner Talmudweisheit den Widerspenstigen
20. Zuischensniel
1 wicklung hat dann nicht seine künstlerischen Wesensseiten! schon zähmen. Und nun prallen in der scène à faire! rühm
an.
die gegensätzlichen Meinungen aufeinander. Raphael reißt
vertieft. Die Zustandsmalerei machte sich immer uner¬
1/0. Feuisleton.
diesen
die Mauern des mosaischen Gedankenghettos ein, aber
quicklichr breit; das Temperament schrumpfte ein; und
Kuns
er stürmt auch gegen das christliche Ideenschutzzallsystem
Ge### Berliner Theater.
die leidige Tendenz wurde ihm mehr und mehr Selbst¬
Erin
an, um einen höchst nebulosen Pantheismus oder viel¬
Von Dr. Max Meyerfeld.
zweck.
Nove
mehr eine auf allgemeine Menschenliebe gegründete Re¬
All das spiegelt sich in seinem jüngsten Trauerspiel
III.
Franz
ligionslosigkeit mit Elan hinauszuschleudern. Ghetto,
„Ghetto“ dem zionistische Studenten (mich schaudert!
Mosaik.
eine
Einengung, Absperrung ist ihm nicht nur der Glaube
Anfang Dezember.
am Kleinen Theater eine widerlich spektakulöse Aufnahme
rende
seiner Väter, sondern auch jener anderen, die ihn ver¬
bereiteten. Die jungen Hitzköpfe gebärdeten sich rabiat,
Im Grunde gehört der Holländer Hermann
eigen
höhnen oder mißachten, weil er als Jude geboren ist.
als ob ihre heiligsten Güter in den Schmutz gezogen
Heyermans zu den Einwerkspoeten, an denen wir
Schr
Deshalb nimmt er von seiner Geliebten das hochherzige
würden. Und doch galt ihr Lärmen nur einer verwor¬
lin Deutschland nicht gerade Mangel leiden. Er fing mit
eines
Opfer nicht an, als sie sich aus Mitleid mit dem alten
renen, abgestandenen Theaterei. Sie schienen besser zu
der „Hoffnung auf Segen“ verheißungsvoll an. Seine
schau
blinden Manne bereit erklärt, zum Judentum überzu¬
wissen als der Autor selbst, was er eigentlich wollte.
m#uralistiche Beobachtungsschärfe verblüffte. Wäle sie
wirkl
treten. Mit Schimpf und Schande jagt er sie fort, und
Denn sobald er durch den Mund seines Helden seine
* Lustrum früher zu uns gedrungen, als der allein
näher
er selbst bleibt — bleibi, um womöglich zu guter Letzt
neue Heilslehre verkündet, wird er schrecklich geschwollen
##ig machense Naturalismus noch in seiner Sünden
doch noch die schwarzäugige Rebekka zu heiraten.
und — was fast noch schlimmer ist — peinlich unklar.
Maienblüte stand: sie wäre wie ein Gipfel angestannt
Was soll das alles? fragen wir in tiefster Seele
Raphael Sachel heißt der junge Mann. Er ist in der
schorden. Immerhin, er durfte als Nachzügler in der
die
uninteressiert. Wozu der Aufwand? Wozu die lang¬
stickigen Ladenluft eines Trödelkrams aufgewachsen und
Kolonne mitmarschieren. Wertvoller als die umständliche,
es
atmigen Tiraden, die tönenden Phrasen? Hab' ich
der jahrhundertealten Tradition des starren Judentums
quälende Milienschilderung war ein jäher Temperaments¬
Schi
Heyermans recht verstanden — und es ist keineswegs
längst entwachsen. Den blinden Vater verachtet er, weil
ausbruch. Wie sich der jüngste Sohn einer Fischerwitwe,
süßen
leicht, sich diesen Bombast zu deuten —, so zielt er nicht
er betrügt, und sagt ihm das ins Gesicht mit einer Bru¬
der den sicheren Tod auf den unbarmherzigen Wellen
wollch
allein auf das orthodoxe Judentum. Sondern er ver¬
talität, wie sie jüdischen Kindern im allgemeinen schwer¬
vor Augen hat, verzweifelt an die Wände klammert, als
1 so da
wirft gleichermaßen die christliche Religion, die von
lich eigen ist. Als echtes, von der Melancholie gezeich¬
sie ihn abholen wollen, wie er nach dem Leben jammert,
los
ihren Anhängern ebenso unbedingte Unterwürfigkeit ver¬
netes jüdisches Kind flüchtet er hinwiederum in seiner
winselt, tobt, wie ihn die alte Mutter dann besänftigt
langt. Er will, daß sich zwei Menschen, die sich lieb
Herzensnot ans Grab der Mutter, wo er Blümlein
und in das unentrinnbare Verderben schickt: das gehört
ist,
haben, auch ohne Gott oder mit einem Gott, wie ihn
pflückt. Vater und Tante wollen den seltsamen Schwär¬
zu den stärksten Eindrücken der modernen Bühne und
und
keine der beiden Konfessionen kennt, vereinigen. Und
mer mit einer Glaubensgenossin verkuppeln, die drei¬
ist schlechterdings unvergeßlich. Aber leider folgte noch
Nivch
weil das schlichte Dienstmädchen sich nicht zu so ver¬
tausend Gulden und eine gediegene Aussteuer in die Ehe
ein vierter Akt, in dem der Dichter vom Tendenzler er¬
sich
stiegener Naturverehrung aufschwingen kann, erhält es
mitbringt, um ihn auf diese Weise zu fesseln; er aber
drosselt wurde. Mit Knüppeln wurde auf die ver¬
biduch
kurzerhand den Laufpaß. Der abtrünnige Jude aber sinkt
hat sich insgeheim mit der christlichen Magd eingelassen
brecherischen Reeder losg hauen, die mit Menschenleben
ler
dadurch zum Prinzipienreiter herab und wird einfach
und nennt sie vor Gott seine Frau. Da alles Zureden
ein zum Himmel schreiendes Spiel treiben. — In nuce
das
lächerlich. Schlimm genug, wenn ein Ausor seinem
nichts hilft, wird schließlich der Herr Rabbiner bemüht:
hatte man hier den ganzen Heyermans, mit großen Vor¬
1 Helden so grausam mitspielt. — Es bleibt die viel ge¬ vorle#
zügen, doch auch mit bedenklichen Schwächen. Seine Ent= der wird mit seiner Talmudweisheit den Widerspenstigen