II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 267

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20. Zui. nspiel
Telephon 12801.
„OBSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt ausschlesische Zeitung, Breslau
vom:
WDif Ahenter haben einge interesante Neusgkeiten gebracht. Im
Königlichen Schauspielhause gab man am Sonnabende eine wunder¬
liche Komödie „Froschkönig“, deren Held, eine Art Manulescu
(von Matkowsky vorzüglich gespielt), alle an der Nase herumführt
und ungestraft, ja von allen — mit Ausnahme der jungen Tochter
des Hauses, in die er sich sentimental werdend verliebt hat, und
ihres von ihm bestohlenen Vaters — sogar bewundert und ver¬
ehrt, zum Schlusse von dannen fährt. Eine stellenweise ergötzlich
wirkende, dann aber wiederkunfreiwillig lächerliche, unmögliche Diebes¬
komödie. Das Lessingtheater erzielte mit Schnitzlers „Zwischen¬
spiel“ einen negativen Erfolg. Das Kleine Themnk Prachte gestern
die Tragikomödie „Feiertag“ von dem Wiener Fellinger mit
fesselnder Wirkung — dank dem Stücke und der lebenswahren Dar¬
stellung — zur ersten Aufführung. Die Tragikomödie eines
Wiener Bureaubeamten, der in seinen Abendstunden große Dramen
dichtet, von den Seinen in der Meinung, daß er ein echter Dichter
sei, während 25 Jahre bestärkt und mit der Hoffnung auf große
Erfolge erfüllt wurde und der nun an seinem Jubiläumstage zu der
Erkenntnis kommen muß, daß er sich in sich selbst und die Seinen
ihn getäuscht haben, aus liebevoller Rücksicht Sohn und Tochter, in
gutem Glauben die Gattin. Die Verzweiflung über die Täuschung
und die erbarmungslose Erkenntnis der dilettantischen Nichtigkeit
seines Schaffens bringen ihn dem Wahnsinn und dem Selbstmorde
nahe. Aber die Angst der Seinen war vergeblich. Er faßt sich
wieder und setzt sich hin, die „Tragikomödie“ seines eigenen Lebens
zu schreiben. Der Verfasser erntete vielen wohlverdienten Beifall
und wurde mehrfach gerufen. Thaller spielte die Hauptfigur ganz
vorzüglich. Kinderszenen sind selten so echt und natürlich darge¬
stellt und selten von einem Dramatiker so glücklich erfunden und
gezeichnet worden wie diese hier.
L. P.
Telephon 12801.
„OBSERVER‘
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertratungen
in Berlin. Budapest. Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid. Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco. Stockholm, St. Petersburg.
(Quallenangabe ohne Gewähr.)
n. Kunst- & Theater Zeitung
Ausschnitt aus:
rs
vom:

Berliner Theaterbrief.
(Originalbericht der „Internationalen Kunst= und Theaterzeitung“.)
Schnitzlers neues Stück, das im „Lessingtheater“ zum erstenmal
aufgeführt wurde, nennt sich eine Komödie in drei Akten. Aber wir
dürfen von dem feinen, melancholisch zarten Wiener kein fröhliches
Gelächter und keinen lustigen Humor erwarten. Sein Lachen klingt
grell und bitter in dem tragischen Scherzspiel seines „Reigen“ in den
Grotesken und Satiren, die ihm gelungen; diesmal ist es eine schwer¬
mütig leise Heiterkeit, in der ein gehaltener Ernst liegt. Zwischen
Lachen und Weinen schwankt das eheliche Zwischenspiel des Kapell¬
meisters Amadeus Adams und seiner Frau, der Sängerin Cäcilie, bis
es in einen schrillen ungewissen Akkord ausklingt, und ebenso schwankt
der Stil zwischen psychologischer Seelenschilderung und geistreich effekt¬
voller Causerie, zwischen dem Konfliktdrama und einer fast possen¬
haften Zuspitzung. Das musikalische Ehepaar hat eine moderne Ehe
geschlossen, die auf vollständiger beiderseitiger Freiheit und Aufrichtig¬
keit gegründet sein soll. Ein peinliches Intermezzo stellt sich ein;
während er mit einer gefälligen Sängerin in eine leichte Liaison gerät,
wird sie von einem jungen Fürsten Sigismund verehrt. Durch die
gegenseitigen Geständnisse, die sie sich nach der Verabredung machen,
und die doch die größte Lüge sind, indem sie kühl und fachgemäß von
Dingen reden, die beide aufs tiefste erregen, wird die Situation bang
und unerträglich. Obwohl sich beide noch immer lieben, führt doch
der Mann eine Entscheidung herbei; sie wollen als „gute Freunde“,
als „Kameraden“ mit einander verkehren. Aber solch ein Verhältnis
ist, wie der Raisonneur des Stückes bemerkt, zwischen zwei Personen
verschiedenen Geschlechts immer gefährlich. Amadeus verliebt sich in
die neue Freundin und beginnt um die eigene Gattin glühend zu
werben. Sie aber kann das grausame Experiment, durch das er sich
zuerst von ihr getrennt, nicht vergessen; auch sie liebt ihn noch wie
immer, aber nach diesem Zwischenspiel wäre ihr eine Rückkehr, ein
Aufgeben ihrer Freiheit' unmöglich. Sie ist zum eigenen freien
Menschen erwacht, und wenn sie sich noch einmal wiederfinden über
ihrem Kind, worau wir glauben dürfen, dann wird sie ihm freiwillig
die Hand zu dem Finale ihrer Ehe reichen, nicht daß sie sich wieder
in die alten Bande durch Schmeicheleien hineinziehen läßt, die der
Mann eben frivol zerrissen. Die psychologische Feinheit in diesen
alles Seelische bloßlegenden Dialogen zwischen Mann und Frau ist
von einer Zartheit. Subtilität und dem diskreten Verstehen erfüllt, die
heute nur Schnitzler in Worte zu legen vermag. Außer den beiden
ziemlich blaß gebliebenen Gestalten, die als außereheliche Partner der
beiden Eheleute vorgeführt werden, steht noch ein zweites Ehepaar
neben ihnen, ihre Freunde, der Schriftsteller Albertus Rhon und seine
Frau. Rhon ist die Figur, in der der selbst zweifelnde, bewußte
Dichter alle seine eigenen Bedenken gegen das Stück in romantischer
Subjektivität laut werden läßt; er hat die Funktion des räsonnieren¬
den Chorus im französischen Salonstück und stört mit seiner skeptischen
Geistreichigkeit ein wenig die in leichten Schwebungen hingleitenden
ehelichen Seelendialoge. So ist manches sonderbar und unfertig, ja
verwirrend in dem Stück, aber dennoch leuchtet aus allem die sicher
formende Hand, die dichterische Größe Schnitzlers. Die Aufführung
verstärkte die Unwahrscheinlichkeiten des Werkes, anstatt sie zu mildern.
Bassermanns schweres, die Tiefen aufwühlendes Temperament fand¬
nicht den leicht graziösen, künstlerisch unbesorgten Ton, den dieser im¬
pulsiv bewegliche, träumerisch leidenschaftliche Musiker haben muß.
Reicher unterstrich noch die etwas aufdringliche Dialektik der Gestalt
und wirkte trotz all seiner Charakterisierungskunst fast störend in den
Shochgestimmten Szenen des Schlusses. Am besten war Irene Triesch,
wohl deshalb, weil sie am wenigsten an künstlerischer Persönlichkeit
aufzugeben hakte. So fand die Aufführung eine freundliche, aber
nicht gerade begeisterte Aufnahme.
Dr. P. L.