20 Zuischensniel
box 25/2
368
Die Zukunft.
nach den Flitterwochen ists der Frau manchmal, als hörte sie leises Wiehern.
Nichts Ernstes natürlich; der Vertrautesten hätte er sonst ja schon gebeichtet.
Nach und nach kommt er mit kleinen Geständnissen. Eine zärtliche Berüh¬
rung im Probenzimmer. Ein flüchtiger Kuß, wenn Zerlinens Ton nicht ge¬
flackert hatte. Vielleicht ein Abend bei Ronacher oder Gabor Steiner, im
Nachtkaffechaus oder an schlimmerer Stätte. Ganz appetitlich ists nicht. Der
Frau, die sich hingiebt und in der Hingebung Frucht hoffen kann oder fürchten
muß, ist die Vorstellung des Sexualverkehrs nicht eine so unbeträchtliche Sache
wie dem Mann, der nur nimmt, nichts Unersetzliches giebt und, mag er Einer
noch so fest anhangen, hundert Andere begehren und besitzen kann, ohne sich
deshalb treulos zu fühlen. Das Bedürfniß der Gattung, deren Dupe wir, nach
Schopenhauers schlauem Wort, sind und bleiben, sorgt, weil sie weder unter
ungebrochener Herrschaft der Monogamie noch bei dauernder Promiskuität
gedeihen könnte, für die Erhaltung verschiedener Geschlechtsmoral in den Hir¬
nen des Zeugers und der Gebärerin. Muß der Mann denn aber sein Allzu¬
männliches in keusche Ohren flüstern? Manchem trüffelts die Wonne erst recht,
wenn er im lauen Frieden des Ehebettes sich als Sünder anschwärzen kann.
Solche Neigung erwächst nie aus hoher Schätzung der Frau, der gesagt wer¬
den soll: Für mich Verruchten, der Dir aus wilder Wollust heimkehrt, mußt
auch Du, Hauskätzchen, was Besonderes thun. Der (meist schon bei Madame
im süßen Geschäft nicht mehr gar so emsige) Eheherr, der das in Arkadia oder
im Moulin Rouge Erlebte unter der Steppdecke ausplaudert, will durch solches
Bekenntniß seinen Werth als male erhöhen; und ahnt nicht, wie die Sätti¬
gung seiner Eitelkeit auf die Frau wirkt, vor der sich sein Hahnenstolz spreizt.
Amadeus ist von der Sorte. Daß man einander Alles sagen werde, war ja
die Vorbedingung des Ehepaktes. Caecilie ist viel zu vernünftig, um sich durch
das Geständniß eines Abenteuers gekränkt zu fühlen. Wäre ein uneingestan¬
dener, aus Feigheit verfüllt geblieben.: Wunsch nicht tausendmal schlimmer?
Und Verstellung ist so unbequem, so unvereinbar mit der Rolle des Genius,
der mit den Sternen Zwiesprache hält. Schließlich ist die Frau ja keine Ge¬
liebte. Auch Caecilie nicht, trotz ihrem Reiz, ihrer Künstlerseele; auch in der
Hingabe blieb sie immer das keusche Mädchen und nie fiel der letzte Schleier
von ihrem kühl prangenden Leib. So mußes wohl sein. Wer schüfe im steten
Prasseln hetairischer Gluth starke Menschengestalten? Wen überkäme am
sanften Herdfeuer nicht die Sehnsucht nach einem hastigen Ritt ins heiße Reich
der Eroten? Jeden, in dessen Adern das Blut eines Künstlerspocht. Für Den
muß auf allen Tischen zu festlichem Schmaus gedeckt, sein und keinen Labe¬
trunk darf er vor der süßen Qual neuer Schaffensstunden verschmähen.
box 25/2
368
Die Zukunft.
nach den Flitterwochen ists der Frau manchmal, als hörte sie leises Wiehern.
Nichts Ernstes natürlich; der Vertrautesten hätte er sonst ja schon gebeichtet.
Nach und nach kommt er mit kleinen Geständnissen. Eine zärtliche Berüh¬
rung im Probenzimmer. Ein flüchtiger Kuß, wenn Zerlinens Ton nicht ge¬
flackert hatte. Vielleicht ein Abend bei Ronacher oder Gabor Steiner, im
Nachtkaffechaus oder an schlimmerer Stätte. Ganz appetitlich ists nicht. Der
Frau, die sich hingiebt und in der Hingebung Frucht hoffen kann oder fürchten
muß, ist die Vorstellung des Sexualverkehrs nicht eine so unbeträchtliche Sache
wie dem Mann, der nur nimmt, nichts Unersetzliches giebt und, mag er Einer
noch so fest anhangen, hundert Andere begehren und besitzen kann, ohne sich
deshalb treulos zu fühlen. Das Bedürfniß der Gattung, deren Dupe wir, nach
Schopenhauers schlauem Wort, sind und bleiben, sorgt, weil sie weder unter
ungebrochener Herrschaft der Monogamie noch bei dauernder Promiskuität
gedeihen könnte, für die Erhaltung verschiedener Geschlechtsmoral in den Hir¬
nen des Zeugers und der Gebärerin. Muß der Mann denn aber sein Allzu¬
männliches in keusche Ohren flüstern? Manchem trüffelts die Wonne erst recht,
wenn er im lauen Frieden des Ehebettes sich als Sünder anschwärzen kann.
Solche Neigung erwächst nie aus hoher Schätzung der Frau, der gesagt wer¬
den soll: Für mich Verruchten, der Dir aus wilder Wollust heimkehrt, mußt
auch Du, Hauskätzchen, was Besonderes thun. Der (meist schon bei Madame
im süßen Geschäft nicht mehr gar so emsige) Eheherr, der das in Arkadia oder
im Moulin Rouge Erlebte unter der Steppdecke ausplaudert, will durch solches
Bekenntniß seinen Werth als male erhöhen; und ahnt nicht, wie die Sätti¬
gung seiner Eitelkeit auf die Frau wirkt, vor der sich sein Hahnenstolz spreizt.
Amadeus ist von der Sorte. Daß man einander Alles sagen werde, war ja
die Vorbedingung des Ehepaktes. Caecilie ist viel zu vernünftig, um sich durch
das Geständniß eines Abenteuers gekränkt zu fühlen. Wäre ein uneingestan¬
dener, aus Feigheit verfüllt geblieben.: Wunsch nicht tausendmal schlimmer?
Und Verstellung ist so unbequem, so unvereinbar mit der Rolle des Genius,
der mit den Sternen Zwiesprache hält. Schließlich ist die Frau ja keine Ge¬
liebte. Auch Caecilie nicht, trotz ihrem Reiz, ihrer Künstlerseele; auch in der
Hingabe blieb sie immer das keusche Mädchen und nie fiel der letzte Schleier
von ihrem kühl prangenden Leib. So mußes wohl sein. Wer schüfe im steten
Prasseln hetairischer Gluth starke Menschengestalten? Wen überkäme am
sanften Herdfeuer nicht die Sehnsucht nach einem hastigen Ritt ins heiße Reich
der Eroten? Jeden, in dessen Adern das Blut eines Künstlerspocht. Für Den
muß auf allen Tischen zu festlichem Schmaus gedeckt, sein und keinen Labe¬
trunk darf er vor der süßen Qual neuer Schaffensstunden verschmähen.