20 Zuischensniel
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Die Zukunft.
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den. Die Frau eine husterische Dirne, die unter jedem schönen Kerl ihre Gier
sättigen möchte und sich entweiht fühlt, weil der Mann, dem sie sieben Jahre
gehörte, im achten sie noch einmal an sich riß; einmal noch, wie vorhersooft.
Gehts so in der Ehe zu? Reden so Menschen mit einander, die sieben Jahre
lang Tag und Nacht vereint waren und aus deren Umarmung ein Kind ge¬
boren ward? Die würden über höheres Hinderniß hinwegkommen, würden
sich des Kindes wegen nach ernsterem Zwist versöhnen und Herrn Albertus
Rhon auslachen, wenn er solchen Abschluß banal fände; denn so banal, so
wundervoll vernünftig ist das Leben. Mag sein, erwidert der Dichter;nur das
Leben der Abnormen nicht, die ich auf die Bretter stelle. Deren Kind ist das
Gedicht, die Symphonie, das Bild, das ihr Geist gebiert. Deren Leben ist,
weil sie Narren der Phantasie sind und mit Bewußtsein die Heerstraße mei¬
den, verkünstelt (wie Ihrs nennt), jedenfalls anders als das Euch bekannte.
Sucht Ihr Euresgleichen, so blättert die alten Biblia pauperum auf.
Ich hoffe (und fürchte für Schnitzler): sie werdens thun; werdens bei
all der überfeinerten Feinheit nicht lange mehr aushalten. Unsliterati können
solche Zwischenspiele amusiren. Wir kennen diese Welt und freuen uns, wenn
Herr Amadeus, der sich den Wahrhaftigsten dünkelt, sich selbst belügt und
die Lüge, die er sie so lange gelehrt hat, aus dem Munde der Schülerin zurück¬
erhält. Freuen uns all der Phrasengewitter, die niederprasseln, und nehmen die
Donnerschläge nicht allzu ernst. Die Anderen, die der Zufall des Erlebens nie
in dieses Welteckchen führte? Noch machen sie die Mode mitz glauben, das Unver¬
ständliche nur sei vornehm. Lange aber werden sie die muffige Luft nicht mehr er¬
tragen. Auch in der Bibel der Einfältigen stehen lesenswertheGeschichten. Faust
und Hamlet haben dem friesischen Landmann und dem Kulturkünstler Etwas zu
sagen, dem Schlichtesten und den: Rafsinirtesten. Was Amadeusspricht und ver¬
schweigt,tönt nur im Ohr einer kleinen Sekte wider. Hört Herr Arthur Schnitzler
wirklich nur noch das Gesumm des eitlen Artistenhäufleins? Ich bewundere
den ernsten Fleiß, mit dem er sein von Ibsen übernommenes Thema immer
wieder varürt, wünsche seinem Mühen endlich aber einen reicheren Acker. Lockt
ihn das Leben der Thätigen gar nicht, nur das der Thatsimulanten, denen wir
ohne Beweisglauben sollen, daßsie Geniessind? Der Titel seinesneusten Dramas
läßt mich hoffen. Die feine, doch flüchtig gezimmerte Komoedie, aus der man
cher Fleck, manches allzu witzige Wort zutilgen wäre, warihm selbstwohl nur
ein Zwischenspiel; Füllsel einer zu Wichtigerem untauglichen Stunde. Ueber
seinem neuen Werk steht: „Der Ruf des Lebens“. Und seine besten Freunde
wünschen, dieser Ruf möge dem Ohr des Dichters nie wieder verhallen. M. H.
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: M. Harden in Berlin. — Verlag der Zukunft in Berlin.
Druck von G. Bernstein in Berlin.
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Die Zukunft.
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den. Die Frau eine husterische Dirne, die unter jedem schönen Kerl ihre Gier
sättigen möchte und sich entweiht fühlt, weil der Mann, dem sie sieben Jahre
gehörte, im achten sie noch einmal an sich riß; einmal noch, wie vorhersooft.
Gehts so in der Ehe zu? Reden so Menschen mit einander, die sieben Jahre
lang Tag und Nacht vereint waren und aus deren Umarmung ein Kind ge¬
boren ward? Die würden über höheres Hinderniß hinwegkommen, würden
sich des Kindes wegen nach ernsterem Zwist versöhnen und Herrn Albertus
Rhon auslachen, wenn er solchen Abschluß banal fände; denn so banal, so
wundervoll vernünftig ist das Leben. Mag sein, erwidert der Dichter;nur das
Leben der Abnormen nicht, die ich auf die Bretter stelle. Deren Kind ist das
Gedicht, die Symphonie, das Bild, das ihr Geist gebiert. Deren Leben ist,
weil sie Narren der Phantasie sind und mit Bewußtsein die Heerstraße mei¬
den, verkünstelt (wie Ihrs nennt), jedenfalls anders als das Euch bekannte.
Sucht Ihr Euresgleichen, so blättert die alten Biblia pauperum auf.
Ich hoffe (und fürchte für Schnitzler): sie werdens thun; werdens bei
all der überfeinerten Feinheit nicht lange mehr aushalten. Unsliterati können
solche Zwischenspiele amusiren. Wir kennen diese Welt und freuen uns, wenn
Herr Amadeus, der sich den Wahrhaftigsten dünkelt, sich selbst belügt und
die Lüge, die er sie so lange gelehrt hat, aus dem Munde der Schülerin zurück¬
erhält. Freuen uns all der Phrasengewitter, die niederprasseln, und nehmen die
Donnerschläge nicht allzu ernst. Die Anderen, die der Zufall des Erlebens nie
in dieses Welteckchen führte? Noch machen sie die Mode mitz glauben, das Unver¬
ständliche nur sei vornehm. Lange aber werden sie die muffige Luft nicht mehr er¬
tragen. Auch in der Bibel der Einfältigen stehen lesenswertheGeschichten. Faust
und Hamlet haben dem friesischen Landmann und dem Kulturkünstler Etwas zu
sagen, dem Schlichtesten und den: Rafsinirtesten. Was Amadeusspricht und ver¬
schweigt,tönt nur im Ohr einer kleinen Sekte wider. Hört Herr Arthur Schnitzler
wirklich nur noch das Gesumm des eitlen Artistenhäufleins? Ich bewundere
den ernsten Fleiß, mit dem er sein von Ibsen übernommenes Thema immer
wieder varürt, wünsche seinem Mühen endlich aber einen reicheren Acker. Lockt
ihn das Leben der Thätigen gar nicht, nur das der Thatsimulanten, denen wir
ohne Beweisglauben sollen, daßsie Geniessind? Der Titel seinesneusten Dramas
läßt mich hoffen. Die feine, doch flüchtig gezimmerte Komoedie, aus der man
cher Fleck, manches allzu witzige Wort zutilgen wäre, warihm selbstwohl nur
ein Zwischenspiel; Füllsel einer zu Wichtigerem untauglichen Stunde. Ueber
seinem neuen Werk steht: „Der Ruf des Lebens“. Und seine besten Freunde
wünschen, dieser Ruf möge dem Ohr des Dichters nie wieder verhallen. M. H.
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur: M. Harden in Berlin. — Verlag der Zukunft in Berlin.
Druck von G. Bernstein in Berlin.