II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 283

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20. Zuischensniel
1802
Der Roland von Berlin.
letzte Akt aber ist eine gewaltsame Synthese Schnitzler=Sudermann; oder
genauer Sudermann=Schnitzler.
Wie sagte ich erst? Drei Phasen einer Ehe kommen. Die Seelen¬
verwebungen dieser Dreiheit, jede allein betrachtet und selbständig er¬
faßt, sind logisch in sich abgeschlossene Gebilde. Wie man aber auch ver¬
suchen mag, diese Dritteile zur Einheit aufzureihen an einer (hinter den
Kulissen liegenden)psychologischen Entwickelungskette: Kluften gähnen,
Widersprüche erheben ihr Haupt, die, kaum mühselig überwunden, hydra¬
köpfig sich verdoppeln. Der Zwiespalt klafft zwischen dem zweiten und
dritten Akte. Eine Liebesnacht liegt dazwischen. Der zweite Akt schließt:
der selbsttäuscherische Narr, und sie, die im Grunde ihn immer nur liebte,
haben sich wiedergefunden. Sicherlich, daß das Blut auf die Schnelle dieses
Wiederfindens einwirkte. Sicher aber auch, daß nach den vorhergegan¬
genen Akten die rein psychologischen Voraussetzungen vorhanden waren.
So bringt der zweite Akt einen Abschluß. Aber es folgt ein dritter. Der
Daseinssinn dieses dritten Aktes ist die Annullierung des zweiten (ge¬
nauer: die Desavonierung der Liebesnacht). Die Formel für die Kern¬
psychologie dieses Aktes flüsterte mir ein Freund. Erotische Katzenjämmer¬
lichkeit, meinte er. Das wäre die psychologische Voraussetzung. Die
dramatisch=technischen sußen im Theatralischen. Fußen, wie gesagt, auf
der Zufälligkeit, daß die Frau ausgegangen ist. Am Morgen ist der
Gatte ein Opfer seiner Eifersucht. Das gibt den Stoff für eine Reihe
von Possensituationen. Possensituationen, die gegenüber dem Stil der
beiden Hauptcharaktere beleidigen. Die Grundlosigkeit der Eifersucht
wird offenhar. Der Gatte steht da, sehnend, mit offenen Armen, und
im geeignen Moment kommt die Heldin heim. Hier kommt der Um¬
schwung. Jäh und unvermittelt in des Lessingtheaters Aufführung. Da
ich diese Zeilen schreibe, hat Fischer das Buch noch nicht herausgegeben.
Es ist also nicht prüfbar, ob den Bruch in der Einheitlichkeit seiner Psy¬
chologie der Dichter verschuldet, oder Irene Triesch in ihrer Nachschaffung
(von der ich noch sprechen werde). Tatsache bleibt: die Heldin weist
den werbenden Gatten zurück; trotz und wegen der Liebesnacht. (Dieses
„wegen's“ Ausbeute verpuffte an dem brüchigen Ausbau der psychologi¬
schen Vorausbedingungen.) Sie macht das Physiologische zum Schuld¬
ner; zum Sündenbock. Sagt (und dabei breitet sie weit die Arme aus):
wenn du es nicht gewesen wärst, dann ein anderer. Ihren Mann stem¬
pelt sie zum Werkzeug einer wollüstigen Aufwallung ... Schön, also
die Dirne. Diese Wendung wäre verblüffend echt, hätte Schnitzler die
seelischen Grundlagen geschaffen. Hätte er die elementare Wucht eines
nach siebenjähriger Vernunftehe erwachenden Trieblebens glaubhaft ge¬
macht. Hätte er (und das ist die Fehlnis) die Liebe zu ihrem Mann
durch den Durst nach der anderen Gattung aufgelöst. Die alte Liebe¬