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Bühne uns Welt.
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mal, am Ende des Abschieds der Liebenden, bemüht hatte, wirkt entschieden opernhaft. Dielleicht
glaubte Wildenbruch der Schwesterkunst, Frau Musika, diesen Tribut schuldig zu sein. Jedenfalls
hat der Dichter bei der Anlage seines Schauspiels von vornherein auf die Mitwirkung der Musik
gerechnet. Möglich, daß so hie und da ein technisch toter Dunkt entstanden ist, der auch dure
die schönsten lprischen Ergüsse in der besten Dertonung dramatisches Leben nicht zu gewinnen
vermag. Will man auch nicht etwa mit Doltaire eine vorübergehende Leere der Bühne in rigo¬
roser Weise übermäßig schelten, so müßte man es doch bedauern, wenn die nach des Dichters
Weisung hinter der Szeue gesungenen Lieder, wie das der Krieger beim Verlassen des Hafens
und die Magerufe der Frauen und Männer nach der eingetroffenen Hiobspost im Garten des
Euripides, nicht zu verstehen wären. da ihr Inhalt höchstens aus dem Tharakter der jedesmaligen
Dertonung erraten werden müßte.
Freilich hei Mar Dogrich alles getan, was man verlangen kann. Uebe. gelungen
scheint sein Versuch, antike Conarten mit moderner Technik zu rereinen. Feierlich erklingt die
marsch# J#ne Weise der Heplosträgerinnen im erhen Alte, und außerordentlich feisch mutet der
erwäh. der abfahrenden Krieger an. in Meisterstück ist der fugierte Klagegesang im
Garten ### Dichters; voll rührender Lieblichkeit ist das Zwischenspiel zwischen dem ersten und
dem zweiten Aufzuge; ergreifend erklingt das klagende Lied der in den Steinbrüchen gefangenen
Athener, und in glänzender Dracht esstrahlen die keinzelnen Sätze des üppigen Bacchanals im
letzten Aufzug.
Hinzugefügt sei noch, daß die gedankenreiche Sprache Wildenbruchs fast durchweg von be¬
rückendem Zauder ist, und daß nur selten eine aus dem Nahmen des großzügigen Pathos her¬
ausfallende Alltäglichkeit unterläuft. Der Wechsel der Rhrihmen wirkt keineswegs unruhig. da
er der jedesmaligen Stimmung und den Situationen angepaßt erscheint. So konnte es denn nicht
fehlen, daß die Aufnahme der Dichtung eine überaus herzliche war.
Die Aufführung, deren szenischer Teil vom Oberregisseur Karl Weiser mit feinsinnigem
Verständnis vorbereitet war, während sich Hofkapellmeister Krzpzanewski als Leiter des Or.
chesters und der Gesänge vorzüglich bewährte, gab viel Gutes, z. T. Ausgezeichnetes. Neben
Weisers bis ins kleinste Detail durchgearbeitetem Euripides bot wieder besonders Frl. Elisabeth
Schneider als Elpinike eine hinreißende Leistung. Aber auch Krähe als Stesimbrotos, Frau
v. Szpinger als Schaffnerin Phtionike, ihr Partner Heltzig (Sklave des Euripides) und Karl
Bauer als Feldherr der Sprakuser verdienen uneingeschränktes Lob. Die schwierigen Chöre
gingen, dank der gediegenen Einstudierung durch Thordirektor Saal, vortrefflich. Alles in allem:
es war ein denkwürdiger Abend, ein attisches Fest, wie wir es gern öfter feiern würden.
Otto Francke.
Von den Berliner Theatern 1905/06.
„Zwischenspiel“ hat Arthur Schnitzler seine jüngste Bühnenschöpfung genannt, die
bald nach der Wiener Uraufführung anf den Brekfern des Lessingtheaters erstand. Der Titel
ist in doppelter Hinsicht spmbolisch. Auch in Schnitzlers Schaffen bedeutet dieser kurze Dreiakter
nur ein Intermezzo, und wie die Tonschöpfung seines Kapellmeisters Adams ist er ein Capriccio,
so wie „Der einsame Weg“ wohl mit einer großen Orchesterdichtung modernen Kalibers ver¬
glichen werden kann. Beide Dichtungen weisen Schnitzlers Bestreben auf, den feelischen und
sozialen Beziehungen der Menschen bis in die letzten Schlupfwinkel zu folgen, den Dingen auf
den Grund zu schauen, alles abzustreifen, was im üblichen Theatersinne Konvention heißt. Daß
das Theatralische schlechthin dabei zu kurz kommt, soll weder geleugnet, noch bedauert werden.
Wir haben genügend Leute, die mit dei robusten Mache, mit dem Theatralischen im Sinne
Sarceps ihre Erfolge erzielen und können einem Schnitzler das Recht zugestehen, seine eigenen
subtileren Wege zu wandeln, aber wir müssen ihm ein Halt bei seinen feelischen Experimenten
zurufen und ihm gestehen, daß uns das Problem nicht richtig gelöst erscheint, wenn wir, willig
an seiner Seite wandelnd und mit ihm den Fall nachprüfend, ein non liquet entdecken. Und
das ist nach meinem Empfinden hier der Fall. Ich darf die jüngst in diesen Blättern erzählte
Fabel des Stückes wohl als bekannt voraussetzen und will nur an die Hauptzüge erinnern.
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mal, am Ende des Abschieds der Liebenden, bemüht hatte, wirkt entschieden opernhaft. Dielleicht
glaubte Wildenbruch der Schwesterkunst, Frau Musika, diesen Tribut schuldig zu sein. Jedenfalls
hat der Dichter bei der Anlage seines Schauspiels von vornherein auf die Mitwirkung der Musik
gerechnet. Möglich, daß so hie und da ein technisch toter Dunkt entstanden ist, der auch dure
die schönsten lprischen Ergüsse in der besten Dertonung dramatisches Leben nicht zu gewinnen
vermag. Will man auch nicht etwa mit Doltaire eine vorübergehende Leere der Bühne in rigo¬
roser Weise übermäßig schelten, so müßte man es doch bedauern, wenn die nach des Dichters
Weisung hinter der Szeue gesungenen Lieder, wie das der Krieger beim Verlassen des Hafens
und die Magerufe der Frauen und Männer nach der eingetroffenen Hiobspost im Garten des
Euripides, nicht zu verstehen wären. da ihr Inhalt höchstens aus dem Tharakter der jedesmaligen
Dertonung erraten werden müßte.
Freilich hei Mar Dogrich alles getan, was man verlangen kann. Uebe. gelungen
scheint sein Versuch, antike Conarten mit moderner Technik zu rereinen. Feierlich erklingt die
marsch# J#ne Weise der Heplosträgerinnen im erhen Alte, und außerordentlich feisch mutet der
erwäh. der abfahrenden Krieger an. in Meisterstück ist der fugierte Klagegesang im
Garten ### Dichters; voll rührender Lieblichkeit ist das Zwischenspiel zwischen dem ersten und
dem zweiten Aufzuge; ergreifend erklingt das klagende Lied der in den Steinbrüchen gefangenen
Athener, und in glänzender Dracht esstrahlen die keinzelnen Sätze des üppigen Bacchanals im
letzten Aufzug.
Hinzugefügt sei noch, daß die gedankenreiche Sprache Wildenbruchs fast durchweg von be¬
rückendem Zauder ist, und daß nur selten eine aus dem Nahmen des großzügigen Pathos her¬
ausfallende Alltäglichkeit unterläuft. Der Wechsel der Rhrihmen wirkt keineswegs unruhig. da
er der jedesmaligen Stimmung und den Situationen angepaßt erscheint. So konnte es denn nicht
fehlen, daß die Aufnahme der Dichtung eine überaus herzliche war.
Die Aufführung, deren szenischer Teil vom Oberregisseur Karl Weiser mit feinsinnigem
Verständnis vorbereitet war, während sich Hofkapellmeister Krzpzanewski als Leiter des Or.
chesters und der Gesänge vorzüglich bewährte, gab viel Gutes, z. T. Ausgezeichnetes. Neben
Weisers bis ins kleinste Detail durchgearbeitetem Euripides bot wieder besonders Frl. Elisabeth
Schneider als Elpinike eine hinreißende Leistung. Aber auch Krähe als Stesimbrotos, Frau
v. Szpinger als Schaffnerin Phtionike, ihr Partner Heltzig (Sklave des Euripides) und Karl
Bauer als Feldherr der Sprakuser verdienen uneingeschränktes Lob. Die schwierigen Chöre
gingen, dank der gediegenen Einstudierung durch Thordirektor Saal, vortrefflich. Alles in allem:
es war ein denkwürdiger Abend, ein attisches Fest, wie wir es gern öfter feiern würden.
Otto Francke.
Von den Berliner Theatern 1905/06.
„Zwischenspiel“ hat Arthur Schnitzler seine jüngste Bühnenschöpfung genannt, die
bald nach der Wiener Uraufführung anf den Brekfern des Lessingtheaters erstand. Der Titel
ist in doppelter Hinsicht spmbolisch. Auch in Schnitzlers Schaffen bedeutet dieser kurze Dreiakter
nur ein Intermezzo, und wie die Tonschöpfung seines Kapellmeisters Adams ist er ein Capriccio,
so wie „Der einsame Weg“ wohl mit einer großen Orchesterdichtung modernen Kalibers ver¬
glichen werden kann. Beide Dichtungen weisen Schnitzlers Bestreben auf, den feelischen und
sozialen Beziehungen der Menschen bis in die letzten Schlupfwinkel zu folgen, den Dingen auf
den Grund zu schauen, alles abzustreifen, was im üblichen Theatersinne Konvention heißt. Daß
das Theatralische schlechthin dabei zu kurz kommt, soll weder geleugnet, noch bedauert werden.
Wir haben genügend Leute, die mit dei robusten Mache, mit dem Theatralischen im Sinne
Sarceps ihre Erfolge erzielen und können einem Schnitzler das Recht zugestehen, seine eigenen
subtileren Wege zu wandeln, aber wir müssen ihm ein Halt bei seinen feelischen Experimenten
zurufen und ihm gestehen, daß uns das Problem nicht richtig gelöst erscheint, wenn wir, willig
an seiner Seite wandelnd und mit ihm den Fall nachprüfend, ein non liquet entdecken. Und
das ist nach meinem Empfinden hier der Fall. Ich darf die jüngst in diesen Blättern erzählte
Fabel des Stückes wohl als bekannt voraussetzen und will nur an die Hauptzüge erinnern.