20. Zuischensbie1
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Zwischenspiel
Der Ewige sitzt auf hohem und erhabenem Stuhl und lächelt ob seinen
törichten Kindern. Der Gekreuzigte und Auferstandene hält nach wie vor in den
durchgrabenen Händen die Schicksale seiner Welt. Und seine welterlösende
Lehre, nicht gebunden an das schwache Wort oder das gehaltene Begriffsver¬
mögen menschlicher Kurzsichtigkeit, durchdringt immer noch, wie lebendiges Blut,
ob bewußt, ob unbewußt empfunden, die gesamte, christliche Kultur und wirkt
neue Wunder der Erkenntnis, der Barmherzigkeit und der Erlösung, und seine
Rechte, erhöht über alle Hände, behält den Sieg.
J. Höffner
ah
Zwischenspiel
Verliebte und Verrückte
sind beide von so brausendem Gebirn,
so bildungsreicher Pantasie, die wahrnimmt,
was nie die kühlere Vernunft begreift.
Wahnwitzige Doeten und Verliebte
Bestehn aus Einbildung.
im Sommernachtskraum ist's ein übermütiger Kobold und der Saft der Wunder¬
blume, der die armen Menschenkindlein in die Verwirrung der Gefühle bringt.
Alte Neigung ist wie weggeblasen, und neue Leidenschaft verstrickt wie Fieber
den widerstandslosen Sinn. Wer eben noch für Hermia sterben wollte — „mein
Herz soll brechen, bricht es meine Treu“ — girrt selbstvergessen jetzt zu Helena:
„Durchs Feuer lauf' ich, wenn's dir Freude macht ...“
Im federleichten Spiel aus Mondenstrahl und Blütenzweigen, von Elfen¬
kichern umspielt, begibt sich die Komödie der Herzensirrung:
Wenn dann zwei um eine frein,
Das wird erst ein Hauptspaß sein:
Gehn die Sachen kraus und bunt,
Freu' ich mich von Herzensgrund —
so spricht Duck und lacht sein Schalksgelächter: „O die tollen Sterblichen!“
Im heiteren Märchenreigen, ungefährlich hilfreiche Geister sind ja
nah, im rechten Augenblick den Bann zu lösen, — spiegeln sich hier menschliche
Gefühlswirren. And auf dem Grund des hellen Spiegels liegt für den, der sie
sehen will, Wahrheit und Erkenntnis. Mit einem Wort aus Schnitzlers neuer
Komödie „Zwischenspiel“ (Aufführung im Lessing=Theater, Buch bei S.
Fischer, Berlin) kann man sie aussprechen, es ist die „tiefe Ansicherheit aller
irdischen Beziehungen zwischen Mann und Weib“. Was Shakespeare in einer
göttlich freien Stunde lächelnd zu holder Gaukelei, befreit von Erdenschwere,
gewendet, das schafft dem modernen Weltkind unserer Tage grüblerische Re¬
flexion; zu spürender Dialektik lockt es ihn; zu einer zersetzenden Gefühlschemie.
Elfenspuk mit Liebestrank und Zaubersäften, die Incubi und Suceubi
mittelalterlicher Vesessenheiten, sie sind in ihrer alten Fabelgestalt versunken.
Was sie bedeuteten und wirkten, das ist aber geblieben. Einkleidung, symbo¬
lische Dersonifizierung waren sie in einer fabelfroheren Zeit für die unerklär¬
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Zwischenspiel
Der Ewige sitzt auf hohem und erhabenem Stuhl und lächelt ob seinen
törichten Kindern. Der Gekreuzigte und Auferstandene hält nach wie vor in den
durchgrabenen Händen die Schicksale seiner Welt. Und seine welterlösende
Lehre, nicht gebunden an das schwache Wort oder das gehaltene Begriffsver¬
mögen menschlicher Kurzsichtigkeit, durchdringt immer noch, wie lebendiges Blut,
ob bewußt, ob unbewußt empfunden, die gesamte, christliche Kultur und wirkt
neue Wunder der Erkenntnis, der Barmherzigkeit und der Erlösung, und seine
Rechte, erhöht über alle Hände, behält den Sieg.
J. Höffner
ah
Zwischenspiel
Verliebte und Verrückte
sind beide von so brausendem Gebirn,
so bildungsreicher Pantasie, die wahrnimmt,
was nie die kühlere Vernunft begreift.
Wahnwitzige Doeten und Verliebte
Bestehn aus Einbildung.
im Sommernachtskraum ist's ein übermütiger Kobold und der Saft der Wunder¬
blume, der die armen Menschenkindlein in die Verwirrung der Gefühle bringt.
Alte Neigung ist wie weggeblasen, und neue Leidenschaft verstrickt wie Fieber
den widerstandslosen Sinn. Wer eben noch für Hermia sterben wollte — „mein
Herz soll brechen, bricht es meine Treu“ — girrt selbstvergessen jetzt zu Helena:
„Durchs Feuer lauf' ich, wenn's dir Freude macht ...“
Im federleichten Spiel aus Mondenstrahl und Blütenzweigen, von Elfen¬
kichern umspielt, begibt sich die Komödie der Herzensirrung:
Wenn dann zwei um eine frein,
Das wird erst ein Hauptspaß sein:
Gehn die Sachen kraus und bunt,
Freu' ich mich von Herzensgrund —
so spricht Duck und lacht sein Schalksgelächter: „O die tollen Sterblichen!“
Im heiteren Märchenreigen, ungefährlich hilfreiche Geister sind ja
nah, im rechten Augenblick den Bann zu lösen, — spiegeln sich hier menschliche
Gefühlswirren. And auf dem Grund des hellen Spiegels liegt für den, der sie
sehen will, Wahrheit und Erkenntnis. Mit einem Wort aus Schnitzlers neuer
Komödie „Zwischenspiel“ (Aufführung im Lessing=Theater, Buch bei S.
Fischer, Berlin) kann man sie aussprechen, es ist die „tiefe Ansicherheit aller
irdischen Beziehungen zwischen Mann und Weib“. Was Shakespeare in einer
göttlich freien Stunde lächelnd zu holder Gaukelei, befreit von Erdenschwere,
gewendet, das schafft dem modernen Weltkind unserer Tage grüblerische Re¬
flexion; zu spürender Dialektik lockt es ihn; zu einer zersetzenden Gefühlschemie.
Elfenspuk mit Liebestrank und Zaubersäften, die Incubi und Suceubi
mittelalterlicher Vesessenheiten, sie sind in ihrer alten Fabelgestalt versunken.
Was sie bedeuteten und wirkten, das ist aber geblieben. Einkleidung, symbo¬
lische Dersonifizierung waren sie in einer fabelfroheren Zeit für die unerklär¬