20. Zwischenspiel
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Zwischenspiel
anderen Frau, einer Philinennatur, die seine Phankasie in Schwingung bringt,
die seine künstlerische Erregbarkeit mit den Reizen eines Neuen, mit dem Ge¬
fährlichen des Abenteuers lockt aus der stillen, in Einklang gesänftigten Atmo¬
sphäre seines Hauses.
Es ist ein feiner Zug Schnitzlers, daß er diese Philine, die Theatergräfin
Friederike, nicht weiter individualisiert hat, sie erscheint uns als eine typische
Kokette. Sie dient hier eben nur als eine Statistin des Gefühls, sie ist das
Zufallsobjekt, das in der sensitiven, eindrucks= und emotionssüchtigen Natur
dieses Musikers Wünsche, Illusionen auslöst. Sie lagen bereit da, auf der
Lauer, wartend, schon die leiseste Berührung weckte sie.
Im ersten Akt werden diese inneren Situationen, die unausgesprochen
und doch voll bedrückender Gegenwart sind, vom Dichter mit feinen indirekten
Mitteln transparent gemacht. And in einer Szene beginnt nun die Komödie der
Irrungen des Gefühls, das Masken= und Trugspiel wider Willen, das selbst¬
täuschungsvolle, unbewußte Drehen im Kreis, nicht minder verblendet und ver¬
hext als der Liebesmummenschanz im Athenerwald, nur nicht heiter, nur nicht
ungefährlich. Amadeus, immer im Bann seiner Augenblicks-Phantasien uno
Vorstellungen, von widerstreitenden Empfindungen hin und her gezogen, will sich
seine Frau als künstlerische Gefährtin, als Kameradin, als Freundin erhalten.
Sein sprühendes, irrlichterierendes Gehirntemperament, sein ästhetischer Egois¬
mus entzückt sich an dieser Idee, er berauscht sich daran, und von diesem Ein¬
bildungstrank benebelt, merkt er gar nicht, daß Cäcilie mit weiten, starren
Augen und zuckenden Lippen vor ihm sitzt, daß sie so, von sprödem Gefühls¬
stolz stumm gemacht, nicht widerspricht und nur aus tief verborgener Liebe, um
nicht ganz zu verlieren, ihr Ja zu dem Vorschlag sagt.
Sein Selbstbetrug und ihre Gefühlsvergewaltigung sind die Ausgangs¬
punkte für die innere Handlung des Stückes.
Der zweite Akt spielt nach längerem Trennungszwischenraum, er führt
die Menschen unter veränderten seelischen Bedingungen zusammen. Und charak¬
teristisch ist's, wie die Freiheit verschieden auf den Mann und auf die Frau
gewirkt hat.
Bei Amadeus ist jener Philinenrausch verflogen, die Verzauberung ist
aufgehoben, und den Gelösten suchen jetzt wieder Cäcilien-Gedanken heim. Wie
sagt Shakespeares Demetrius im Sommernachtstraum:
Nun zum natürlichen Geschmack genesen,
Begehr' ich, lieb' ich sie, schmacht' ich nach ihr ...
Ein sehr bedeutsames, viel zu wenig beachtetes Motiv spielt hier, daß
nämlich viel mehr Männer, als man glaubt, im letzten Grunde monogamisch
veranlagt sind.
So „klipp und klar“ und direkt wird das hier selbstverständlich nicht ge¬
sagt, vielmehr wird indirekt an Einzelzügen gezeigt, wie sich in Amadeus, dem
innerlich jetzt Freien und neu Empfänglichen, alle Gefühlskristallisationen um die
Vorstellungen Cäciliens bilden. Fruchtbare Faktoren sind dabei die Trennung,
die illusionierende Ferne, die Berichte von den Triumphen, die Cäcilie auf ihrem
Gastspiel feiert, nicht zuletzt die uneingestandene Eifersucht auf alles, was sie er¬
leben könnte, und besonders auf jenen jungen Fürsten Siegismund, dessen Hul¬
digung Cäcilie schon früher aus einer gewissen Reaktion gegen Philine duldete.
Dies konventionelle Motiv der stimulierenden Eifersucht scheint mir von
Schnitzler bewußt so konventionell gewählt. Es liegt hierin eine Schicksals¬
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anderen Frau, einer Philinennatur, die seine Phankasie in Schwingung bringt,
die seine künstlerische Erregbarkeit mit den Reizen eines Neuen, mit dem Ge¬
fährlichen des Abenteuers lockt aus der stillen, in Einklang gesänftigten Atmo¬
sphäre seines Hauses.
Es ist ein feiner Zug Schnitzlers, daß er diese Philine, die Theatergräfin
Friederike, nicht weiter individualisiert hat, sie erscheint uns als eine typische
Kokette. Sie dient hier eben nur als eine Statistin des Gefühls, sie ist das
Zufallsobjekt, das in der sensitiven, eindrucks= und emotionssüchtigen Natur
dieses Musikers Wünsche, Illusionen auslöst. Sie lagen bereit da, auf der
Lauer, wartend, schon die leiseste Berührung weckte sie.
Im ersten Akt werden diese inneren Situationen, die unausgesprochen
und doch voll bedrückender Gegenwart sind, vom Dichter mit feinen indirekten
Mitteln transparent gemacht. And in einer Szene beginnt nun die Komödie der
Irrungen des Gefühls, das Masken= und Trugspiel wider Willen, das selbst¬
täuschungsvolle, unbewußte Drehen im Kreis, nicht minder verblendet und ver¬
hext als der Liebesmummenschanz im Athenerwald, nur nicht heiter, nur nicht
ungefährlich. Amadeus, immer im Bann seiner Augenblicks-Phantasien uno
Vorstellungen, von widerstreitenden Empfindungen hin und her gezogen, will sich
seine Frau als künstlerische Gefährtin, als Kameradin, als Freundin erhalten.
Sein sprühendes, irrlichterierendes Gehirntemperament, sein ästhetischer Egois¬
mus entzückt sich an dieser Idee, er berauscht sich daran, und von diesem Ein¬
bildungstrank benebelt, merkt er gar nicht, daß Cäcilie mit weiten, starren
Augen und zuckenden Lippen vor ihm sitzt, daß sie so, von sprödem Gefühls¬
stolz stumm gemacht, nicht widerspricht und nur aus tief verborgener Liebe, um
nicht ganz zu verlieren, ihr Ja zu dem Vorschlag sagt.
Sein Selbstbetrug und ihre Gefühlsvergewaltigung sind die Ausgangs¬
punkte für die innere Handlung des Stückes.
Der zweite Akt spielt nach längerem Trennungszwischenraum, er führt
die Menschen unter veränderten seelischen Bedingungen zusammen. Und charak¬
teristisch ist's, wie die Freiheit verschieden auf den Mann und auf die Frau
gewirkt hat.
Bei Amadeus ist jener Philinenrausch verflogen, die Verzauberung ist
aufgehoben, und den Gelösten suchen jetzt wieder Cäcilien-Gedanken heim. Wie
sagt Shakespeares Demetrius im Sommernachtstraum:
Nun zum natürlichen Geschmack genesen,
Begehr' ich, lieb' ich sie, schmacht' ich nach ihr ...
Ein sehr bedeutsames, viel zu wenig beachtetes Motiv spielt hier, daß
nämlich viel mehr Männer, als man glaubt, im letzten Grunde monogamisch
veranlagt sind.
So „klipp und klar“ und direkt wird das hier selbstverständlich nicht ge¬
sagt, vielmehr wird indirekt an Einzelzügen gezeigt, wie sich in Amadeus, dem
innerlich jetzt Freien und neu Empfänglichen, alle Gefühlskristallisationen um die
Vorstellungen Cäciliens bilden. Fruchtbare Faktoren sind dabei die Trennung,
die illusionierende Ferne, die Berichte von den Triumphen, die Cäcilie auf ihrem
Gastspiel feiert, nicht zuletzt die uneingestandene Eifersucht auf alles, was sie er¬
leben könnte, und besonders auf jenen jungen Fürsten Siegismund, dessen Hul¬
digung Cäcilie schon früher aus einer gewissen Reaktion gegen Philine duldete.
Dies konventionelle Motiv der stimulierenden Eifersucht scheint mir von
Schnitzler bewußt so konventionell gewählt. Es liegt hierin eine Schicksals¬