II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 323

20. Zuischensniel
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weihevollen Miene gegen
falle Keckheiten zu Hause, darf nicht vorlaut sein und
sitzt im Fauteuil, wie im Vorzimmer des Königs,
innerlich ausgebügelt, mit frischem Hemd und ge¬ 13
putzten Stiefeln angetan und hat zu wart u bis des
Königs Worte in uns nachklingen, uns aufrühren
und bereichern. Trotz dieser respektvollen Bere tschaft
und dem Willen, ein gutes, aufnahmssähiges In¬*
strument zu sein, wird man diesmal vergeblich ge¬
wartet haben. Langeweile, maßlose Langeweile
empfand man diese drei langen Akte hindurch und
ging dann nach Hause, so klug als wie zuvor.
Ein kleiner Novellenstoff, aus dem sich allenfalls
eine traurig=komische Betrachtung drehen ließe. Mann
und Frau werden einander sexuell langweilig, sind
aber sonst durch x andere Fäden aneinander ge¬
bunden und versuchen es mit Ausschaltung dieses
einen Fadens weiter zu leben, Freunde, Kameraden
zu bleiben. Zuerst gehts. Der Gatte springt plötzlich
wieder wie ein junges Füllen, kann seine Freiheit
auskosten, ohne von Gewissensbissen geplagt zu sein,
die Frau zieht in die Ferne. Als sie wiederkommt,
erfrischt von der Freiheit, erhitzt von verlangenden
Blicken der Andern, da spinnt sich der eine zerrissene
Faden wieder an, die Freundschaft, Kameradschaft
zerstiebt in alle Wolken, der Gatte sieht wieder das
Weib und fliegt in ihre Arme. Aber jetzt will sie
nicht. Cäcilie wird plötzlich auf sich selbst eifersüchtig,
das Ich der Erinnerung eisersüchtig auf die neue,
erfrischte Cäcilie und die Wiedergefundenen scheiden
von Neuem.
Nicht, daß der Punkt, um den sich die Affaire
dreht uninteressant wäre. In diesen drei Akten
werden zwei sehr intime Themen angetippt: Erstens
einmal die Frage der Diskretion in der Ehe, zweitens
das Thema von der Dauerhaftigkeit der Liebe. Nur
ein flüchtiger Blick genügt, um erkennen zu lassen,
wie wenig zart diese zwei zartfühlenden Menschen in
ihrer Offenheit gegeneinander sind, wie brutal eigent¬
lich das Nichts Verschweigen im Ehebund sich aus¬
nimmt. Das zweite Thema, das mit dem ersten eng
verknüpft ist, das Ja=Verschweigen als Voraussetzung
hat. ist die Frage: Wie es möglich wäre, zwischen
Mann und Frau das verlöschende Feuer stets wieder
auflackern zu lassen? Schnitzler gibt die unbewußt Ant¬
wort: Verwandle Dich, habe Talent genug, von Zeit
zu Zeit dich neu zu häuten. Es ist das schöne
Rezept, das auch sonst dem Menschen darüber hin¬
weghilft, sich selbst auf die Dauer nicht langweilig
und widerwärtig zu werden. Aber bei Schnitzler
kommt man leider nicht dazu, an diesen zwei inte¬
ressanten Fragen Interesse zu bekommen. Von allen
unangenehmen Dingen des Stückes abgesehen, von
der unwahren, dozierenden, ewig analysierenden
Redeweise dieser Menschen, von den abgeschmackten
Aufdringlichkeiten dieses Literaten, von der komödi¬
antenhaften Art, wie hier die Musik malträtiert wird
— von dem allen abgesehen, wird man nicht einen
Moment gefangen genommen, weil die zwei Menschen
trotz alles Dozierens, an dem, was wir gerade wissen
möchten, immerfort vorbeitappen. In das Grau
ihres spezielln Falles kommt nicht ein Lichtstrahl,
der uns ein Stückchen blauen Himmels zeigen würde.
Die ganze Affäre gibt uns den Rohstoff zu einem
Thesenstück, aber ohne die These. So bleibt schlie߬
lich nur ein Schlafzimmerkonflikt eines an sich höchst
unbedeutenden Ehepaares übrig.
Vielleicht hat die Darstellung dieses Manco des
Schnitzlerschen Stückes etwas deutlicher gemacht. In
gewisser Hinsicht auch ein Verdienst. Dieses Zwischen¬
spiel wäre vielleicht halbwegs interessant, wenn es
von interessanten Menschen gespielt würde. Amadeus
(Herr Steil) vielleicht, so er die Kunst besäße, die
Nuancen des Dialogs, die vielen zarten Linien lebendig
zu machen. Von Cäcilie (Frau Buska) freilich
müßte man noch mehr verlangen. Es ist doch
hier schließlich ein Proplem der Liebe auf dem Tapet;
der normalen, Liebe. Interesse also ausgeschlossen.
Sehr nett war Hr. Lengbach als junger Aristokrat.
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