II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 327

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20. Zwischenspiel
achtung und Menschenkenntnis. #
Kainz im „Zwischenspiel.“ (Samstag
im Neuen deutschen Theater.) Die Affaire Ama¬
deus=Cäcilie bekommt ein ganz anderes Gesicht, wenn
Ar
Kainz mittut. Es jist, wie wenn über eine verreg¬
Op
nete, monoton graue Landschaft plötzlich die Sonne
pu
aufgeht, Hintergründe enthüllt, fesselnde Details be¬
Ex
leuchtet. Man sieht nun ganz deutlich, was man
ger
das erste Mal fühlte: Der Fall ist nur interessant,
Her
als Lebensepisode eines interessanten Menschen. Es
na
ist sonst sicher nicht passend zu sagen: Was wäre
bur
dieser Dichter ohne diesen oder jenen Mimen; es
son
kann nichts in den Knochen sein, was nicht im
Her
Blute ist. Aber hier muß man wirklich sagen: Was
für
ist dieses Zwischenspiel ohne Kainz! Nur er vermag
mit
herauszuheben, was zwischen den Zeilen liegt, nur
gr
er, mit seiner Sprachtechnik allen diesen Nüanzen ge¬
zent
recht zu werden, die an der Grenze von Sprache
nay
und Musik liegen. Der Beifall war kolossal. Herr
Frau
Lengbach als Fürst Lohsenstein wurde auch
füllt
diesmal vom Hause bei offener Szene gerufen.
Kainz als Oswald. (Sonntag im Neuen

Telephon 12801.
65
„UDSEAVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-York. Paris, Rom.
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Ausschnitt ausp
rager Tagblatt
vom: 10 72. 1905
2— Kainz hat gestern sein Gastspiel mit seiner
neuesten Rolle eröffnet. Der Klang seines Namens
hatte das Haus ebenso gefüllt, wie es der Klang seiner
0
9.
Stimme tat, dieser eigentümlich stählerne Klang, der
das Publikum aufhorchen macht unter tiefstem Schwei= 8
5.
gen. Daß Kainz den Kapellmeister Adams in Schnitz¬
8
lers „Zwischenspiel“ mit vollendeter Natürlichkeit spielt,
ist selbstverständlich; man merkt bei ihm nicht, daß er
8
spielt und merkt keine Grenzen zwischen seiner eigenen
und der dargestellten Persönlichkeit. Drei Momente
8
möchten wir als Höhepunkte der gestrigen Leistung
herausheben. Im ersten Akt die Befreiung, die er###
fühlt, nachdem es ihm durch die Sophistik seiner Em¬
pfindungen gelungen ist, über seine beabsichtigte Treu¬
losigkeit hinwegzukommen; im zweiten Akt die Ueber¬
redung Cäciliens, die er nicht im leidenschaftlichen An¬
sturm, sondern mit einer schmeichlerischen Gehaltenheit
durchführt und im dritten Akt der Augenblick, da er
erfährt, daß Cäcilie ihm nicht untreu war. Diese Glück¬
seligkeit in dem Ausruf „Cäcilie! Cäcilie.“ Das Publi¬
kum war enthusiasmiert; das Stück wirkte stärker als
bei der Premiere, indem noch zahlreiche unentdeckte
Pointen zur Wirkung kamen. Auch die anderen Dar¬
steller, Frau Buska, Frl. Wulf, Frl. Niedt, Herr
Faber und Herr Lengbach nahmen an dem Bei¬
ht.
fall teil.
„ODSEMVEN
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quallenangabe ehne Gewähr.)
Aussehnitt auszer Humorist, Wien
vom:

Prager Theaterbrief.
(Nachdruck verboten.)
„Zwischenspiel“. Ein neuer Schnitzler! Also Grund genug,
Vibration geraten und daß sich der literarische Gourmand im süßen¬
Vorgefühl der zu erwartenden Delikatessen die Lippen leckt.
Schnitzlers Premierenabende bedeuten für Prag die Konzentration
der sogenannten besten Gesellschaft. Der Zuschauerraum bietet ein
distinguiertes Bild. In den Logen: dem Staate dienende Männer in
den ersten Rangsklassen, Rechtsanwälte, die durch das Verlieren
großer Prozesse berühmt geworden sind, Aerzte, denen das Himmel¬
reich zahllose Engel, die Hölle aber weit mehr Teufel verdankt
Universitätsprofessoren mit und ohne Hörer 2c. Im Parkett: Offiziere,
die Presse, vertreten durch eine Anzahl würdiger Buska=Verehrer
und die prager Jeunesse dorée, die sonst bei Nelly oder im
Gemisengäßchen ihre Abende zu verbringen pflegt. Ueberall aber
Frauen, herrliche, wundersam entzückende Frauen, für die Schnitzler
Leib= und Magendichter ist. „Denn er hat so etwas Französisches
an sich“ meinte einmal die reiselustige Frau eines Assekuranz¬
direktors, „so was Französisches und wenn ich auch in Leitomischl
geboren bin ... Ach!“ Der Assekuranzdirektor sah bleich aus und
nickte. Die reizende, bewegliche Frau ließ ihre + 40 gradigen Blicke durch
ddas Parkett schweifen, um sie auf einigen Leutnants ruhen zu lassen,
Der
Hie auch bleich waren. „Ach, ich liebe Schnitzler!“
Vorhang rauschte empor: „Zwischenspiele“. Je nun, der glitzernde
Heist eines faszinierend fein geschliffenen Dialoges ist Schnitzler
moch niemals untreu geworden. Wiederum berauschen diese melodisch
eineinander gefügten Worte, die vornehme Nonchalance in der
Sprache, die Virtuosität in der Abwicklung von Rede und Gegen¬
rede. Und die Grazie, die Subtilität des Dialogs bildet gleichsam
eine bestrickend leuchtende Umhüllung für den dürftigen und schon
oft behauenen Stamm der Handlung. Zwei Eheleute von „ver¬
feinertem“, raffiniert=modernem Liebesempfinden. Sie betrügen ein¬
ander im gegenseitigen Einverständnis; das ist die höchste Moral
unseres neuen Gesellschaftskoder: Treuebewahrung bis zum Einander¬
überdrüssig=sein, hierauf Trennung der Herzen und Betten, ohne
vermögensrechtliche Nachteile. Darob maßloses Entzücken bei den
prager Damen der Gesellschaft. Endlich eine dichterische Sanktion
lange und tätigst betriebener Propaganda. Herr Schnitzler braucht
sich nicht erst um das Patronat über unsere heimischen Mitgiftkolosse
zu beweeben. Die Darstellung, die „Zwischenspiele“ seitens des über¬
bürdeten, unter der Last zahlloser neuer Rollen ächzenden Ensembles,
war gut zu heißen. Hätte nur nicht Frau Buska ein Hauptrolle
agiert! Sie gab eine jung sein sollende Frau, die es meisterlich
versteht, ihren Gatten über den Löffel zu balbieren. Gibt es solch¬
seinen Gatten? Vielleicht. Wahrscheinlich. Ganz gewiß! Frl. Wulf
und die Herren Lengbach, Faber und Steil taten, was
ihres Amtes war: sie hatten ihre Rollen auswendig gelernt und
spielten sie.
Der verbrauchte Trick, „Die Fledermaus“ in „Opernbesetzung“.
zu geben, verhalf Angelo Neumann in der vorigen Woche abermals
zu einer gut gefüllten Kasse. Daß es noch immer soviel Dumme
gibt, die auf einen solchen Schwindel hineinfallen! Wer wollte wohl
die Behauptung aufstellen, daß die Besetzung der einzelnen Partien
in der „Fledermaus“ mit Leuten, die sonst in Wagner=Opern be¬
schäftigt sind, dem heiteren Werke zum Vorteil gereichte? Erhebt
sich auch die Musik der „Fledermaus“ gewaltig über das Niveau
der landesüblichen Operette, so trägt sie dennoch in bezug auf
Faktur und Charakter das unwiderlegliche Zeichen graziler Leicht¬
fertigkeit und leichtbeweglicher Tanzrhythmen. Zur Bewältigung
dieser Elan und sprudelnde Lebendigkeit heischenden Partien schwer¬
blütige Opernkräfte heranzuziehen, erweist sich als Nonsens, als
Humbug, wie er nur im Gehirn eines sensationslüsternen Theater¬
direktors entstehen kann. Wie konnten z. B. die Damen Schubert
und Siems als Rosalinde und Adele bei einem echten Strauß=Kenner
reuissieren? Und daß Leo Blech die Tempi in nie gehörter Weise
verschleppte, wem konnte das gefallen? Man lasse die „Fledermaus“
ruhig in ihrer alten Besetzung. Womit ich jedoch nicht gesagt haben