II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 328

20. Zwischenspiel
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(Nachdruck verbosen.)
„Zwischenspiel“ Ein neuer Schnitzler! Also Grund genug,
daß die holden Nasenflügel schöner Frauen im vorhinein in leise
Vibration geraten und daß sich der literarische Gourmand im süßen
Vorgefühl der zu erwartenden Delikatessen die Lippen leckt.
Schnitzlers Premierenabende bedeuten für Prag die Konzentration
der sogenannten besten Gesellschaft. Der Zuschauerraum bietet ein
distinguiertes Bild. In den Logen: dem Staate dienende Männer in
den ersten Rangsklassen, Rechtsanwälte, die durch das Verlieren
großer Prozesse berühmt geworden sind, Aerzte, denen das Himmel¬
reich zahllose Engel, die Hölle aber weit mehr Teufel verdankt,
Universitätsprofessoren mit und ohne Hörer 2c. Im Parkett: Offiziere,
die Presse, vertreten durch eine Anzahl würdiger Buska=Verehrer
und die prager Jennesse dorée, die sonst bei Nelly oder im
Gemsengäßchen ihre Abende zu verbringen pflegt. Ueberall aber
Frauen, herrliche, wundersam entzückende Frauen, für die Schnitzler
Leib= und Magendichter ist. „Denn er hat so etwas Französisches
an sich“ meinte einmal die reiselustige Frau eines Assekuranz¬
direktors, „so was Französisches und wenn ich auch in Leitomischl
geboren bin ... Ach!“ Der Assekuranzdirektor sah bleich aus und
nickte. Die reizende, bewegliche Frau ließ ihre + 40 gradigen Blicke durch
ipas Parkett schweifen, um sie auf einigen Leutnants ruhen zu lassen,
Der
ddie auch bleich waren. „Ach, ich liebe Schnitzler!“
Vorhang rauschte empor: „Zwischenspiele“. Je nun, der glitzernde
(Heist eines faszinierend fein geschliffenen Dialoges ist Schnitzler
moch niemals untren geworden. Wiederum berauschen diese melodisch
qneinander gefügten Worte, die vornehme Nonchalance in der
Sprache, die Virtuosität in der Abwicklung von Rede und Gegen¬
rede. Und die Grazie, die Subtilität des Dialogs bildet gleichsam
eine bestrickend leuchtende Umhüllung für den dürftigen und schon
oft behauenen Stamm der Handlung. Zwei Eheleute von „ver¬
feinertem“ raffiniert=modernem Liebesempfinden. Sie betrügen ein¬
ander im gegenseitigen Einverständnis; das ist die höchste Moral
unseres neuen Gesellschaftskoder: Treuebewahrung bis zum Einander¬
überdrüssig=sein, hierauf Trennung der Herzen und Betten, ohne
vermögensrechtliche Nachteile. Darob maßloses Entzücken bei den
prager Damen der Gesellschaft. Endlich eine dichterische Sanktion
lange und tätigst betriebener Propaganda. Herr Schnitzler braucht
sich nicht erst um das Patronat über unsere heimischen Mitgiftkolosse
zu beweeben. Die Darstellung, die „Zwischenspiele“ seitens des über¬
bürdeten, unter der Last zahlloser neuer Rollen ächzenden Ensembles,
war gut zu heißen. Hätte nur nicht Frau Buska ein Hauptrolle
agiert! Sie gab eine jung sein sollende Frau, die es meisterlich
versteht, ihren Gatten über den Löffel zu balbieren. Gibt es solch
seinen Gatten? Vielleicht. Wahrscheinlich. Ganz gewiß! Frl. Wulf
und die Herren Lengbach, Faber und Steil taten, was
ihres Amtes war: sie hatten ihre Rollen auswendig gelernt und
spielten sie.
Der verbrauchte Trick, „Die Fledermaus“ in „Opernbesetzung“.
zu geben, verhalf Angelo Neumann in der vorigen Woche abermals
zu einer gut gefüllten Kasse. Daß es noch immer soviel Dumme
gibt, die auf einen solchen Schwindel hineinfallen! Wer wollte wohl
die Behauptung aufstellen, daß die Besetzung der einzelnen Partien
in der „Fledermaus“ mit Leuten, die sonst in Wagner=Opern be¬
schäftigt sind, dem heiteren Werke zum Vorteil gereichte? Erhebt
sich auch die Musik der „Fledermaus“ gewaltig über das Niveau
der landesüblichen Operette, so trägt sie dennoch in bezug auf
Faktur und Charakter das unwiderlegliche Zeichen graziler Leicht¬
fertigkeit und leichtbeweglicher Tanzrhythmen. Zur Bewältigung
dieser Elan und sprudelnde Lebendigkeit heischenden Partien schwer¬
blütige Opernkräfte heranzuziehen, erweist sich als Nonsens, als
Humbug, wie er nur im Gehirn eines sensationslüsternen Theater¬
direktors entstehen kann. Wie konnten z. B. die Damen Schubert
und Siems als Rosalinde und Adele bei einem echten Strauß=Kenner
reuissieren? Und daß Leo Blech die Tempi in nie gehörter Weise
verschleppte, wem konnte das gefallen? Man lasse die „Fledermaus“.
ruhig in ihrer alten Besetzung. Womit ich jedoch nicht gesagt haben
will, daß ich die Herren Beer, Pauli und Taussig noch ein¬
mal hören möchte. Als Mann von Vielseitigkeit präsentierte sich
Herr Leonhardt als Falke, Frau Fischer=Frey war ein
schmucker Orlofsky und Willi Thaller, den man sich ad hoc
aus Berlin erschrieben hatte, ein prächtiger Frank.
Anläßlich des II. Philharmonischen Konzertes, dessen Pro¬
gramm u. a. die zweite Symphonie in C von Schumann und
mehrere Opera von Pfitzner enthielt, sang Frl. Irene Abendroth
aus Dresden einige Arien. Die Künstlerin, die heute allerdings
nicht mehr auf der Höhe ihrer einstigen Leistungen steht, fand leb¬
Haimon.
hafte Zustimmung.