II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 333

box 25/3
20. Zuischensniel
282
In einem horizontal befestigten Glasröhrchen befindet
sich ein Pulver, bestehend aus einem Radiumpräparat
und pulverisierter Zinkblende, die durch die Radium¬
strahlen ein dauerndes, verhältnismäßig kräftiges Phos¬
phoreszenzlicht erhält. Wir haben also hier ein indirektes
Radiumlicht. Schon nach 24 Stunden zeigten die vor
dem Röhrchen stehenden, ursprünglich vertikalen Stengel
der Wickenkeimlinge eine deutliche Krümmung, die nach
3 Tagen so stark wurde, daß die früher vertikale Wachs¬
tumsrichtung in eine horizontale umgewandelt wurde.
Überzieht man das Glasröhrchen mit einer dreifachen
Lage schwarzen Papiers, so unterbleibt die Krümmung
vollständig.
Molisch vermutete mit Recht, daß ein stärker wirk¬
sames Radiumpräparat, als es ihm zur Verfügung stand,
höchst wahrscheinlich direkt, also ohne Vermischung mit
gepulverter Zinkblende, jene Krümmungen junger Pflanzen¬
stengel hervorrufen könne, was auch bald darauf durch
Koernicke bestätigt wurde. Dieser benützte für seine
heliotropischen Versuche ein Radiumpräparat, dessen mattes
Licht schon kurze Zeit nach dem Eintreten in die Dunkel¬
kammer wahrgenommen werden konnte. Im Dunkeln
gezogene Wickenkeimlinge zeigen, diesen Lichtstrahlen aus¬
gesetzt, schon nach kurzer Zeit deutliche Krümmungen.
Ein junger Sproß jedoch, der aus einem mit Radium¬
strahlen behandelten Samen hervorgegangen ist und
später, wie wir bereits kennen gelernt haben, sein Wachs¬
tum eingestellt hak, kann weder durch das Tageslicht
noch durch das Licht eines Radiumpräparates zu einer
Krümmung veranlaßt werden; er befindet sich in einem
Prager Schauspiel.
Zwischenipiel, Klein Doritt, Stein unter Steinen.
Gebt dem Dichter, was des Dichters ist!
Einstmals galt es für ausgemacht, daß jedes Künstler¬
drama drei Klippen zu umschiffen hätte:
Fürs erste ist es schwer, die überragende Künstler¬
schaft des Helden glaubhaft zu machen, besonders wenn
er Maler oder Bildhauer ist. Schon leichter führt
man den Dichter ein. Am günstigsten aber präsentiert
sich der Musiker, dessen Schöpfung unmittelbar ans Herz
greift, ohne Umweg durch den Verstand, ohne notwen¬
dige ästhetische Kenntnisse oder Schulung des Betrach¬
teus, voraussetzungslos.
Fürs zweite ist das mimosenhafte Seelenleben künst¬
lerischer Naturen, die Reizbarkeit, das sofortige Rea¬
gieren auch auf den geringsten Anstoß, von außen oder
innen vielen unverständlich. Das geht weit. So
weit, daß Konflikte auftauchen und ausgetragen werden,
die für den Großteil der Zuschauer keine Konflikte sind.
Folgt drittens, daß das Mitleiden oder sagen wir
das Einfühlen, sich nicht oder in schiefer Bahn ein¬
stellt. Wie steht es heute damit?
Rundschau.
Zustande, der sehr gut als Radiumstarre bezeichnet
werden kann.
Dieser Starrezustand zeigt sich auch sehr schön in
folgender Weise:
Wenn man ein normales Keimpflänzchen so legt, daß
Wurzel und Stengel horizontal sich befinden, so krümmt
sich bekanntlich nach kurzer Zeit durch den Einfluß der
Schwerkraft der Stengel nach aufwärts, die Wurzel
dagegen der Erde zu. Solche Krümmungen bezeichnen
wir als „Geotropismus“ Waren jedoch Stengel und
Wurzel jenes Pflänzchens aus einem vorher mit Radium¬
strahlen behandelten Samen, z. B. einer Saubohne,
hervorgegangen und hatten nach einer gewissen Zeit in¬
folge dieser Bestrahlung ihr Wachstum eingestellt, dann
kann auch die Schwerkraft keinen Reiz auf sie ausüben,
daher jede Krümmung unterbleibt.
Wir stehen hier am Anfange von Versuchen, welche
wegen der großen Schwierigkeit der Gewinnung von
kräftigen Radiumpräparaten bisher nur vereinzelt an¬
gestellt werden konnten. Sollte es jedoch gelingen, größere
Mengen von reinen, radioaktiven Substanzen auf billige
Weise herzustellen, dann dürften möglicherweise Erfolge
erzielt werden, von denen wir uns heute noch nichts
träumen lassen. Wenn wir bedenken, von welch kleinen
Anfängen seinerzeit die Elektrizität, die heute die Welt
beherrscht, ihren Ausgangspunkt nahm, dann können wir
(nach dem, was wir bereits heute wissen, auch den ge¬
heimnisvollen Radiumstrahlen eine große Zukunft vor¬
hersagen.
Es sind in unseren Tagen allerorts die Herzen vieler
voll der Sehnsucht „das Leben mit Kunst zu durch¬
dringen“ und in dieser Zeit der Reizsamkeit treten auch
bei gewöhnlichen Sterblichen Empfindungen und Vor¬
stellungen über die Schwelle des Bewußtseins, von
denen bislang nur die fein organisierten Künstlerseelen
heimgesucht wurden.
So konnte es kommen, daß man sagte: das Thema
des Zwischenspiels ist die Ehe. Nicht ganz. Jene
neuen ästhetischen Menschen möchte ich vergleichen den
Bürgern mit bloß aktivem Wahlrecht, während die
wahrhaften Künstler auch das passive Wahlrecht hätten.
Und so ist das Thema nicht die Ehe schlechthin, sondern
die Künstlerehe und die Künstlerliebe.
Das Künstlerdrama überhaupt, stieg es aus der No¬
velle empor? kehrt es zur Novelle zurück?
Zu Zeiten, wo das Ich der meistgeglaubte Gott ist,
hebt sich jedesmal der Heroenkult; in der Renaissance,
im Sturm und Drang, in der Romantik und jetzt, wo