20. Zuischensniel
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Schönheit seines Weibes ist Amadeus gegen
deren Reize immer mehr abgestumpft und wurde
zum Platoniker, zum Freund. Cäcilie folgt ihm
scheinbar willig auf das Glatteis der sinnlichen
Entsagung und so einigen sich schließlich die
Gatten, daß jedem bei ungestörter Fortdauer
ihrer Freundschaft die vollste Willensfreiheit ge¬
wahrt bleiben soll. Hauptbedingung: Unbe¬
dingte gegenseitige Wahrhaftigkeit. Wie man
sieht, ein idealer Zustand dessen, was man etwa
freie Liebe nennen könnte. In Amadeus ist der
Mann aber nicht erstorben. Er geht der koketten
Gräfin Friederike in die Netze, wird darin ver¬
Pilsner Tagolant Nr. 516.
strickt und fällt. Cäcilie wieder hat an dem
Fürsten Sigismund so etwas von einem un¬
möglich adeligen Sproß, Gefallen gefunden und
kompromittiert sich mit ihm. So weit wäre
Alles in schönster Ordnung: Die Gatten stehen —
gleich zu gleich. Eine längere Entfernung stört
diese bei den Haaren herbeigezogene Harmonie.
Amadeus sieht wieder sein Weib und wird sich
plötzlich ihrer Schönheit und Begehrlichkeit be¬
wußt. Und nun begeht er, wie alle Verliebte,
eine Dummheil um die andere. Er gesteht ihr
seine Liebe, wird aber zurückgewiesen; er will
den Fürsten sogar fordern, denselben Fürsten,
dem er Cäcilie förmlich an den Hals geworfen:
schließlich packt er nach einer großen Zwiesprach
die Koffer und geht. Cäcilie bricht geknickt zu¬
sammen. Sie hat im Innersten den Gatten im¬
mer geliebt. hat dem Fürsten nichts gewährt,
ist aber in ihrer Frauenwürde oder welches Ge¬
fühl da entscheidet, zu tief verletzt, um dem sinn¬
lich erwachten Mann wieder hingebend sein zu
können. Sie sagt es selbst. Wer bürgte ihr da¬
für daß die Freundschaftskomödie, Ehebruch 2c.
nicht nach kurzem wieder anfangen könnten?
Also Schluß! Und Gottlob auch Schluß des
Stückes, das auf dem Trugschluß aufgebaut ist,
daß bei Charakteren vom Schlage des Amadeus
und Cäcilie ein Zustand, wie der angenommene,
möglich ist. Das sieht ja beinahe gegenseitiger
Verkuppelung mit dem Preise der eigenen Frei¬
heit ähnlich. Natürlich ist der ganze Aufbau
auch trügerisch, durchsetzt von Unmöglichkeiten.
Die Komödie ist eigentlich ein dreiaktiger Dia¬
log, dessen Länge, trotz Schnitzlerschen Geistes,
ermüdet. Und der Name? Amadeus fällt für
sein eben komponiertes Zwischenspiel
keine Benennung ein. Cäcilie schlägt capriccio
vor, er ergänzt mit doloroso. Ja doloroso, das
ist wohl auch die Signatur für das Stück und
die Zuhörer. An der Wiener Burg wird es
durch die glänzende Kunst des Kainz und der
Witt genießbar. Leider hatten wir nur die
Witt. Wir wollen aber auch dafür der Direk¬
tion dankbar sein, denn kaum ein zweiter Gast
hat sich alle Zuneigung und Bewunderung un¬
seres Publikums in so raschem und siegreichen¬
Fluge erobert, wie Frl. Witt, über die sich nach
sdem letzten Fallen des Vorhanges, als sie immer
wieder hervorgejubelt wurde, ein artiger Blu¬
menregen ergoß. Frl. Witt, eine junonische Er¬
scheinung, ist im Kunstdetail Virtuosin. Ihr
svorzügliches Spiel, der warme Ton, das graziös
Schmiegsame der Bewegungen und das spru¬
ldelnde Quellen des weise gezügelten Tempera¬
imentes entzücken und reißen den Zuhörer hin.
Des Beifalls gab es für den Gast kein Ende.
Dem Amadeus des Herrn Weyrich muß bei
der Schwierigkeit der Rolle, die im umgekehrten
Verhältnis zur Probenzahl und Studiumdauer
stand, alle Achtung gezollt werden. Die Partie
ist ausschließlich eine Sprechrolle, also doppelt
schwer und anspruchsvoll. In Episodenrollen
waren Frl. Fink als Gräfin und Herr Helm¬
als Albertus sehr gut, Herr Schatz als Fürst in
der Maske zu schreiend, im Spiel zu wenig fen¬
dal, im ganzen unmöglich. Das Theater war¬
dicht besetzt, für Schnitzler kühl bis ans Herzi
hinan, aber für Frl. Witt voll aufrichtiger Bes
wunderung. Sehr lobend sprach sich der Gast
siber unser Ensemble aus, zu dessen tadelloseme
Zusammenspiel Frl. Witt Herrn Direktor Ga¬
lotzy beglückwünschte.
im.
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Schönheit seines Weibes ist Amadeus gegen
deren Reize immer mehr abgestumpft und wurde
zum Platoniker, zum Freund. Cäcilie folgt ihm
scheinbar willig auf das Glatteis der sinnlichen
Entsagung und so einigen sich schließlich die
Gatten, daß jedem bei ungestörter Fortdauer
ihrer Freundschaft die vollste Willensfreiheit ge¬
wahrt bleiben soll. Hauptbedingung: Unbe¬
dingte gegenseitige Wahrhaftigkeit. Wie man
sieht, ein idealer Zustand dessen, was man etwa
freie Liebe nennen könnte. In Amadeus ist der
Mann aber nicht erstorben. Er geht der koketten
Gräfin Friederike in die Netze, wird darin ver¬
Pilsner Tagolant Nr. 516.
strickt und fällt. Cäcilie wieder hat an dem
Fürsten Sigismund so etwas von einem un¬
möglich adeligen Sproß, Gefallen gefunden und
kompromittiert sich mit ihm. So weit wäre
Alles in schönster Ordnung: Die Gatten stehen —
gleich zu gleich. Eine längere Entfernung stört
diese bei den Haaren herbeigezogene Harmonie.
Amadeus sieht wieder sein Weib und wird sich
plötzlich ihrer Schönheit und Begehrlichkeit be¬
wußt. Und nun begeht er, wie alle Verliebte,
eine Dummheil um die andere. Er gesteht ihr
seine Liebe, wird aber zurückgewiesen; er will
den Fürsten sogar fordern, denselben Fürsten,
dem er Cäcilie förmlich an den Hals geworfen:
schließlich packt er nach einer großen Zwiesprach
die Koffer und geht. Cäcilie bricht geknickt zu¬
sammen. Sie hat im Innersten den Gatten im¬
mer geliebt. hat dem Fürsten nichts gewährt,
ist aber in ihrer Frauenwürde oder welches Ge¬
fühl da entscheidet, zu tief verletzt, um dem sinn¬
lich erwachten Mann wieder hingebend sein zu
können. Sie sagt es selbst. Wer bürgte ihr da¬
für daß die Freundschaftskomödie, Ehebruch 2c.
nicht nach kurzem wieder anfangen könnten?
Also Schluß! Und Gottlob auch Schluß des
Stückes, das auf dem Trugschluß aufgebaut ist,
daß bei Charakteren vom Schlage des Amadeus
und Cäcilie ein Zustand, wie der angenommene,
möglich ist. Das sieht ja beinahe gegenseitiger
Verkuppelung mit dem Preise der eigenen Frei¬
heit ähnlich. Natürlich ist der ganze Aufbau
auch trügerisch, durchsetzt von Unmöglichkeiten.
Die Komödie ist eigentlich ein dreiaktiger Dia¬
log, dessen Länge, trotz Schnitzlerschen Geistes,
ermüdet. Und der Name? Amadeus fällt für
sein eben komponiertes Zwischenspiel
keine Benennung ein. Cäcilie schlägt capriccio
vor, er ergänzt mit doloroso. Ja doloroso, das
ist wohl auch die Signatur für das Stück und
die Zuhörer. An der Wiener Burg wird es
durch die glänzende Kunst des Kainz und der
Witt genießbar. Leider hatten wir nur die
Witt. Wir wollen aber auch dafür der Direk¬
tion dankbar sein, denn kaum ein zweiter Gast
hat sich alle Zuneigung und Bewunderung un¬
seres Publikums in so raschem und siegreichen¬
Fluge erobert, wie Frl. Witt, über die sich nach
sdem letzten Fallen des Vorhanges, als sie immer
wieder hervorgejubelt wurde, ein artiger Blu¬
menregen ergoß. Frl. Witt, eine junonische Er¬
scheinung, ist im Kunstdetail Virtuosin. Ihr
svorzügliches Spiel, der warme Ton, das graziös
Schmiegsame der Bewegungen und das spru¬
ldelnde Quellen des weise gezügelten Tempera¬
imentes entzücken und reißen den Zuhörer hin.
Des Beifalls gab es für den Gast kein Ende.
Dem Amadeus des Herrn Weyrich muß bei
der Schwierigkeit der Rolle, die im umgekehrten
Verhältnis zur Probenzahl und Studiumdauer
stand, alle Achtung gezollt werden. Die Partie
ist ausschließlich eine Sprechrolle, also doppelt
schwer und anspruchsvoll. In Episodenrollen
waren Frl. Fink als Gräfin und Herr Helm¬
als Albertus sehr gut, Herr Schatz als Fürst in
der Maske zu schreiend, im Spiel zu wenig fen¬
dal, im ganzen unmöglich. Das Theater war¬
dicht besetzt, für Schnitzler kühl bis ans Herzi
hinan, aber für Frl. Witt voll aufrichtiger Bes
wunderung. Sehr lobend sprach sich der Gast
siber unser Ensemble aus, zu dessen tadelloseme
Zusammenspiel Frl. Witt Herrn Direktor Ga¬
lotzy beglückwünschte.
im.
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