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nehmen: „Die Aufführung ist großartig, das Stück
aber miserabel.“ Das Publikum gibt mit diesem
harten Worte seinem Unmute über die Schwerver¬
ständlichkeit intimer Seelenvorgänge, den Mangel
an dramatisch bewegter Handlung und die gegen
alles Herkommen disharmonische Lösung des Kon¬
fliktes aufrichtigen, wenn auch derben Ausdruck.
Schnitzler stellt farblose Charaktere auf die Bühne,
Menschen, die nicht Fisch, nicht Fleisch sind; er prä¬
pariert mit dem. Seziermesser des gewandten See¬
lenforschers alle Stimmungen, Regungen und Ge¬
heimnisse der Psyche, legt sie säuberlich geordnet
vor uns hin, gleich feinen, ausgeschälten Nerven¬
fasern — und vergißt, daß sie eben wegen dieser
Feinheit und Dünnheit uns nicht sichtbar werden,
nicht greifbar sind. Zwischen Bühne und Zuschauer¬
raum ist ein großer Abstand mit dem der Drama¬
tiker rechnen muß. Der erzählende Dichter
darf sich solche feine seelische Zergliederungen ge¬
statten; diese bilden sogar einen der vornehmsten
Reize der psychologischen Novelle. Der Drama¬
tiker aber stelle Leben auf die Bühne, scharf
gezeichnete Gestalten, Menschen mit Leidenschaft
und Willen, und behandle ihren Widerstreit mit
gewaltigen, bewegenden Mächten. Im „Zwischen¬
spiel“ aber wird in langen, unbewegten Dialo¬
gen, welche zumeist von dem an einer krankhaf¬
ten Selbstbeobachtung leidenden Ehegatten Ama¬
deus und Cäcilie Adams geführt werden, über
Liebe und Ehe, deren Ende und Bruch verhandelt.
Daß Liebe im Leben des Mannes bloß eine Episode
ist, im Leben der Frau alles bedeutet, daß eine
vorübergehende Treulosigkeit des Mannes noch
lange kein Ehebruch ist, daß ein normalgeartetes
Weib sich ohne Reue nur dem geliebten Manne
hingeben kann, sind Wahrheiten, die schon oft be¬
wiesen wurden, und zu deren Neugestaltung
Schnitzler wohl am geeignetesten unter den zeit¬
genössischen Dichtern wäre, wenn er hiefür die
rechte Form wählte: die Novelle. — Etwas Frische
auf die Bühne bringen die geistreichen Auslassun¬
gen des Raisonneurs des Stückes, des Dichters
Albertus Rhon, und das Auftreten des sympathi¬
schen Fürsten Sigmund. Die Ehekomödie schließt
mit dem Auseinandergehen der Gatten. Das ist
gut und von zwingender, logischer Folgerichtigkeit.
Für diese Unnachgiebigkeit gegenüber dem spie߬
bürgerlichen Schablonengeschmack verdient Schnitz¬
ler alle Anerkennung.
Die Aufführung war von jener vollendeten
Rundung, die eine Besonderheit des Hofburg¬
theaters bildet. Kainz' Intellekt durchleuchtete
wundersam alle Szenen mit dem ruhigen Lichte
selbstschöpferischer Denkkraft. Die Darstellung des
Kapellmeisters Adams bewies von neuem, wie
entwicklungsfähig und gestaltungsreich seine Kunst
ist.
Ihm stand Frl. Witt mit allem Aufgebote
Therzlicher, bezwingender Wärme zur Seite. Das
Gegenbeispiel zum Künstlerpaare Adams bildete
das Ehepaar Rhon des Herrn Treßler und der
Frau Haeberle, deren fast philiströse Vernünf¬
telei mit glücklich getroffenen Akzenten eines leich¬
ten Humors durchsetzt war. Herr Korff sprach
und bewegte sich in der unnachahmlich=eleganten
Art der Altwiener Aristokratie. Mit feinem Ge¬
fühle weiß er die Figur des Fürsten von Lohen¬
stein aller Lächerlichkeit zu entkleiden. Frl. Kal¬
lina, die verführerische Gräfin Moosheim, und
Klein=Eisner als verständiges Peterl vervoll¬
ständigten den hervorragend künstlerischen Ein¬
druck, den das Brünner Publikum von dem Ge¬
samtgastspiel der Wiener Hofburgschauspieler mit
nach Hause nahm. Wir hoffen, die berühmten
Gäste bald wieder bejubeln zu können. Von der
Begeisterung gab der aufrichtige, nicht enden
wollende Beifall des trotz erhöhter Eintrittspreise
vollbesetzten Hauses beredtes Zenanis
nehmen: „Die Aufführung ist großartig, das Stück
aber miserabel.“ Das Publikum gibt mit diesem
harten Worte seinem Unmute über die Schwerver¬
ständlichkeit intimer Seelenvorgänge, den Mangel
an dramatisch bewegter Handlung und die gegen
alles Herkommen disharmonische Lösung des Kon¬
fliktes aufrichtigen, wenn auch derben Ausdruck.
Schnitzler stellt farblose Charaktere auf die Bühne,
Menschen, die nicht Fisch, nicht Fleisch sind; er prä¬
pariert mit dem. Seziermesser des gewandten See¬
lenforschers alle Stimmungen, Regungen und Ge¬
heimnisse der Psyche, legt sie säuberlich geordnet
vor uns hin, gleich feinen, ausgeschälten Nerven¬
fasern — und vergißt, daß sie eben wegen dieser
Feinheit und Dünnheit uns nicht sichtbar werden,
nicht greifbar sind. Zwischen Bühne und Zuschauer¬
raum ist ein großer Abstand mit dem der Drama¬
tiker rechnen muß. Der erzählende Dichter
darf sich solche feine seelische Zergliederungen ge¬
statten; diese bilden sogar einen der vornehmsten
Reize der psychologischen Novelle. Der Drama¬
tiker aber stelle Leben auf die Bühne, scharf
gezeichnete Gestalten, Menschen mit Leidenschaft
und Willen, und behandle ihren Widerstreit mit
gewaltigen, bewegenden Mächten. Im „Zwischen¬
spiel“ aber wird in langen, unbewegten Dialo¬
gen, welche zumeist von dem an einer krankhaf¬
ten Selbstbeobachtung leidenden Ehegatten Ama¬
deus und Cäcilie Adams geführt werden, über
Liebe und Ehe, deren Ende und Bruch verhandelt.
Daß Liebe im Leben des Mannes bloß eine Episode
ist, im Leben der Frau alles bedeutet, daß eine
vorübergehende Treulosigkeit des Mannes noch
lange kein Ehebruch ist, daß ein normalgeartetes
Weib sich ohne Reue nur dem geliebten Manne
hingeben kann, sind Wahrheiten, die schon oft be¬
wiesen wurden, und zu deren Neugestaltung
Schnitzler wohl am geeignetesten unter den zeit¬
genössischen Dichtern wäre, wenn er hiefür die
rechte Form wählte: die Novelle. — Etwas Frische
auf die Bühne bringen die geistreichen Auslassun¬
gen des Raisonneurs des Stückes, des Dichters
Albertus Rhon, und das Auftreten des sympathi¬
schen Fürsten Sigmund. Die Ehekomödie schließt
mit dem Auseinandergehen der Gatten. Das ist
gut und von zwingender, logischer Folgerichtigkeit.
Für diese Unnachgiebigkeit gegenüber dem spie߬
bürgerlichen Schablonengeschmack verdient Schnitz¬
ler alle Anerkennung.
Die Aufführung war von jener vollendeten
Rundung, die eine Besonderheit des Hofburg¬
theaters bildet. Kainz' Intellekt durchleuchtete
wundersam alle Szenen mit dem ruhigen Lichte
selbstschöpferischer Denkkraft. Die Darstellung des
Kapellmeisters Adams bewies von neuem, wie
entwicklungsfähig und gestaltungsreich seine Kunst
ist.
Ihm stand Frl. Witt mit allem Aufgebote
Therzlicher, bezwingender Wärme zur Seite. Das
Gegenbeispiel zum Künstlerpaare Adams bildete
das Ehepaar Rhon des Herrn Treßler und der
Frau Haeberle, deren fast philiströse Vernünf¬
telei mit glücklich getroffenen Akzenten eines leich¬
ten Humors durchsetzt war. Herr Korff sprach
und bewegte sich in der unnachahmlich=eleganten
Art der Altwiener Aristokratie. Mit feinem Ge¬
fühle weiß er die Figur des Fürsten von Lohen¬
stein aller Lächerlichkeit zu entkleiden. Frl. Kal¬
lina, die verführerische Gräfin Moosheim, und
Klein=Eisner als verständiges Peterl vervoll¬
ständigten den hervorragend künstlerischen Ein¬
druck, den das Brünner Publikum von dem Ge¬
samtgastspiel der Wiener Hofburgschauspieler mit
nach Hause nahm. Wir hoffen, die berühmten
Gäste bald wieder bejubeln zu können. Von der
Begeisterung gab der aufrichtige, nicht enden
wollende Beifall des trotz erhöhter Eintrittspreise
vollbesetzten Hauses beredtes Zenanis