II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 350

20. Zuischensniel
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(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
. 12. 100.5 Der Humerist, Wien
vom:
Brünner Theaterbrief.
7. Dezember 1905.
Sehr geehrter Herr Redakteur!
„Lustspiel“ in drei Akten nennt sich „Sein Alibi“, von Wilhelme
Wolters, das uns am 2. d. M. volle 2½ Stunden langweilte und
uns ein mehrmaliges Gähnen nur schwer unterdrücken ließ. Unsere
Wünsche an die p. t. Herren Lustspieldichter sind seit Jahren bescheidener
geworden. Wir haben das Lachen verlernt, das nur noch die Franzosen
auszulösen imstande sind, und geben uns schon mit einem Lächeln zufrieden.
Nur wird dieses manchmal zum mitleidsvollen Lächeln, so z. B., wenn im
vorliegenden Falle Frau Helene Klaussen von ihrem Gatten den Alibi¬
nachweis verlangt, wo er die Montagsnacht verbrachte, in welcher er sein
gemeinsamen Schlafzimmer
Armband verloren hatte, bis sich dieses im —
der lieben Eheleute findet. Daß Privatgelehrte, wie Dr. Klaussen einer
ist, an Gedächtnisschwäche leiden, bemühen sich die „Fliegenden Blätter“
uns in jeder Nummer vom neuen zu versichern, daß aber auch Damen von
dieser Krankheit befallen werden können, scheint Herrn Wolters neu und
doch ist es ihm, trotz des Aufgebotes aller ihm zur Verfügung stehenden#
Mittel, nicht gelungen, dies auch zu beweisen. Um die dünne Handlung
rankt sich —
nein, schleppt sich humorloses Beiwerk mehrerer ganz neben¬
sächlicher Zwitterhandlungen. Es wird sehr viel geredet, aber es ereignet
sich gar nichts; eine Szene folgt der anderen, ohne sich an diese anzu¬
gliedern, jeder der Mitbeteiligten spielt für sich, nie mit den anderen,
ergötzt sich an der Verlegenheit des Nächsten, weniger der Zuschauer, keiner
weiß, um was es sich eigentlich im Stücke dreht; nur der Zuhörer weiß es,
weil Herr Wolters die Pointe ja gleich im vorhinein verrät. Und das iste
sehr unvorsichtig von ihm, weil das, was er uns am Schlusse von Arm¬
bändern und Chambres separées sagt, gar nicht zu erheitern vermag.
Daß auch Tempo zur Wiedergabe von Lustspielen gehört, erlaube ich mir
nur so nebenbei zu bemerken; das gilt leider für den übrigens fein aus¬
gearbeiteten und korrekten Rechtsanwalt des Herrn Gerhard, der sich in
allzusehr langatmigen Auseinandersetzungen erging, ohne den frisch pul¬
sierenden Lustspielton zu finden. Um die übrigen Rollen mühten sich Herr¬
Recke (Dr. Klaussen), Frl. Isenta (Helene), Frl. Lippert (Elly) mitt
Erfolg. Herr Tiller (Kramer), Frl. Hrubesch (Marie) und Fräuleinz
Haas (Julie) trugen zur Langweile des Publikums ihr Möglichstes bei.
Eine ergötzliche Type war der Droschkenkutscher des Herrn Teller. Wies
man uns mitteilt, be
ich diese „Neuheit“ am Deutschen Volkstheater
in Wien in Vorbereit¬
un hätte daher ruhig abwarten können, bis siel
in Wien — durchfäll¬
Ein Buratheat¬
Ensemble, bestehend aus den Damen Witt,
Kallina, Haeber e und den Herren Kainz. Korff und Treßler,
vermittelte uns die Bekanntschaft von Schnitzlers „Zwischenspiel“. Schnitzler
ist seit seinen ##eier der Veatrice“ elegisch geworden. Immer mehr geht
er, wie in „En#nen Weg“, tieferen Problemen nach und horcht mit feinen
Sinnen no
#in fernen Stimmen des Lebens. Weniger bewegt werdens
seine Spien; es sind nicht mehr die Jugendstürme toller Liebeleien, ins
seinen Stücken sprechen nunmehr jene, die die Jugend hinter sich haben,
denen ein Schicksal begegnet auf der Mittagshöhe des Lebens, oder die zus
überwinden haben, was man in blinder Jugend ergreift und mit sicht
nimmt, — leere Hände dann bietet, wenn das Haar ergraut. Stumme
Schreie werden seine Spiele, erlösungsdurstig. Seine Menschen sind ver¬
innerlichter geworden; sie beleben weniger die Handlung, aber sie habens
uns um so mehr zu sagen. So auch im „Zwischenspiel“. Das Episodenhafte,
der Dialog überwiegt. Es ist kein Theaterstück im landläufigen Sinne. Es¬
ist aber auch weit davon entfernt, ein schlechtes Stück zu sein. Selten hats
einer den Zusammenhang zwischen Kunst und Weib so veranschaulicht, die
dunklen Mächte einer schwankenden Künstlerseele so zum Ausdruck gebracht,
wie eben Schnitzler. Der Künstler, der seines Weibes zum Schaffen, zum
Ansporn bedarf und sie als Geliebte entbehren kann, der sie von neuem zu
lieben beginnt, je mehr beide nach Abenteuern ausgehen — das spricht
wahr und echt aus den geistvollen Dialogen. Schnitzler verlangt ein Sicheinleben in
seine Menschen, Mitfühlen und Mitdenlen. Wer es vermag, der ist reichlich
beloh: Und wer es nicht vermag, halte es mit Felir Philippi. Ich betone
dies um so mehr, als das Stück und Kainz als Amadens Adams hier nicht
ganz widerspruchsloser Kritik begegnet sind. Man gewöhne sich doch endlich
ab, von Kainz immer Extasen zu verlangen. Wozu der Rückschluß von
Adams auf Kainz? Was die Rolle nicht erlaubt, kann Kainz nicht geben!
Adams ist Nervenmensch, Künstler vor allem! Eine suchende, sich berauschende
Künstlerseele, aller Theatralik fremd. Und daß ihn Kainz so spielt, wie er
ist, mit all' seinen Launen und Stimmungen, daß er sich der Rolle anpaßt,
ganz den Intentionen des Dichters folgt und sein eigenes, überschäumendes
Temperament zügelt, ist des Ruhmes genug. Nie war er lebenswahrer und
echter. Nie bewundernswerter! Es gibt mannigfache Rollen für Kainz ohne
Kainz=Rollen zu sein. Das bedenke man manchmal. In erhabener Ruhe stand“
Frau Witt als Cäcilie Adams neben ihm. Eine ausgeglichene, nie ent¬
gleisende Leistung. Eine Frau, die wie ein sicherer Hafen ist in eines
Künstlers wildbewegtem Leben. Und darum fanden wir, daß sie so sein!
muß. Auch wenn sie die Rolle von rückwärts nach vorne spielen möchte,
muß sie so sein. Als Fürst Maradas=Lohenstein war Herr Korff von einer
vornehmen Zurückhaltung. Eine einheitliche, nie aus der Pose gleitende
Figur, Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle. Weniger am Platze und viel
zu polternd schien mir Herr Treßler als Albertus Rhon. Die Damen Kallina
und Haeberle ergänzten das Ensemble, desten tadelloses Zusammenspiel, unter¬
stützt von einer guten Regie, laute Beifallsstürme des ausverkauften Hauses
auslöste. Ihnen allen: „Auf baldiges Wiedersehen!“
M. V.
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