II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 365

20. Zuischensniel
box 25/4
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewyhr)
Ausschnitt a#s Ch. Geltontder“ Aune
vom:
B
Neue Dramen.
[Zwischenspiel. Komödie in drei Akten von Arthur Schnitzler.
1000
Berlin 1906. S. Fischer, Verlag.
[Benignens Erlebnis. Zwei Akte von E. v. Keyserling.
Ebenda, 1906.
[Fiorenza von Thomas Mann. Ebenda, 1906.
Wieland der Schmied. Dramatische Dichtung von Fritz
Lienhard. Mit einer Einleitung über Bergtheater und
Wielandsage. Stuttgart 1905, Verlag von Greiner und
Pfeifer.
„Zwischenspiel“ ist vielleicht das Feinste und Tiefste, was
4Schnitzler jemals geschaffen hat. Kritiker, die das Stück auch
auf der Bühne gesehen haben, sagen, daß es szenisch nicht
wirksam, daß es undramatisch sei. Die Schuld wird wohl an
den Schauspielern liegen. Undramatisch ist nur, was keine
Bewegung hat. Innere Entwicklung ist immer dramatisch.
Es ist schwer, den „Inhalt“ der Schnitzlerschen Dichtung
wiederzuerzählen. So sehr kommt hier alles auf die einzelnen
Nüancen an. Zwei, die sich nicht mehr zu lieben glauben
gehen auseinander, von neuen Gefühlen gelockt. Aber sie'
wollen „Freunde“ bleiben. Das Zwischenspiel ist schneller
zbeendet als sie glaubten, und wieder sehen sich Amadeus und
Cäcilie Aug' in Auge. Und nie ist sie ihm so schön erschienen,
wie jetzt, da er glaubt, daß sie einem anderen gehört hat. „Ich
Nein, etwas Besseres und was
zwill dein Geliebter sein ...
Schlimmeres: der Mann, der dich einem andern nimmt! ...
Sie willfahrt ihm — um
der, für den du einen verrätst.
zu erkennen, daß jetzt wirklich alles aus ist. „Was ist es denn,
was mich mit einemmal für dich so begehrenswert machte?
Nicht, daß ich Cäcilie war, — nein: daß ich als eine andere
wiederzukommen schien. Und war ich denn wirklich dein?
Ich war es nicht. Oder bist du so bescheiden geworden mit
zeinemmal, daß dir ein Grück genügte, das zur selben Stunde
sich vielleicht auch ein anderer hätte holen können, wenn er nur
sdagewesen wäre?“
„Benignens Erlebnis“ fesselt ebenfalls durch seinen zarten,
weich=lyrischen Ten. Selbst der Humor ist von einer ganz
besonderen diskreten Art. Ob es 1848 aber wirklich solche
Barone gegeben hat, die ihre Fenster mit Matratzen zudeckten
zund Piquet spielten, als gäbe es keine Revolution? Glückliche
Menschen! Die gelungenste Gestalt ist unzweifelhaft der Onkel
Went, der Asthetiker und Skeptiker. Man denkt an gewisse
(Grillparzersche Figuren. Nur ein echter Dichter konnte so
jetwas schaffen.
In eine ganz andere Welt führt uns Thomas Manns
„Fiorenza“. Die sinnenfreudige, farbenreiche Renaissance.
LLorenzo Medici und die Seinen. Ihnen gegenüber Girolamo
Savonarola, der Fanatiker, der in seiner Einseitigkeit seine
Kraft findet. Für die Bühne ist das Stück kaum bestimmt; es
wird zu viel gesprochen und zu wenig getan darin. Es ist
mehr eine dialogisierte Novelle, aber eine Meisternovelle. Un¬
gemein plastisch treten alle Gestalten vor uns. Nur die Kurti¬
sane Fiore, die zu sehr als Symbol der Stadt Florenz aufge¬
faßt ist, könnte etwas mehr inneres Leben haben. Und die
Idee des Ganzen wird etwas herabgedrückt durch zu starke Be¬
konung des Verlangens nach persönlicher Macht bei Savonarola.
überhaupt wirkt Savonarola, als er im dritten Akt in Person
serscheint, lange nicht so stark, wie man nach dem, was in den
ersten Akten von ihm erzählt wurde, erwarten sollte. Dagegen
ist Lorenzo Medici, der große Einsame, von wenigen Dichtern
so tief erfaßt worden, als von Mann. Die Szene, wo er von
seinen Söhnen Abschied nimmt, ist wundervoll. Nebenbei ein
ganz kleines Bedenken: der Künstler Leone erzählt auf S. 145
eine Novelle des Decamerone als eigenes Erlebnis. Das ist
unmöglich. Seine Zuhörer hätten ihn sofort „geklappt“. Denn
sie kannten den Boccaccio noch viel besser, als wir ihn kennen.
Fritz Lienhard hat seinen Wieland für das Harzer Berg¬
theater geschrieben. Ich glaube gern, daß das Stück dort stark
gewirkt hat. Gelesen läßt es ziemlich kalt. Einzelnes ist gewiß
schön, vor allem die Gestalt Wielands mit ihrer Sehnsucht nach
den lichten Höhen. Sehr schön ist die dritte Szene, wo Wieland
der Allwiß höchstes Vertrauen erweist und sie dies Vertrauen
(betrügt. Schön ist der Schluß, Wielands Aufflug: „O Land
voll Licht! O Allwiß, mein Weib! über die Welt hin lacht dein
Sonnenhaar! Die ganze Welt mein Weib!“ Aber was sonst noch
in dem Stück vorkommt, ist mitunter recht bösartige Theaterei.
Der arge König Nidhod nebst Frau und Tochter sind Glieder¬
puppen ohne Fleisch und Biut. Ihr hohles Pathos erinnert
an schlimme Zeiten des deutschen Dramas, die längst vergangen
sein sollten.
Übrigens: wie stellt das Bergtheater die fliegenden Walküren
und den Aufstieg Wielands dar? Ohne unsere altgewohnten
Theatermaschinerien wird wohl schwerlich auszukommen sein.
Sie müssen aber unter dem freien Himmel, über wirklichen
Bergen und Bäumen noch störender, noch verletzender wirken,
als in unseren Schauspielhäusern, wo eben alles Lüge und
Arthur Luther
Konventi on ist.