II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 366

20 Zuischensbiel
box 25/4
T
ee Meiete Astent. Aene eee
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
S Seger
vom:
P
Mmm—

Theater, Musik und Kunst.
on Liebhabern
M. W. M. Gesellschaft
dramatischer Literatur. Mittwoch, den 11. Ja¬
nuar 1906. — Mit einer kurzen Ansprache leitete Dr. A.
Flemming die zweite Hälfte der Saison 1905—1906 des
„Dramatischen Vereins“ ein. Er wies darauf hin, daß
unsere deutsche Gesellschaft hinter der russischen nicht
zurückbleiben dürfe. Letztere ist vornehmlich im Jahre
1905 durch die erschütternden Schicksalsschläge aus dem
Winterschlafe aufgerüttelt worden; neben dem politischen
pulfiert nun auch das regste schönwissenschaftliche und
künstlerische Leben in ihren Adern. Auch wir Deutschen
müssen wach bleiben und den Pulsschlag des geistigen
Lebens Deutschlands, das, wenn nicht mehr, so doch min¬
destens die Kulturheimat für jeden Deutschen ist, mit¬
fühlend miterleben. Die Aufgabe des „Dramatischen
Vereins“ ist es, im Verein mit anderen Institutionen der
Petersburger Deutschen diesen das Miterleben zu ermög¬
lichen. Ohne Unterstützung seitens der deutschen Gesell¬
schaft aber ist solches nicht denkbar. Es ist vonnöten,
einen Fonds zu gründen, welcher es dem „Dramatischen
Verein“ erlaubt, vor allem tüchtigen schauspielerischen
Kräften das Mitwirken am Vereine zu erleichtern und
solche Kräfte, wenn auch nur vorübergehend, heranzu¬
ziehen. So habe ich den verehrten Redner verstanden.
wesenden. In einem liebevoll und feinsinnig aus¬
gearbeiteten Vortrage wies Dr. Flemming auf die Ge¬
stalt Artur Schnitzlers hin und charakterisierte seine
Werke. Es folgte der Leseabend. Er brachte Artur
Schnitzlers Komödie „Das Zwischenspiel“. Hinsichtlich des
Inhalks verweise ich auf die eingehende Besprechung im
„Herold“ vom 18. Dezember 1905. Für unsere neuen
Abonnenten und unsere alten Leser, welche den alten
Jahrgang vielleicht verlegt haben, will ich in Kürze fol¬
gendes erwähnen. — Verstand und Gemüt ist das eine
Band, das sich mit dem Bande seelische und finnliche
psycho¬
Liebe zu einem Knoten verknüpft. Es ist ein
pathisches Drama. Wir haben keine gesunden Durch¬
schnittsmenschen vor uns, sondern übersensible — Durch¬
schnittsmenschen von Schnitzlers Gnaden, der an unserem
wichtigsten Lebensnerv herumexverimentiert, endlich den
Nerv bloßlegt und zu seinem Schrecken sieht, daß er da¬
durch den Nerv getötet hat: er hat ein Präparat für die
graue Theorie; das warme Leben ist ihm spöttisch ent¬
wischt. Kapellmeister Adams und seine Gattin Cäcilie
Ortenburg, eine gefeierte Sängerin, haben es sich zum
Prinzip gemacht, in allen. Dingen untereinander rück¬
haltlos offen zu sein. Ihre Ehe ist viele Jahre hindurch
glücklich; solange sie glücklich ist, freuen sie sich
ihres Prinzivs. Da legen sich fremde Hände auf
das zarte Gebilde des Glücks. Er wird durch die
leichtlebige Sängerin Gräfin Friederike Moosheim
gefesselt, sie durch den Schüler ihres Gatten, den
Fürstin Sigismund. Treten dritte Personen zwischen
zwei Liebende, so ist das Liebesglück entweiht; es ist nicht
mehr das alte Glück. Das Dazwischentreten der Fremden

kann nur ein Zwischenspiel sein, nach dem die alte Hand¬
lung wieder ausgenommen wird; doch die alte Handlung
ist nicht das alte Glück; dieses ist nichtwiederkehrend dahin.
Der Narr Amadeus wähnt durch die Freundschaft zwischen
Mann und Weib die wahre Ehe, die zugleich Freundschaft
und finnliche Liebe ist, ersetzen zu können. Seine Gattin
gibt ihm zweifelnd recht. Beide geben einander frei. Das
geistige Band, die gemeinsamen musikalischen Interessen,
die untrennbar schienen, werden zur Qual. Nach der
Trennung wird der Mensch in Amadeus rege, das Gemüt
besiegt übermächtig den Verstand: der „Gatte“ wird eifer¬
süchtig, der das Gerede der Welt verachtende „Freidenker“.
schielt nach dem Gerede hin. Die geistige Freundschaft
wird aufs schwerste verletzt: Frau Cäcilie wird, von sinn¬
lichem Verlangen nach einem anderen erfaßt, die außer¬
eheliche Geliebte ihres Gatten. Sie ist frei; sie darf und
will einem anderen ihre Liebe schenken und wird von
ihrem Gatten verführt. Ihr Freund hat seine Freund¬
schaft mißbraucht; sie ist moralisch gefallen. So schwer
es ihr auch wird, sie trennt sich von ihrem Freunde, dem
sie nur „Geliebte“ sein kann. — Ob sie anderen mehr als
nur „Geliebte“ wird sein können? Wohl kaum. Ihr
Glück ist durch das Experimentieren vernichtet. — Tief
sittlich ist das Schnitzlersche Drama. Blumenthal und
Konsorten revarieren jede getrübte Ehe dadurch, daß sie
Mann und Weib zu „Geliebten“ werden lassen. Weniger
Ggroßstädtisch=übermenschliche Individuen kommen entweder,
wenn sie das ethische Reinlichkeitsbedürfnis haben, über
den ersten Knax des faktischen oder geistigen Ehebruchs
nicht hinweg, oder aber sie machen sich, wenn sie dickhäutig
genug sind, nichte
2