II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 376

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20. Zuischensniel
willigt, vielleicht weil sie fühlt, daß sie als Weib ihm nichts dere geworden. Wie in Nora, ging auch in ihr eine Veränderung
vor. Bisher war sie ihrem Gatten nicht untreu gworden. Wohl
bedeutet, in den sonderbaren Vertrag blutenden Herzens. Und
Ischaft
fühlte sie seit Berlin ihr Blut heißer kreisen, einen stürmischen
er begrüßt in ihr die neue Freundin.
Lebensdrang in sich erwachen, so daß sie leicht dem Ansturm
spril 1906.
Cäcilie hat ein Gastspiel in Berlin. Fürst Sigismund
eines Liebhabers erlegen wäre. Dieser Li bhaber wurde ihr
ist ihr nachgefahren. Sie feiert Triumphe, die sie ihm telegra¬
Mann. Geradesogut hätte es jedoch ein anderer werden können.
iel“.
phisch mitteilt, auch von ihrem Landaufenthalte schrieb sie ihm
Daß sie ihrem Manne das war, was ihm andere geworden, und
täglich seitenlange Briefe. Er wieder hat ihr mitgeteilt, daß die
infonien, will
auch er ihr nicht mehr gilt als ein anderer Li bhaber, daß sie
Geschichte mit der Gräfin zu Ende ist. Zeitungsmeldungen
nit der Opern¬
also mit ihm und er mit ihr die Ehe gebrochen, macht ihr wei¬
wußten zu berichten, daß Cäcilie mit Fürst Sigismund sich
einen herzigen
teres Zusammenbleiben unmöglich. Tiefer Schmerz zittert in
verheiraten wolle. Die erste Ehe werde getrennt, dann schreite
henkt hat. Bei
ihren Worten, er geht in stummer Resignation, auf das Noten¬
der Fürst mit Cäcilie zum Altar, die Dispens des Papstes
llen in Wahr¬
pult des Flügels breitet er sein kostbares Abschiedsgeschenk,
wäre soviel wie sicher, da Sigismunds Vater der Führer der
kein Geheimnis
seine lezte ihr gewidmete Sinsonie mit dem wehmutsvollen
aristokratischen und klerikalen Partei des Herrenhauses ist. (!!)
en, auch Kame¬
Capriccio doloroso. Schluchzend sinkt Cä ilie über die Partitur.
Für Amadeus würde das eine Entweihung des edelsten Ver¬
gänzen sie sich
Frau Cäcilie ist also nicht einverstanden mit dem System
hältnisses bedeuten. Etwas wie Eifersucht gegen den Fürsten
gut als sie,
des Professors Forel, jenes bekannten Irrenarztes, der ein
regt sich, auch gegen den Tenor, von dem die Briefe der Frau
Capriccio ge¬
Liebling der Sozialdemokraten und Frauenrechtlerinnen gwor¬
so begeistert schreiben.
ihn aufmerksam
den ist. Der meint nämlich, Anwandlungen zu ehe icher Untreue
Cäcilie kommt zurück. Als Künstlerin größer, ihre Stimme
heißen. Und
würden am besten geheilt durch eine Selbstsuggestion, indem
voller und wärmer, der Nachglanz der Triumphe noch in ihren
hrt sie auf die
man dem Lebensgefährten alle Vorzüge des ersehnten Ideales
Augen. Ein fremdes Weib sieht Amadeus in ihr, das er
ng.
anträume. Man müsse es sich nur einreden können. Als Bei¬
besitzen, erobern will. Und sie gibt sich seiner Leidenschaft
äfin Friederike
spil verweist er auf Gocthes „Wahlverwandtschaften“.
gefangen.
der Bühne ge¬
Der neue Schnitzler wäre übrigens ein Fall, den die Ehe¬
Der nächste Morgen findet ihn voll rasender Eifersucht
is und studiert
reformer studieren könnten. Wer ehrlich ist, muß sich sagen,
gegen Fürst Sigismund. Er will ihn fordern. Sehr bald hat
stunde ab und
daß ihm die Komödie gestern eher Unbehagen als Freude be¬
er dazu persönlich Gelegenheit, denn der Fürst kommt zu
gegenüber. Die
reitet hat. Und darnach könnte er auch urteilen, ob eine Ehe¬
Amadeus und verlangt, er möge von seiner Frau sich scheiden
in sie verliebt
reformerei wirklich gar so wünschensvert ist da sie selbst bei
lassen, damit sie heiraten können. Die drei Jahre ältere Cäcilie
is allen seinen
den duldsamsten Anschauungen und feinsten Lebensformen nichts
habe zwar gesagt, sie denke gar nicht daran, doch das werde
mnit der Gräfin
Gutes herbeiführen könnte. Dabei lassen wir das b. k.agenswerte
sich schon geben. Der gegenwärtige Zustand sei kompromittierend
von dem hoch¬
Schicksal des Kindes, das den Eltern entfremdet wird, statt in
für beide, er wolle sie als rechtmäßige Gattin zum Altare (!)
istigen Schüler
einer harmonischen Familie heranzuwachsen, sogar aus dem
führen. Als der Fürst von der Absicht des Duells hört, schüttelt
Spiele.
er gerührt dem Amadens die. Hand. Noch eben hatte er ihm
einen hyper¬
Die Komödie wickelt sich übrigens nicht so durchsichtig ab,
erlaubt, daß er als Freund und Kunstkollege Cäciliens jeder¬
e Freiheit, das
als sie von uns erzählt wurde. Denn um die drei Akte spinnt
zeit willkommen sei, nun aber beweist Amadeus, daß er seine
sie beisammen.
sich ein geradezu ermüdender Dialog. Mag sein, daß die Wir¬
Frau doch liebt und da tritt der Fürst zurück. Er werde sich
semeinschaftliche
kung in einem intimen Raume besser wäre. Jedenfalls hätte
nicht das Leben nehmen, er sei noch jung und könne es wohl
einsam erzogen.
eine novellistische Form das Problem faßlicher gemacht als die
verwinden.
dann doch Ge¬
dramatische. Denn trotz des Aufblitzens geistvoller Wendungen
Aus der feingezeichneten grotesken Situation und Unter¬
irfe nicht sein,
ist keine Bewegung im Stück.
redung hatte Amadeus den Beweis erhalten, daß seine Frau
iel gegenseitiger
Vor hausbackener Nüchternheit ist Albertus. Ich weiß
ihrer Ehre nicht das Geringste vergeben hatte, nun scheint bei¬
je sich erzählen,
nicht, wer Schnitzler die Beleidigung angetan hat, ihn mit
den eine ungetrübte, dem Herzen und der Kunst gleicherweise
n sie wie bisher
gerecht werdende Ehe zu winken. Aber Frau Cäcilie ist eine an= dieser Gestalt zu identifizieren. Gelesen oder gehört habe ich
e, die ihn liebt,
S
derartiges. Erinnert Amadeus in seinem Namen etwas an
Mozart, so möchte ich Albertus seinen Schikaneder nennen.
So wenigstens stelle ich mir die geistlosen Librettoschmocks der
jüdischen Wiener Operettenschmierer vor. Es ist also große
Gefahr vorhanden, daß man Amadeus für einen Eysler oder
Reinhard hält. Davor bewahrt ihn jedoch Schnitzler, der uns
versichert, daß Amadeus Opernkapellmeister ist un. Sinsonien
geschrieben hat. Auch für keine der anderen Gestalten konnten
wir uns erwärmen. Frau Medelsky wandte zwar ihr volles
reiches Können an Cäcilie, ohne sie uns jedoch näher bringen
zu können. Der Fehler liegt nicht in ihr, sondern in der
Dichtung. Herr Frank spielte den nervösen Kapellmeister.
Vielleicht kopierte er Kainz. Sein Gesicht war in ständiger
Spannung, untstät flackerten die Augen. Herr Muratori gab
einen hausbackenen nüchternen Albertus, Fräulein Häberle
seine brave bürgerliche, anständige Frau. Den größten Bei¬
fall hatte Herr Korff, der mit feiner, liebenswürdiger Cha¬
rakterisierung den Fürsten spiette. Hübsch war Fräulein Kögli
ls leichtlebige Gräfin Friederike.
S.

bgesenn
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