20. Zuischensp.1e
Theater und Musik.##
Crchi
Deutsches Schauspielhaus.
Baron Berger hat die wertlosen Karten, die er in
der Hand hatte, zu Anfang der Spielzeit fortgegeben
und kommt nun Schlag auf Schlag mit seinen hohen
Trümpfen heraus. Nach Shaws paradoxem Tendenz¬
werk, Sudermanns Sensationsstück. Und danach gestern
Arthur Schnitzlers feine psychologische Studie
niler nennt seine Dichtung
„Zwischen
Komödie. Nach altem schlechten Brauch darf eine
Bühnendichtung nicht für sich stehen, sondern muß in
eine Rubrik gezwängt werden, auch wenn sie nicht
hineinpaßt. Das „Zwischenspiel“ paßt nicht in die
Rubrik: Komödie. Auch nicht in die benachbarte:
Tragikomödie. Es will sich überhaupt in keine der
hergebrachten Rubriken fügen. Wenn man seine Art
klar machen will, muß man schon zu Bildern und
Gleichnissen greifen. Es ist so gar nichts handfestes
und derbes, so gar nichts bekanntes und traditionelles
in diesem Werk. Es ist alles so fein und zart, als
wäre es aus Marienfäden gewoben, so dämmerig glän¬
zend, als hinge es im Netz silberner Mondenstrahlen,
Während man den Gesprächen und Vorgängen auf
der Bühne folgt, meint man, einen von jenen exo¬
stischen Faltern zu sehen, die mehr einer Blume
gleichen als einem Tier. Oder eine jener wunder¬
lichen Orchideen, die eher ein Lebewesen scheinen als
eine Blüte. Oder eines jener irisierenden gläsernen
Wunder, denen ein verträumter Muraneser Künstler
die Form eines Trinkgefäßes gab, die aber fast zu
zart für die Berührung sind, geschweige denn, daß
man ihre Höhlung mit einem Getränk — und wäre
es noch so edel — füllen dürfte. Ein Seltsames, ein
Erlesenes, wie diese köstlichen Dinge, ist auch Schnitz¬
lers „Zwischenspiel“. Etwas, dem man nicht mit dem
Verstande, sondern nur mit dem Gesühl gerecht wer¬
den kann. Das man entweder auf den ersten Blick
lieb hat oder nie sich zu eigen macht.
Der Dichter führt uns in sein heimatliches Wien.
Aber nicht in eine typische Wiener Familie, sondern
in ein Künstlerheim. Ein Musikantenheim. Der
Mann ist Kapellmeister und Komponist, die Frau
Opernsängerin. Beide Größen in ihrem Fach. Und
ihr Beruf nicht bloß eine vom Autor ihnen überge¬
stülpte Attrappe, unter der triviale Alltagsmenschen
oder noch trivialere Phrasenhelden stecken. Schnitz¬
ler stellt zwei wirkliche Künstler auf die Bühne. Zwei
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Leute, die im Innern Musikanten wären, auch wenn
eine Schicksalslaune den Mann zum Kassenrevisor
und die Frau zur Zahnärztin gemacht hätte. Zwei
Menschen mit subtilen, auf die leifeste Reizung leb¬
haft reagierenden Nerven. Nicht die Liebe allein hat
sie zusammengeführt, sondern auch die Betätigung auf
demselben Gebiet der Kunst. Und darum ist ihre Ehe
keine reine Liebesehe, die eins im andern aufgehen
läßt und aus zwei getrennten Wesen eins macht.
Ider von beiden weiß, daß er als Künstler nur etwas
sein kann, wenn er seine besondere Individualität,
Und weil
streng wahrt.
seine Persönlichkeit
jeder von ihnen
hat
das wissen,
beide
Ehrfurcht vor der In¬
auch eine heilige
dividualität, der Persönlichkeit des andern. Sie unter¬
scheiden dabei nicht zwischen dem allgemein Menschlichen
und dem besonderen Künstlerischen. Und so machen sie
sich's zum Gesetz, daß jeder seinen Weg gehen, seinen
Empfindungen und Eindrücken sich hingeben darf. Aber
nicht heimlich vor dem andern, nicht im Gefühl, dem
andern Unrecht zu tun. Wahrheit soll zwischen ihnen
sein und Offenheit. Gute Kameraden wollen sie sein,
die nichts vor einander verbergen. Der Mann hat den
Gedanken gefaßt, dem die Frau zustimmt. Der über¬
sinnlich=sinnliche Schwärmer hat dabei nur übersehen,
daß die Liebe ihr Gesetz in sich selbst trägt und sich kein
anderes vorschreiben läßt. Und so muß er's erleben,
daß seine Frau sich von ihm abwendet und ihren Le¬
bensweg von dem seinen für immer trennt, just da, als
ihm selber klar wird, daß das Gefühl, das er für sie
hegt, stärker ist als alle Theorie, daß auch der Künstler
nur ein Mensch ist. Er wollte aus seinem Leben, sei¬
ner Ehe ein Capriccio machen: nun wird wider seinen
Willen daraus ein Capriccio doloroso.
Zergliedern wir das nicht im einzelnen! Versuchen
wir nicht, trocken nachzuerzählen, wie es sich vor uns ab¬
spielt, vor uns auslebt. Der Reiz des Werkes liegt
nicht in der Handlung, die sich im knappen Rahmen
einer Anekdote berichten ließe. Bei diesem Musikan¬
tenstück ist es der Ton, der die Musik macht. Schnitzler
zergliedert die Seelen seiner Personen mit einer psy¬
hologischen Schärfe, die er von Ibsen gelernt hat.
Aber dieser Schärfe ist eine lässige Grazie, eine ver¬
träumte Weichheit beigemischt, wie Ibsen sie nie besessen
hat, wie sie nur unter dem heitren Himmel Wiens ge¬
deihen konnte. Und in dieser eigentümlichen Mischung
liegt der eigentliche Zauber des Werkes, zu dem die
in ihrer scheinbaren Sorglosigkeit kunstvoll geschliffene
Sprache, die durch das Ganze wie Diamantenschnüre
gezogenen feinen Bemerkungen und Paradoxe nur rei¬
cher schmückende Zutaten sind.
#er Ment des Fuli wer.
Die Aufführung tat alles, um
nis für das Werk hatten, einen v
zu bereiten. Herr von Berger,
stellte seines Landsmannes Schö
Licht. Er hatte .vor allem feinst
durch häufigen Stellungswechsel d
den langen Zwiegesprächen nahel
Monotonie zu beseitigen. Unü
Hönigsvald als Caccilie. Da
von Theaterspiel, da war alles bi
Leben: eine Meisterschöpfung hors
einen würdigen Partner in Herrn
nur, daß er — wohl aus Besorgni
ken — gelegentlich allzu beweglich
Davon abgesehen, war auch sein
drucksvollster Wahrheit. Herr K
sehr verständig den Schriftsteller
wie in den Buchdramen der Ron
selbst spricht, sein Stück glossierend
der Kritiker vorweg nehmend.
episodischen Aufgaben machten
hoven und Kühnert und vor
hardt wohlverdient. Die schwier
Rolle des Fürsten stellt, löste der
Künstler in ganz ausgezeichneter
Und die Aufnahme der Dichtu
Nicht jeder weiß exotische Falter,
Muraneser Kelche zu würdigen.
wenn man auch dem Schnitzlersch
ablehnend gegenüberstand, wenn wi
tes Gemurmel, zum Schluß entrü
wurde. Deshalb bleibt die Auf¬
stückes in den Spielplan des Schau
ankenswerte Tat. Das erkannte
der Premièrebesucher voll an, in
mit den Darstellern Herrn von Be
misch vor die Rampe rief.
Theater und Musik.##
Crchi
Deutsches Schauspielhaus.
Baron Berger hat die wertlosen Karten, die er in
der Hand hatte, zu Anfang der Spielzeit fortgegeben
und kommt nun Schlag auf Schlag mit seinen hohen
Trümpfen heraus. Nach Shaws paradoxem Tendenz¬
werk, Sudermanns Sensationsstück. Und danach gestern
Arthur Schnitzlers feine psychologische Studie
niler nennt seine Dichtung
„Zwischen
Komödie. Nach altem schlechten Brauch darf eine
Bühnendichtung nicht für sich stehen, sondern muß in
eine Rubrik gezwängt werden, auch wenn sie nicht
hineinpaßt. Das „Zwischenspiel“ paßt nicht in die
Rubrik: Komödie. Auch nicht in die benachbarte:
Tragikomödie. Es will sich überhaupt in keine der
hergebrachten Rubriken fügen. Wenn man seine Art
klar machen will, muß man schon zu Bildern und
Gleichnissen greifen. Es ist so gar nichts handfestes
und derbes, so gar nichts bekanntes und traditionelles
in diesem Werk. Es ist alles so fein und zart, als
wäre es aus Marienfäden gewoben, so dämmerig glän¬
zend, als hinge es im Netz silberner Mondenstrahlen,
Während man den Gesprächen und Vorgängen auf
der Bühne folgt, meint man, einen von jenen exo¬
stischen Faltern zu sehen, die mehr einer Blume
gleichen als einem Tier. Oder eine jener wunder¬
lichen Orchideen, die eher ein Lebewesen scheinen als
eine Blüte. Oder eines jener irisierenden gläsernen
Wunder, denen ein verträumter Muraneser Künstler
die Form eines Trinkgefäßes gab, die aber fast zu
zart für die Berührung sind, geschweige denn, daß
man ihre Höhlung mit einem Getränk — und wäre
es noch so edel — füllen dürfte. Ein Seltsames, ein
Erlesenes, wie diese köstlichen Dinge, ist auch Schnitz¬
lers „Zwischenspiel“. Etwas, dem man nicht mit dem
Verstande, sondern nur mit dem Gesühl gerecht wer¬
den kann. Das man entweder auf den ersten Blick
lieb hat oder nie sich zu eigen macht.
Der Dichter führt uns in sein heimatliches Wien.
Aber nicht in eine typische Wiener Familie, sondern
in ein Künstlerheim. Ein Musikantenheim. Der
Mann ist Kapellmeister und Komponist, die Frau
Opernsängerin. Beide Größen in ihrem Fach. Und
ihr Beruf nicht bloß eine vom Autor ihnen überge¬
stülpte Attrappe, unter der triviale Alltagsmenschen
oder noch trivialere Phrasenhelden stecken. Schnitz¬
ler stellt zwei wirkliche Künstler auf die Bühne. Zwei
box 25/4
Leute, die im Innern Musikanten wären, auch wenn
eine Schicksalslaune den Mann zum Kassenrevisor
und die Frau zur Zahnärztin gemacht hätte. Zwei
Menschen mit subtilen, auf die leifeste Reizung leb¬
haft reagierenden Nerven. Nicht die Liebe allein hat
sie zusammengeführt, sondern auch die Betätigung auf
demselben Gebiet der Kunst. Und darum ist ihre Ehe
keine reine Liebesehe, die eins im andern aufgehen
läßt und aus zwei getrennten Wesen eins macht.
Ider von beiden weiß, daß er als Künstler nur etwas
sein kann, wenn er seine besondere Individualität,
Und weil
streng wahrt.
seine Persönlichkeit
jeder von ihnen
hat
das wissen,
beide
Ehrfurcht vor der In¬
auch eine heilige
dividualität, der Persönlichkeit des andern. Sie unter¬
scheiden dabei nicht zwischen dem allgemein Menschlichen
und dem besonderen Künstlerischen. Und so machen sie
sich's zum Gesetz, daß jeder seinen Weg gehen, seinen
Empfindungen und Eindrücken sich hingeben darf. Aber
nicht heimlich vor dem andern, nicht im Gefühl, dem
andern Unrecht zu tun. Wahrheit soll zwischen ihnen
sein und Offenheit. Gute Kameraden wollen sie sein,
die nichts vor einander verbergen. Der Mann hat den
Gedanken gefaßt, dem die Frau zustimmt. Der über¬
sinnlich=sinnliche Schwärmer hat dabei nur übersehen,
daß die Liebe ihr Gesetz in sich selbst trägt und sich kein
anderes vorschreiben läßt. Und so muß er's erleben,
daß seine Frau sich von ihm abwendet und ihren Le¬
bensweg von dem seinen für immer trennt, just da, als
ihm selber klar wird, daß das Gefühl, das er für sie
hegt, stärker ist als alle Theorie, daß auch der Künstler
nur ein Mensch ist. Er wollte aus seinem Leben, sei¬
ner Ehe ein Capriccio machen: nun wird wider seinen
Willen daraus ein Capriccio doloroso.
Zergliedern wir das nicht im einzelnen! Versuchen
wir nicht, trocken nachzuerzählen, wie es sich vor uns ab¬
spielt, vor uns auslebt. Der Reiz des Werkes liegt
nicht in der Handlung, die sich im knappen Rahmen
einer Anekdote berichten ließe. Bei diesem Musikan¬
tenstück ist es der Ton, der die Musik macht. Schnitzler
zergliedert die Seelen seiner Personen mit einer psy¬
hologischen Schärfe, die er von Ibsen gelernt hat.
Aber dieser Schärfe ist eine lässige Grazie, eine ver¬
träumte Weichheit beigemischt, wie Ibsen sie nie besessen
hat, wie sie nur unter dem heitren Himmel Wiens ge¬
deihen konnte. Und in dieser eigentümlichen Mischung
liegt der eigentliche Zauber des Werkes, zu dem die
in ihrer scheinbaren Sorglosigkeit kunstvoll geschliffene
Sprache, die durch das Ganze wie Diamantenschnüre
gezogenen feinen Bemerkungen und Paradoxe nur rei¬
cher schmückende Zutaten sind.
#er Ment des Fuli wer.
Die Aufführung tat alles, um
nis für das Werk hatten, einen v
zu bereiten. Herr von Berger,
stellte seines Landsmannes Schö
Licht. Er hatte .vor allem feinst
durch häufigen Stellungswechsel d
den langen Zwiegesprächen nahel
Monotonie zu beseitigen. Unü
Hönigsvald als Caccilie. Da
von Theaterspiel, da war alles bi
Leben: eine Meisterschöpfung hors
einen würdigen Partner in Herrn
nur, daß er — wohl aus Besorgni
ken — gelegentlich allzu beweglich
Davon abgesehen, war auch sein
drucksvollster Wahrheit. Herr K
sehr verständig den Schriftsteller
wie in den Buchdramen der Ron
selbst spricht, sein Stück glossierend
der Kritiker vorweg nehmend.
episodischen Aufgaben machten
hoven und Kühnert und vor
hardt wohlverdient. Die schwier
Rolle des Fürsten stellt, löste der
Künstler in ganz ausgezeichneter
Und die Aufnahme der Dichtu
Nicht jeder weiß exotische Falter,
Muraneser Kelche zu würdigen.
wenn man auch dem Schnitzlersch
ablehnend gegenüberstand, wenn wi
tes Gemurmel, zum Schluß entrü
wurde. Deshalb bleibt die Auf¬
stückes in den Spielplan des Schau
ankenswerte Tat. Das erkannte
der Premièrebesucher voll an, in
mit den Darstellern Herrn von Be
misch vor die Rampe rief.