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20. Zuischens1
Theater und Musik.
J. K. Im Lessing=Theater ging gestern
überfeinsinnige
Artur Sch
itzler
(Freitag)
„Zwischenspiel einstudiert in
Szene. Die Wiederaufnahme dieses in geistreichen
Spitzfindigkeiten erstickenden Stückes, das niemals
starken Eindruck hervorrufen wird, weil ihm jede
dramatische Kraft fehlt, sollte einem Gast vom
Münchener Hoftheater Gelegenheit geben, hier in
einer möglichst anspruchsvollen Rolle zu debütieren.
Herr Heinz Monard, der übrigens früher
schon am Berliner Theater unter Paul Lindaus
„Leitung tätig genesen, spielte gestern den Kapell¬
meister Amadeus ldams, dessen sich zuerst Basser¬
manns scharf zergliedernde, nachspürende und nervöse
Kunst angenommen hatte. Die rein schauspiele¬
rische Individualität des Herrn Monard steht
dem eigenartigen künstlerischen Wesen Bassermanns
fern, aber er erwies sich als ein sehr tüchtiger
und sicherer Schauspieler. Er gab die zwischen
Ernst und Scherz unstet schwankende Figur fester und
geradliniger wie sein gefeierter Vorgänger, korrekt in
der Charakteristik, soweit diese selbst eben korrekt
ist, und mit einem starken Aufgebot von Gefühl
und Empfindung, wo der launenhafte Autor es
plötzlich verlangt. Um einen genialen Zug, um
das Wesen eines außergewöhnlichen Künstlers in
die Gestalt zu bringen, dazu bedarf es auch einer
genialen Begabung, etwa der eines Kainz, der die
Rolle in Wien gespielt. Herr Monard in seiner
gesunden Frische ersetzte das durch einen ungemein
sympathischen, liebenswürdigen Ton, und insbe¬
sondere die wirklich heiteren Momente, in denen
Herr Amadeus als echte Lustspielfigur er¬
ist, kommen
er leider nicht
scheint, die
machte die
Jedenfalls
vortrefflich heraus.
Leistung im ganzen einen durchaus günstigen Ein¬
druck und fügte sich gut in den völlig auf die
Natürlichkeit gestimmten Ton des Ensembles ein.
In anderen Rollen, deren Empfindungsgehalt nicht
nur geistreicher und absichtlicher Spielerei und
konstruierter Tragik entspringt, wird Herr Monard
beweisen müssen, wie weit seine Begabung über
die liebenswürdige Plauderkunst und einen
leichten Bonvivant=Humor hinausgehr. Was der
Herr Kapellmeister Adams an ernsten Dingen
zu sprechen und was er an seelischen Er¬
schütterungen auszudrücken hat, bleibt immer
Schauspielerei, und nur ein Darsteller ganz außer¬
gewöhnlichen Schlages kann in einigen Momenten
—
Die übrigen Neu¬
darüber hinwegtäuschen.
besetzungen der Vorstellung waren kaum der Rede
wert, denn sie betrafen völlig indifferente Rollen,
deren Wiedergabe denn auch jenseits von Gut und
Böse lag. — Die Leistung Irene Trieschs in der
komplizierten Figur der Frau Cäcilie Adams,
dieser merkwürdigen Gattin, die nach gegenseitiger
Uebereinkunft mit allem Anstand ein außerehe¬
liches Zwischenspiel durchlebt und dann nach einer
ehelichen Liebesnacht wieder freiwillig von dem
Herrn Gemahl scheidet in der heftigen Befürchtung,
weitere Zwischenspiele könnten bedenklicher ab¬
laufen, ist rühmlichst bekannt; ebenso der prächtige
Schriftsteller Albertus Rhon Emanuel Reichers
und Grunwalds sanftmütig=entsagungsvoll lieben¬
der Zwischenspieler mit dem schönen Namen
Sigismund, Füest von und zu. Maradas=Lohsen¬
stein. Das Publikum, dem der Amadeus des
Herrn Monard augenscheinlich wohlgefiel, er¬
freute sich an den vielen geistvollen Bemerkungen
des Dialogs und vermißte schmerzlich das Stück,
das doch eigentlich dazu gehörte. Die erkünstelt
tragische Schlußwendung der langen Auseinander¬
setzungen des Ehepaars Adams vermochte, wie bei
der Erst=Aufführung der Komödie, für den völligen
Mangel an dramatischen Geschehnissen nicht zu
entschädigen, die man selbst von einem Zwischen¬
spiel verlangt.
20. Zuischens1
Theater und Musik.
J. K. Im Lessing=Theater ging gestern
überfeinsinnige
Artur Sch
itzler
(Freitag)
„Zwischenspiel einstudiert in
Szene. Die Wiederaufnahme dieses in geistreichen
Spitzfindigkeiten erstickenden Stückes, das niemals
starken Eindruck hervorrufen wird, weil ihm jede
dramatische Kraft fehlt, sollte einem Gast vom
Münchener Hoftheater Gelegenheit geben, hier in
einer möglichst anspruchsvollen Rolle zu debütieren.
Herr Heinz Monard, der übrigens früher
schon am Berliner Theater unter Paul Lindaus
„Leitung tätig genesen, spielte gestern den Kapell¬
meister Amadeus ldams, dessen sich zuerst Basser¬
manns scharf zergliedernde, nachspürende und nervöse
Kunst angenommen hatte. Die rein schauspiele¬
rische Individualität des Herrn Monard steht
dem eigenartigen künstlerischen Wesen Bassermanns
fern, aber er erwies sich als ein sehr tüchtiger
und sicherer Schauspieler. Er gab die zwischen
Ernst und Scherz unstet schwankende Figur fester und
geradliniger wie sein gefeierter Vorgänger, korrekt in
der Charakteristik, soweit diese selbst eben korrekt
ist, und mit einem starken Aufgebot von Gefühl
und Empfindung, wo der launenhafte Autor es
plötzlich verlangt. Um einen genialen Zug, um
das Wesen eines außergewöhnlichen Künstlers in
die Gestalt zu bringen, dazu bedarf es auch einer
genialen Begabung, etwa der eines Kainz, der die
Rolle in Wien gespielt. Herr Monard in seiner
gesunden Frische ersetzte das durch einen ungemein
sympathischen, liebenswürdigen Ton, und insbe¬
sondere die wirklich heiteren Momente, in denen
Herr Amadeus als echte Lustspielfigur er¬
ist, kommen
er leider nicht
scheint, die
machte die
Jedenfalls
vortrefflich heraus.
Leistung im ganzen einen durchaus günstigen Ein¬
druck und fügte sich gut in den völlig auf die
Natürlichkeit gestimmten Ton des Ensembles ein.
In anderen Rollen, deren Empfindungsgehalt nicht
nur geistreicher und absichtlicher Spielerei und
konstruierter Tragik entspringt, wird Herr Monard
beweisen müssen, wie weit seine Begabung über
die liebenswürdige Plauderkunst und einen
leichten Bonvivant=Humor hinausgehr. Was der
Herr Kapellmeister Adams an ernsten Dingen
zu sprechen und was er an seelischen Er¬
schütterungen auszudrücken hat, bleibt immer
Schauspielerei, und nur ein Darsteller ganz außer¬
gewöhnlichen Schlages kann in einigen Momenten
—
Die übrigen Neu¬
darüber hinwegtäuschen.
besetzungen der Vorstellung waren kaum der Rede
wert, denn sie betrafen völlig indifferente Rollen,
deren Wiedergabe denn auch jenseits von Gut und
Böse lag. — Die Leistung Irene Trieschs in der
komplizierten Figur der Frau Cäcilie Adams,
dieser merkwürdigen Gattin, die nach gegenseitiger
Uebereinkunft mit allem Anstand ein außerehe¬
liches Zwischenspiel durchlebt und dann nach einer
ehelichen Liebesnacht wieder freiwillig von dem
Herrn Gemahl scheidet in der heftigen Befürchtung,
weitere Zwischenspiele könnten bedenklicher ab¬
laufen, ist rühmlichst bekannt; ebenso der prächtige
Schriftsteller Albertus Rhon Emanuel Reichers
und Grunwalds sanftmütig=entsagungsvoll lieben¬
der Zwischenspieler mit dem schönen Namen
Sigismund, Füest von und zu. Maradas=Lohsen¬
stein. Das Publikum, dem der Amadeus des
Herrn Monard augenscheinlich wohlgefiel, er¬
freute sich an den vielen geistvollen Bemerkungen
des Dialogs und vermißte schmerzlich das Stück,
das doch eigentlich dazu gehörte. Die erkünstelt
tragische Schlußwendung der langen Auseinander¬
setzungen des Ehepaars Adams vermochte, wie bei
der Erst=Aufführung der Komödie, für den völligen
Mangel an dramatischen Geschehnissen nicht zu
entschädigen, die man selbst von einem Zwischen¬
spiel verlangt.