II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 426

20. Zuischenspiel
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hat. Innere Interessen sind da, die tausend¬
mal stärker sind als alles andere, äußerliche,
physiologische. Aber in dem bedeutungsvollen
Augenblicke, in dem die Erkenntnis, vor sich
selbst erschrocken, erwacht, daß das Band der
inneren Solidarität nicht da ist; in diesem
Augenblicke ist die Ehe gescheitert. Sie schei¬
tert an der inneren Unwahrheit. In diesem
Augenblicke ist sie vollständig wertlos, mag
sie nach außen noch so intakt und einwand¬
frei dastehen. Der Augenblick bedingt die
Notwendigkeit der Trennung, jedes weitere
Nebeneinander wäre trotz aller äußerlichen
Intaktheit entwürdigend, wäre eine Ehe
wie alle anderen.
Es ist ganz klar, daß dieses Sujet allein
abgesehen von der geistvollen Art Schnitz¬
lers, die es vollends durchgeistigt, mit hun¬
derterlei zarten, feuilletonistischen Reflexionen
gemütstief durchglüht hat: nicht eine Darstel¬
lung finden kann, die sich durch lauter Aeu¬
ßerlichkeiten in den gröbsten Widerspruch zum
Geiste der Dichtung stellt, die, statt innere Mo¬
tivierung, Seele, Wärme und Innigkeit auf¬
zuzeigen, verschwendet mit rein äußerlicher
Technik und stimmlichen Mitteln. Das hat die
gestrige Darstellung getan und ist somit nicht
zum Interpreten des Werkes geworden. Ja,
noch mehr! Sie hat das gerade Gegenteil von
dem getan, was im Willen des Dichters be¬
gründet ist. Sie hat z. B. im zweiten Akte,
dessen Hauptgewicht einzig und allein nur in
der Betonung des psychischen Momentes lie¬
gen kann, — Physiologisches betont. Alles
auf den Kopf gestellt! Die Regie hat hier
Schnitzler total mißverstanden. Röhrende Hir¬
sche, — nicht gemütsvolle Menschen, die vol¬
ler seelischer Impulse sind, wurden auf den
Plan gebracht. Das ist falsch. Das hat mit
Schnitzler nichts gemein. Die Szene könnte
ruhig geflüstert werden, und müßte doch wir¬
ken. Körperliches auszuarbeiten, wo es sich
nur um Seelisches handelt, — das heißt, an
diesem Werke ein sner fizio dell' itelleto be¬
gehen,
wie es brutaler nicht gedacht werden
kann. Besonders Herr Direktor Rübsam
scheint keinen guten Tag gehabt und unter
schweren, nervösen Affektationen gelitten zu
haben. Es ist unmöglich, dem Träger des
Grillparzerpreises ein „Wir tun uns lieben“
oder die Ungeschicklichkeit zuzumuten, sowohl
die Heldin als auch deren Stubenmädchen bei
ein und demselben Vornamen rufen zu las¬
sen. Es ist ferner unmöglich, daß aus der ed¬
len, durchaus chevaleresken Figur des Für¬
sten Sigismund, wie es gestern Herr Toni
Ferrari tat, ein feudaler Geck gemacht
wird, der — im Widerspruche zu seiner An¬
lehnung an die österreichische Pairskammer
in einem exotischen Akzente spricht. Ich prote¬
stiere gegen diese Verdrehung und habe die
resignationsvolle Pflicht, die gestrige Darstel¬
lung des Werkes entschieden abzulehnen.
Zum Benefize des Frl. Pepi Wender,
dem diese Premiere galt, hatte sich ein ausver¬
kauftes Haus eingefunden, das seinen tiefen
Sympathien zu der Benefiziantin in rauschen¬
den Beifallsovationen und einer duftigen
Fülle prachtvoller Blumenspenden enthusiasti¬
schen Ausdruck gab. Nicht unvergessen
soll
bleiben, daß Herr Musikdirektor Scholz der
Zwischenaktmusik durch die Ouverture
zu
Haendel's „Agrippina“ und zwei eigene Kom¬
positionen große musikalische Werte gegeben
hat.
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