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20. Zuischensniel
Telephon 12.801.
#
* „ODOEIIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand. Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehne Gewähr).
Ausschnitt aus
Berliner Morgenpost, Berlin
von3. SEP 1909
Theater, Kunftund
EWissenschaft
4
Schnitzlers „Zwischenspiel“
im Lessingtheater.
Arthur Schnitzlers feinste Komödic hat wenig Glück
auf dem Theater. Sie ist so ganz und gar auf ein
Zusammenwirken allererster Könner seinpsychologischer
Schauspielkunst gestellt, daß es in ganz Deutschland
ausschließlich Meisterbühnen geben müßte, sollten so
zartgetönte Szenen wie die des Zwischenspiels aller¬
orten die vielen Hörer finden, die sie verdienen.
Brahms Bühne hat ja ein sehr gut geschliffenes
Instrument für die kräftigeren Wirklichkeitskünste na¬
turalistischer Dramatik und einen vollendeten Stil
für die grüblerischen Künste Ibsens. Arthur Schnitz¬
lers weicherem, wienerisch=eleganterem Wesen hat sich
die Brahmbühne niemals so ganz und gar geschmiegt
und gefügt. Ein Rest von Härte blieb wohl immer.
Und dennoch: es gibt schwerlich ein anderes Theater,
das die Fülle Schnitzlers auch nur halb so erschöpfen
könnte wie die Spieler Brahms. Und
so
gefestet ist das Ensemble, daß es ihm gar
nichts anhat, wenn einer oder der andere Schauspieler
von dannen zieht. Es ist aber Stil im Hause und
Disziplin. Gestern gals wieder einmal eine fast
lückenlose Wiedergabe der entzückend feinen Kapell¬
meister=Komödie. Hein; Monnard, der neu
Eingetretene gab die Bassermannpartie des Amadeus.
Ver etwa zwei Jahren — so erinnere ich mich — hat
der aus München kommende Künstler in derselben
Rolle auf Engagement gastiert. Und gefiel gleich;
fügte sich erstaunlich leicht ins abgetönte Ensemble.
Aeußerlich Rittner ähmlich, doch viel weniger spröde,
auch liebenswürdiger, gestaltet er frisch. unbekümmert,
gut durchhacht, doch ohne die graue Spur der Tenk¬
arbeit. Der Künstler ist ein wirklicher Gewinn für
Brahm. Der gestrige Abend hat bestätigt, was das
Debüt vor zwei Jahren versprechen. Nur daß der
Künstler inzwischen noch reiser, ruhiger, auch reicher
im Ton geworden ist. Neben ihm stand Irene
Triesch als Cäcilie., Ganz meisterlich in der Füh¬
rung, des Dialegs und bis in die Fingerspitzen durch
seelt. Emanuel Reicher als hanswurstelnder
Peet und Raisonneur zeichnet die Figur mit sehr
ergötzlichem Humer. Wie würde er erst sowas spielen,
Denn er die Rolle gelernt hättk! Aber bel Brähmn“
gibts einen guten Souffleur. Soll ich nun noch wie¬
der betonen, daß Herr Stieler noch immer keinen
Wiener Aristokraten zeichnen kann? Und daß Fräu¬
lein Wüst eher das Zeug zu einer lustigen Kammer¬
zofe als zu einer eleganten Gräfin hat? Das sind
Mängel, die, wenn man will, nur Mängelchen sind,
die mit dem Kern der Vorstellung nichts zu schaffen
haben.
N. F.
Telephon 12.801.
„OBSERVER“
l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellonangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt außerliner Neueste Nachrichten
Lom-3. SEP 1999
Theater und Mustk.
(Siehe auch 2. Beilage.)
Lessing=Theater.
Neu einstudiert: Zwischenspiel, eine Komödie in
drei Akten von Arthur Schnitzler.
Ueber das Stück, das zuletzt im Dezember vor zwei Jah¬
ren an dieser Stelle wieder aufgefrischt worden war, ist neues
nicht zu sagen. Seine Logik wirkt auch in dieser dritten
Ausgabe nicht überzeugend, und lediglich die Art,
wie die Schauspieler des Lessing=Theaters die Zwischenspiele
einer Künstlerehe an uns herantragen, könnte zu einer
Diskussion führen, wenn nicht Irene Triesch wie damals
die Cäcilie und Heinz Monnard der Verwalter des
Bassermannschen Erbes, wie damals den Kapellmeister Ama¬
deus Adams gegeben hätte. — Am Packendsten gelang den
beiden die Auseinandersetzung im ersten Aufzuge, wie Ama¬
deus, der ohne sich recht darüber im Klaren zu sein, inner¬
lich seinem Weibe gegenüber bereits treulos geworden ist,
Schritt um Schritt der Katastrophe zustrebt, die Cäcilie durch
ihr Schweigen und ihr Gehen=lassen beschleunigt. Da lag es
wie eine Beklemmung über dem weiten Zuschauerraum, und
erst das grelle Licht des Zwischenaktes löste die Spannung,
die dieser elegante, haarscharfe Gang zwischen den beiden
Gatten erweckt hatte.
Irene Triesch spielte noch diffe¬
renzierter als sonst, und die Sprache ihrer Augen, das Zucken
des Mundes, das Beben der Hände — das ales einie sich
mit dem Worte, das nuancenreich aus ihrem Herzen quoll,
zu einer schauspielerischen Leistung, die über jedes Lob er¬
haben war ...
Heinz Monnard war mehr klug als warm, sein Spiel
mehr konstruiert als lebendig. Dabei von einer zappelnden
Nervosität, die Hier bis zu einem gewissen Grade zwar am
Platze ist, aber doch nicht beherrschend über der Rolle stehen
soll ... Eine Anmerkung noch — ich gehe auf eine Wür¬
digung Emanuel Reichers als Albertus Rhon nicht näher
ein, da ich sonst allzu sehr die Mitwirkung des Souffleur¬
kastens betonen müßte! — eine Anmerkung noch: ist es schon
im gemeinen Le#en gräßlich, wenn ein Mensch in unserer
Nachbarschaft nicht anständig essen kann und ebenso andauernd
wie unlieblich kaut und spricht, so ist es geradezu peinlich,
wenn auf der Bühne des Lessing=Theaters ein Schauessen
veranstaltet wird, das uff. uff. Regisseur!!
I—f B—n.
e
—
20. Zuischensniel
Telephon 12.801.
#
* „ODOEIIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand. Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ehne Gewähr).
Ausschnitt aus
Berliner Morgenpost, Berlin
von3. SEP 1909
Theater, Kunftund
EWissenschaft
4
Schnitzlers „Zwischenspiel“
im Lessingtheater.
Arthur Schnitzlers feinste Komödic hat wenig Glück
auf dem Theater. Sie ist so ganz und gar auf ein
Zusammenwirken allererster Könner seinpsychologischer
Schauspielkunst gestellt, daß es in ganz Deutschland
ausschließlich Meisterbühnen geben müßte, sollten so
zartgetönte Szenen wie die des Zwischenspiels aller¬
orten die vielen Hörer finden, die sie verdienen.
Brahms Bühne hat ja ein sehr gut geschliffenes
Instrument für die kräftigeren Wirklichkeitskünste na¬
turalistischer Dramatik und einen vollendeten Stil
für die grüblerischen Künste Ibsens. Arthur Schnitz¬
lers weicherem, wienerisch=eleganterem Wesen hat sich
die Brahmbühne niemals so ganz und gar geschmiegt
und gefügt. Ein Rest von Härte blieb wohl immer.
Und dennoch: es gibt schwerlich ein anderes Theater,
das die Fülle Schnitzlers auch nur halb so erschöpfen
könnte wie die Spieler Brahms. Und
so
gefestet ist das Ensemble, daß es ihm gar
nichts anhat, wenn einer oder der andere Schauspieler
von dannen zieht. Es ist aber Stil im Hause und
Disziplin. Gestern gals wieder einmal eine fast
lückenlose Wiedergabe der entzückend feinen Kapell¬
meister=Komödie. Hein; Monnard, der neu
Eingetretene gab die Bassermannpartie des Amadeus.
Ver etwa zwei Jahren — so erinnere ich mich — hat
der aus München kommende Künstler in derselben
Rolle auf Engagement gastiert. Und gefiel gleich;
fügte sich erstaunlich leicht ins abgetönte Ensemble.
Aeußerlich Rittner ähmlich, doch viel weniger spröde,
auch liebenswürdiger, gestaltet er frisch. unbekümmert,
gut durchhacht, doch ohne die graue Spur der Tenk¬
arbeit. Der Künstler ist ein wirklicher Gewinn für
Brahm. Der gestrige Abend hat bestätigt, was das
Debüt vor zwei Jahren versprechen. Nur daß der
Künstler inzwischen noch reiser, ruhiger, auch reicher
im Ton geworden ist. Neben ihm stand Irene
Triesch als Cäcilie., Ganz meisterlich in der Füh¬
rung, des Dialegs und bis in die Fingerspitzen durch
seelt. Emanuel Reicher als hanswurstelnder
Peet und Raisonneur zeichnet die Figur mit sehr
ergötzlichem Humer. Wie würde er erst sowas spielen,
Denn er die Rolle gelernt hättk! Aber bel Brähmn“
gibts einen guten Souffleur. Soll ich nun noch wie¬
der betonen, daß Herr Stieler noch immer keinen
Wiener Aristokraten zeichnen kann? Und daß Fräu¬
lein Wüst eher das Zeug zu einer lustigen Kammer¬
zofe als zu einer eleganten Gräfin hat? Das sind
Mängel, die, wenn man will, nur Mängelchen sind,
die mit dem Kern der Vorstellung nichts zu schaffen
haben.
N. F.
Telephon 12.801.
„OBSERVER“
l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellonangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt außerliner Neueste Nachrichten
Lom-3. SEP 1999
Theater und Mustk.
(Siehe auch 2. Beilage.)
Lessing=Theater.
Neu einstudiert: Zwischenspiel, eine Komödie in
drei Akten von Arthur Schnitzler.
Ueber das Stück, das zuletzt im Dezember vor zwei Jah¬
ren an dieser Stelle wieder aufgefrischt worden war, ist neues
nicht zu sagen. Seine Logik wirkt auch in dieser dritten
Ausgabe nicht überzeugend, und lediglich die Art,
wie die Schauspieler des Lessing=Theaters die Zwischenspiele
einer Künstlerehe an uns herantragen, könnte zu einer
Diskussion führen, wenn nicht Irene Triesch wie damals
die Cäcilie und Heinz Monnard der Verwalter des
Bassermannschen Erbes, wie damals den Kapellmeister Ama¬
deus Adams gegeben hätte. — Am Packendsten gelang den
beiden die Auseinandersetzung im ersten Aufzuge, wie Ama¬
deus, der ohne sich recht darüber im Klaren zu sein, inner¬
lich seinem Weibe gegenüber bereits treulos geworden ist,
Schritt um Schritt der Katastrophe zustrebt, die Cäcilie durch
ihr Schweigen und ihr Gehen=lassen beschleunigt. Da lag es
wie eine Beklemmung über dem weiten Zuschauerraum, und
erst das grelle Licht des Zwischenaktes löste die Spannung,
die dieser elegante, haarscharfe Gang zwischen den beiden
Gatten erweckt hatte.
Irene Triesch spielte noch diffe¬
renzierter als sonst, und die Sprache ihrer Augen, das Zucken
des Mundes, das Beben der Hände — das ales einie sich
mit dem Worte, das nuancenreich aus ihrem Herzen quoll,
zu einer schauspielerischen Leistung, die über jedes Lob er¬
haben war ...
Heinz Monnard war mehr klug als warm, sein Spiel
mehr konstruiert als lebendig. Dabei von einer zappelnden
Nervosität, die Hier bis zu einem gewissen Grade zwar am
Platze ist, aber doch nicht beherrschend über der Rolle stehen
soll ... Eine Anmerkung noch — ich gehe auf eine Wür¬
digung Emanuel Reichers als Albertus Rhon nicht näher
ein, da ich sonst allzu sehr die Mitwirkung des Souffleur¬
kastens betonen müßte! — eine Anmerkung noch: ist es schon
im gemeinen Le#en gräßlich, wenn ein Mensch in unserer
Nachbarschaft nicht anständig essen kann und ebenso andauernd
wie unlieblich kaut und spricht, so ist es geradezu peinlich,
wenn auf der Bühne des Lessing=Theaters ein Schauessen
veranstaltet wird, das uff. uff. Regisseur!!
I—f B—n.
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