II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 448

20. Zuischensp1e-
box 25/5
Vertretungen:
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis,
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus
eipziger Neueste Nachrichter
4. 95¼ 1912
vom:
f- SSchnliane „hwischensolet im Abniglichen Schansptelhaunfe mn

amm unserer Dresdner Redaktion.)
Der Meister der Poesie des Junggesellentums und des Milieus der
Wiener Süßen Mädel hat sich in dieser nun schon sechs Jahre alten
Komödie in den Bereich der Ehe begeben. Und er hat das mit nicht
viel Glück getan. Vielleicht gerade deshalb nicht, weil er Klänge aus
der Welt der freien Liebelei in die Akkorde des strengeren Eheprobiems
zu mischen suchte. Wenn er in jenen Stücken, die ihm auch seine
besten Erfolge gebracht haben, einer ernsten Trennung eine Träne
nachweint, dann liegt das Gold der einen Poesie über dieser Träne,
und die Wärme, die von seinem Empfinden ausstrahlt, macht ihn dann
als Mensch und Dichter gleich sympathisch. Ein ganz anderer ist er,
wenn er geistreich wird und reflektierend sich in Probleme vertieft,
die in das Ibsensche Lager gehören. Dann wird er kalt, ohne immer
geistvoll zu sein, und in dem Bereiche seiner Dichtung kommt man sich
vor, wie im Winter in einem Zimmer, in dem das Feuer ausgegangen
ist. Das ungefähr war auch die Stimmung, die über der Sonntags¬
aufführung im Königlichen Schauspielhause lag. Die Vorstellung war
vortrefflich vorbereitet und bot in den Hauptrollen eine Anzahl her¬
vorragend barstellerischer Leistungen. Indessen besriedigte das Stück
als solches nicht, und der Zuschauer ist schließlich nur damit einver¬
standen, daß der Dichter wenigstens eine literarische Lösung gefunden
hat, wenn er den Helden des Stückes die Haltlosigkeit seiner Ideen
erkennen läßt, sobald die letzteren ihm von anderer Seite her in Vor¬
schlag gebracht werden. Der Kapellmeister Adams und seine Gattin,
die Sängerin Cäcilie Ortenburg, sind unter dem Bann einer großen
Liebe ein Paar geworden. Als die Leidenschaft verrauscht, aber die
Ehe geblieken ist, beschließen beide eine Trennung, bei der äußerlich
indessen alles beim Alten bleiben soll. Frei sollen beide sein, und nur
insofern soll eine Gemeinschaft sein, als sie als Freunde für das Leben
kein Geheimnis voreinander haben wollen. Diese gute Kameradschaft
soll alles verstehen, alles billigen, alles überbrücken. Indessen, diese
gute Kameradschaft versagt, sobald eine junge Durchlaucht sich der
Künstlerin nähert, sie heiraten will, und dem früheren Ehegatten er¬
laubt, die geistige Freundschaft mit der Gattin im Hause des neuen
Heims der Frau zu pflegen. Hier ist das Stück zu Ende. Daß der
Dichter noch allerhand Fragen dialektisch zu lösen sucht, geschieht auf
Rosten der Bühnenwirksamkeit, ohne dem Problem als solchem zu
„naßen. Der Effekt war denn auch in dem sehr zaghaften und spär¬
lichen Schlußapplaus zu erkennen. Darstellerisch war alles vorzüglich.
Hermine Körner und Theodor Beiter, als Vertreter der Hauptrollen,
K
Seite 8.

gerieten psychologisch überall in die Tiefe, und Lothar Mehnert als
Schriftsteller John in einer täuschend guten Schnitzlermaske, ließ sich
keine Gelegenheit entgehen, die komischen Pointen des Stückes mit der
ihm eigenen Gewandtheit zu servieren.
Dr. Ludwig Weber.
e, Kn., ui Pranleisco, Stockhoim, St. Peters¬
burg, Toronto.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt lausssener Nachriehe
4. 940½ 191
vom:
Kunst und Wissenschaft.
Zwischenspiel,
Komödic in drei Akten von Reh#chitzlor.—
(Erstaufführung im Königl. Schauspielhauft!
Eine Variante des Falles Nora und Hellmer ins
Musikalische und spezifisch Schnitzlersche übertragen ist das
„Zwischenspiel“ Eine Komödie nennt der Dichter dieses
Bühnenwerk, aber die tragischen Unterströmungen sind doch
so stark, daß der Begriff Komödie nicht recht zutreffend er¬
scheint — oder lag es am Spiel der Darsteller, daß man der
Tragik oft ganz nahegerückt wurde. Im Grunde scheiden
die Opernsängerin Cäcilie Adams=Ortenburg und ihr
Gatte, der Komponist Amadeus Adams, voneinander, weil
er ihr Tiefstes und Bestes nicht verstanden hat. Als er zu
begreifen anfängt, ist es zu spät, da sie innerlich den Schritt
vollzogen hat — saat sie. Schnitzler gibt einen Fall, wie
er ihn zu kogstruieren und=der schönen Menschlichleit seiner
Empfindungen auszustatten liebt. Das musikalische Ehe¬
paaar hat sieben Jahr in einer Ehe gelebt, die in das helle
Licht vollster Aufrichtigkeit gestellt war und durchaus glück¬
lich schien. Sie sagen sich schlechterdings alles, Frau Cäcilie
ist über die Seitensprünge ihres Gatten unterrichtet, Kom¬
ponist Amadeus glaubt an die Schuld seines Weibes, die,
angeblich zu dem Fürsten Sigismund in nahen Beziehun¬
gen steht. Auf der Basis dieser gegenseitigen Kenntnis be¬
schließen diese beiden Menschen, die sich künstlerisch in der
wundervollsten Weise ergänzen, aufrichtige, treue Freunde
zu werden, ohne Anlaß zu mehr. Der Zuschauer nimmt
an den leisen Seelenkämpfen Frau Cäciliens teil, von
denen Amadens Adams keine blasse Ahnung hat. Als die
Künstlerin von einem Gastspiel in Berlin, an Erfolgen
und inneren Erlebnissen reich, in ihr Heim zurückkehrt, er¬
scheint sie dem Gatten so ganz gewandelt, so neu und ver¬
lockend, daß er sie in aufblühender Leidenschaft bestürmt
und den idealen Freundschaftsbund bricht. Für sie ist dieses
letzte Zusammensein in Seligkeit eine Abschiedsfeier. An¬
deren Tages wird es ihr innerlich klar, daß ein weiteres
Miteinanderleben in reiner Luft für die nächste Zeit un¬
möglich ist. Er aber glaubt sich sicher in ihrem Besitz und
jubelt, besonders, nachdem er aus dem Munde des Fürsten
erfahren hat, daß er zur großen, wild tobenden Eifersucht
keinen Anlaß hat. Cäcilic geht, weil sie gehen muß, wie
Nora ging, aber eins bleibt unwahrscheinlich: diese Ab¬
schiedsfeier in Seligkeit. Der Versuch hätte als Antrieb zu
ihrem Entschluß schon genügt. Im Sinne eines höheren
seineren Schuldbeuriffs waren beide schuldig, und auf dem
Boden einer gemeinsamen Schuld könnte neues Verständ¬
nis erwachsen. Aber Cäcilie, die sich über alle Dinge so
unheimlich klat ist, und darüber reden kann, wie Arthur#
Schnitzler in seinen besten Augenblicken, geht, um sich selber
treu zu bleiben. Amadens Adams wird durch den großen
Schmerz, den er infolge seiner naiven selbstsüchtigen
Lebensführung ertragen muß, die Note erhalten, die Mensch
lund Künstler noch bedurften. Das seelische Drama der
beiden, die als Freunde sich „alles“ sagen wollten, wird von
Ironie umkränzt, deren Träger der feine, kluge Dichter
Albertus Rhon mit den Zügen von Arthur Schnitzler ist.
Der liebe Wiener Poet, dessen leise behutsame Art sinn¬
und seelenverwandte Menschen so rasch einfängt, gibt auch
in diesem Zwischenspiel mit der tragischen Unterströmung
lviel Feines und Zartes. Als Seelenkenner von
gerühmtem psychologischen Scharfblick kennt er sich über
zu
Menschen
der
die delikatesten Beziehungen
manchmal
sich
verrät
er
aber
einander
aus,
als Puppenspieler und wird in der Betrachtung seelischen
Zustände oft ein bißchen breit und umständlich. Selbst ein
Dialog, so geschliffen, wie dieser, so innig zart und tief,
kann ermüden, wenn er tempolos in breitem Fluß
dichterische Gabe,
Die seltene und echt
dahinzieht.
mit wenigen Strichen und Tönen seinen Gestalten ein
reiches, individuelles Gepräge zu verleihen, tritt auch hier
zutage. Ein Schluß seiner Lebensweisheit: wir alle
wissen nicht, wer wir sind, welche Möglichkeiten in uns
schlummern, beherricht auch hier eindringlich die Stimmung.
Letzte Bitterkeiten und Härten liegen nicht in Schnitzlers
Natur — Wunden schließen sich, Lehen und Zeit glätten —,
und wenn sich Komponist Amadeus Adams und Opern¬
sängerin Cäcilie Adams Offenbarung einmal wiederfinden¬
auf einer neuen Grundlage, so ist das „Zwischenspiel“ am
Ende doch nur eine Komödie. Die Zuschauer wird es herz¬
lich freuen; denn sie haben zu den beiden Menschen inner¬
lich aufrichtig und mit Gefühl Stellung genommen. Schnitz¬
ler ist als Poet in einer lanten, oft recht unerfreulichen
Zeit eine so sympathische Erscheinung, daß man ihr gern
auch in den zarten, wenn auch dramatisch etwas matten
Emanationen seines Talents begegnet.
Die Aufführung war unter Ernst Lewingers
Regie mit voller Berücksichtigung der eigentümlichen inne¬
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##. Ugmödie vorbereitet; vielleicht hatte