20. Zuischenspie-
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angeblich zu dem Fürsten Sigismund in nahen Beziehnn¬
gen steht. Auf der Basis dieser gegenseitigen Kenntuis be¬
schließen diese beiden Menschen, die sich künstlerisch in der
wundervollsten Weise ergänzen, aufrichtige, treue Freunde
zu werden, ohne Anlaß zu mehr. Der Zuschauer nimmt
an den leisen Seelenkämpfen Frau Cäciliens teil, von
denen Amadens Adams keine blasse Ahnung hat. Als die
Künstlerin von einem Gastspiel in Berlin, an Erfolgen
und inneren Erlebnissen reich, in ihr Heim zurückkehrt, er¬
scheint sie dem Gatten so ganz gewandelt, so neu und ver¬
lockend, daß er sie in aufblühender Leidenschaft bestürmt
und den idealen Freundschaftsbund bricht. Für sie ist dieses
letzte Zusammensein in Seligkeit eine Abschiedsfeier. An¬
deren Tages wird es ihr innerlich klar, daß ein weiteres
Miteinanderleben in reiner Luft für die nächste Zeit un¬
möglich ist. Er aber glaubt sich sicher in ihrem Besitz und
jnbelt, besonders, nachdem er aus dem Munde des Fürsten
erfahren hat, daß er zur großen, wild tobenden Eifersucht
keinen Anlaß hat. Cäcilie geht, weil sie gehen muß, wie
Nora ging, aber eins bleibt unwahrscheinlich: diese Ab¬
schiedsfeier in Seligkeit. Der Versuch hätte als Antrieb zu
ihrem Entschluß schon genügt. Im Sinne eines höheren
feineren Schuldbegriffs waren beide schuldig, und auf dem
Boden einer gemeinsamen Schuld könnte neues Verständ¬
nis erwachsen. Aber Cäcilie, die sich über alle Dinge so
nnheimlich klat ist, und darüber reden kann, wie Arihne
Schnitzler in seinen besten Augenblicken, geht, um sich selber
treu zu bleiben. Amadeus Adams wird durch den großen
Schmerz, den er infolge seiner naiven selbstsüchtigen
Lebensführung ertragen muß, die Note erhalten, die Mensch
und Künstler noch bedurften. Das seelische Drama der
beiden, die als Freunde sich „alles“ sagen wollten, wird von
Ironie umkränzt, deren Träger der feine, kluge Dichter
Albertus Rhon mit den Zügen von Arthur Schnitzler ist.
Der liebe Wiener Poet, dessen leise behutsame Art sinn¬
und seelenverwandte Menschen so rasch einfängt, gibt auch
in diesem Zwischenspiel mit der tragischen Unterströmung
viel Feines und Zartes. Als
Seelenkenner von
gerühmtem psychologischen Scharfblick kennt er sich über
der
die delikatesten Beziehungen
Menschen
zu
einander
er verrät
aus, aber
sich
□
manchmal
als Puppenspieler und wird in der Betrachtung seelischer
Zustände oft ein bißchen breit und umständlich. Selbst ein
Dialog, so geschlifsen, wie dieser, so innig zart und tief,
kann ermüden, wenn er tempolos in breitem Fluß
3
dahinzieht.
seltene und echt dichterische Gabe,
mit wenigen Istrichen und Tönen seinen Gestalten ein
reiches, indivi# telles Gepräge zu verleihen, tritt auch hier
zutage. Ein Schluß seiner Lebensweisheit: wir alle
wissen nicht, we. wir sind, welche Möglichkeiten in uns
schlummern, beherricht auch hier eindringlich die Stimmung.
Letzte Bitterkeiten und Härten liegen nicht in Schnitzlers
Natur — Wunden schließen sich, Lehen und Zeit glätten —,
und wenn sich Komponist Amadeus Adams und Opern¬
sängerin Cäcilie Adams Offenbarung einmal wiederfinden
auf einer neuen Grundlage, so ist das „Zwischenspiel“ am
Ende doch nur eine Komödie. Die Zuschauer wird es herz¬
lich freuen; denn sie haben zu den beiden Menschen inner¬
lich aufrichtig und mit Gefühl Stellung genommen. Schnitz¬
ler ist als Poet in einer lauten, oft recht unerfreulichen
Zeit eine so sympathische Erscheinung, daß man ihr gern
auch in den zarten, wenn auch dramatisch etwas matten
Emanationen seines Talents begegnet.
Die Aufführung war unter Ernst Lewingers!
Regie mit voller Berücksichtigung der eigentümlichen inne¬
ren Stimmung der Komödie vorbereitet; vielleicht hatte
er manchmal eine zu auffällige Verbreiterung des ohnehin
langsamen Tempos durchgehen lassen. Schnitzler liebt ja#
die halben Töne, das Leise, das erraten sein will; erst das
Erleben seiner Gestalten durch die Schauspieler bringt auf
dem Theater die volle Wirkung hervor.
Fast ebenso
wichtig, als die Beherrschung des eigenen Parts, ist die
Kunst des Zuhörens gerade, weil die geistigen Schwin¬
gungen zwischen den Schnitzlerschen Menschen in fort¬
währender Vibration sind. Diese Kunst besitzt Hermine
Sie lebte mit.
Körner in ganz hervorragender Weise.
dem Pariner und gab von Eigenem Starkes und Ge¬
reiftes. Van hat diese aus dem Fluidum des Werkes her¬
aus geborene Darstellungskunst schon oft an ihr bewundern
können. Thcodor Becker fehlte für den Amadeus
der Komödienzug der naiven Selbstzucht, die nicht fühlt,
was um ihn herum vorgeht, aber er wirkte als inter¬
essante Erscheinung und war in dem leidenschaftlichen Höhe¬
punkt des zweiten Aktes selbst auf der Höhe. Später sank
die Gestaltung wieder, eigentlich von dem Augenblicke an,
wo der Dichter seinen Helden beginnt im Stiche zu lassen.
Lothar Mehnert bot in dem Dichter Albertus Rhon
eine jener Wirtlichkeitsgestalten, die sich sofort einprägen
und auch nach Schluß des Theaterabends lebendig bleiben.
Den Fürsten Sigismund gab Alexander Wierth mit
höchster künstlerischer Delikatesse als Aristokraten im
äußeren und inneren Wesen — der Szenenbeifall gehörte
dieser wundervollen Leistung. Zwei für das Milien wich¬
tige Frauenrollen gaben Clara Salbach und Alice
Verden in reifer, fesselnder Darstellung. Ein mögliches
Theaterkind ist die kleine Aliee Liebeskind, die ihre Sache
recht hübsch machte., Angenehm wirkte Mary Holm als
Fräulein. —
Das Puhlikum gewann Teilnahme für die
Angelegenheit des 'musikalischen Ehepaares und drückte
diese Teilnahme durch freundlichen Beifall aus.
DarPaT.
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angeblich zu dem Fürsten Sigismund in nahen Beziehnn¬
gen steht. Auf der Basis dieser gegenseitigen Kenntuis be¬
schließen diese beiden Menschen, die sich künstlerisch in der
wundervollsten Weise ergänzen, aufrichtige, treue Freunde
zu werden, ohne Anlaß zu mehr. Der Zuschauer nimmt
an den leisen Seelenkämpfen Frau Cäciliens teil, von
denen Amadens Adams keine blasse Ahnung hat. Als die
Künstlerin von einem Gastspiel in Berlin, an Erfolgen
und inneren Erlebnissen reich, in ihr Heim zurückkehrt, er¬
scheint sie dem Gatten so ganz gewandelt, so neu und ver¬
lockend, daß er sie in aufblühender Leidenschaft bestürmt
und den idealen Freundschaftsbund bricht. Für sie ist dieses
letzte Zusammensein in Seligkeit eine Abschiedsfeier. An¬
deren Tages wird es ihr innerlich klar, daß ein weiteres
Miteinanderleben in reiner Luft für die nächste Zeit un¬
möglich ist. Er aber glaubt sich sicher in ihrem Besitz und
jnbelt, besonders, nachdem er aus dem Munde des Fürsten
erfahren hat, daß er zur großen, wild tobenden Eifersucht
keinen Anlaß hat. Cäcilie geht, weil sie gehen muß, wie
Nora ging, aber eins bleibt unwahrscheinlich: diese Ab¬
schiedsfeier in Seligkeit. Der Versuch hätte als Antrieb zu
ihrem Entschluß schon genügt. Im Sinne eines höheren
feineren Schuldbegriffs waren beide schuldig, und auf dem
Boden einer gemeinsamen Schuld könnte neues Verständ¬
nis erwachsen. Aber Cäcilie, die sich über alle Dinge so
nnheimlich klat ist, und darüber reden kann, wie Arihne
Schnitzler in seinen besten Augenblicken, geht, um sich selber
treu zu bleiben. Amadeus Adams wird durch den großen
Schmerz, den er infolge seiner naiven selbstsüchtigen
Lebensführung ertragen muß, die Note erhalten, die Mensch
und Künstler noch bedurften. Das seelische Drama der
beiden, die als Freunde sich „alles“ sagen wollten, wird von
Ironie umkränzt, deren Träger der feine, kluge Dichter
Albertus Rhon mit den Zügen von Arthur Schnitzler ist.
Der liebe Wiener Poet, dessen leise behutsame Art sinn¬
und seelenverwandte Menschen so rasch einfängt, gibt auch
in diesem Zwischenspiel mit der tragischen Unterströmung
viel Feines und Zartes. Als
Seelenkenner von
gerühmtem psychologischen Scharfblick kennt er sich über
der
die delikatesten Beziehungen
Menschen
zu
einander
er verrät
aus, aber
sich
□
manchmal
als Puppenspieler und wird in der Betrachtung seelischer
Zustände oft ein bißchen breit und umständlich. Selbst ein
Dialog, so geschlifsen, wie dieser, so innig zart und tief,
kann ermüden, wenn er tempolos in breitem Fluß
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dahinzieht.
seltene und echt dichterische Gabe,
mit wenigen Istrichen und Tönen seinen Gestalten ein
reiches, indivi# telles Gepräge zu verleihen, tritt auch hier
zutage. Ein Schluß seiner Lebensweisheit: wir alle
wissen nicht, we. wir sind, welche Möglichkeiten in uns
schlummern, beherricht auch hier eindringlich die Stimmung.
Letzte Bitterkeiten und Härten liegen nicht in Schnitzlers
Natur — Wunden schließen sich, Lehen und Zeit glätten —,
und wenn sich Komponist Amadeus Adams und Opern¬
sängerin Cäcilie Adams Offenbarung einmal wiederfinden
auf einer neuen Grundlage, so ist das „Zwischenspiel“ am
Ende doch nur eine Komödie. Die Zuschauer wird es herz¬
lich freuen; denn sie haben zu den beiden Menschen inner¬
lich aufrichtig und mit Gefühl Stellung genommen. Schnitz¬
ler ist als Poet in einer lauten, oft recht unerfreulichen
Zeit eine so sympathische Erscheinung, daß man ihr gern
auch in den zarten, wenn auch dramatisch etwas matten
Emanationen seines Talents begegnet.
Die Aufführung war unter Ernst Lewingers!
Regie mit voller Berücksichtigung der eigentümlichen inne¬
ren Stimmung der Komödie vorbereitet; vielleicht hatte
er manchmal eine zu auffällige Verbreiterung des ohnehin
langsamen Tempos durchgehen lassen. Schnitzler liebt ja#
die halben Töne, das Leise, das erraten sein will; erst das
Erleben seiner Gestalten durch die Schauspieler bringt auf
dem Theater die volle Wirkung hervor.
Fast ebenso
wichtig, als die Beherrschung des eigenen Parts, ist die
Kunst des Zuhörens gerade, weil die geistigen Schwin¬
gungen zwischen den Schnitzlerschen Menschen in fort¬
währender Vibration sind. Diese Kunst besitzt Hermine
Sie lebte mit.
Körner in ganz hervorragender Weise.
dem Pariner und gab von Eigenem Starkes und Ge¬
reiftes. Van hat diese aus dem Fluidum des Werkes her¬
aus geborene Darstellungskunst schon oft an ihr bewundern
können. Thcodor Becker fehlte für den Amadeus
der Komödienzug der naiven Selbstzucht, die nicht fühlt,
was um ihn herum vorgeht, aber er wirkte als inter¬
essante Erscheinung und war in dem leidenschaftlichen Höhe¬
punkt des zweiten Aktes selbst auf der Höhe. Später sank
die Gestaltung wieder, eigentlich von dem Augenblicke an,
wo der Dichter seinen Helden beginnt im Stiche zu lassen.
Lothar Mehnert bot in dem Dichter Albertus Rhon
eine jener Wirtlichkeitsgestalten, die sich sofort einprägen
und auch nach Schluß des Theaterabends lebendig bleiben.
Den Fürsten Sigismund gab Alexander Wierth mit
höchster künstlerischer Delikatesse als Aristokraten im
äußeren und inneren Wesen — der Szenenbeifall gehörte
dieser wundervollen Leistung. Zwei für das Milien wich¬
tige Frauenrollen gaben Clara Salbach und Alice
Verden in reifer, fesselnder Darstellung. Ein mögliches
Theaterkind ist die kleine Aliee Liebeskind, die ihre Sache
recht hübsch machte., Angenehm wirkte Mary Holm als
Fräulein. —
Das Puhlikum gewann Teilnahme für die
Angelegenheit des 'musikalischen Ehepaares und drückte
diese Teilnahme durch freundlichen Beifall aus.
DarPaT.