20. Zuischensniel
box 25/5
Ausschnitt aus:
Sein
Mlegenausgabe
vom:
Frankfurter Theater.
Frankfurt a. M., 3. September.
Im Zeichen Schnitzlers begann das Neue
[Theater seine Saison=Man kannte das „Zwischen¬
spiel“ bisher auf der Frankfurter Bühne nicht, auch
nicht die Art des Dichters, ein Capriccio aus elegischem
Pathos zu schaffen. Der Darsteller findet schwer den
Stil.
Zu viel tragischer Ernst macht das Stück
problematischer, als es gedacht ist. Die sentimentale
Note trat bei der von Dr. Pfeiffer sehr geschmack¬
voll inszenierten hiesigen Aufführung in den Haupt¬
[gestalten in den Vordergrund und verschob etwas
den Charakter der Komödie. Doch bildeten Direktor
[Hellmers Fürst und Großmanns Dichter in
der Schnitzlermaske, beide mit feiner diskreter Komi',
ein Gegengewicht. Hertha v. Hagen vom Münchener
Hoftheater spielte die Cäcilie. Mit vornehmen Mitteln
und überzeugender Innerlichkeit schuf sie eine stark
fesselnde Frauengestalt. Auch Richard Senius als
Amadeus war gefühlsstark und wahr in der Leiden=
(Quellenangsberohne Dewähr.)
schaft. Der Beifall war lebhaft.
sschnitt aus:
firter Zeite.
m:
60
dern aus der lustverknüpften Ungewißheit des leidenschaft¬
Frankfurter
lichen Abenteuers stammt, ihr die schmerzliche Klarheit, daß
Neues Theater.
es nur eines gibt: auseinandergehen. So bleibt uns eine ziem¬
Arthur Schnitzler: „Das Zwischenspiel“. — Erst¬
lich bittere Moral zurück: gehorcht der Mann seiner Zwei¬
welten=Natur in aller Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gegenüber
fführung am 2. September.
seinem Ehepartner, so verletzt er damit die Frau, deren Nakur
Es kommt ganz auf den Standpunkt en. Steht man mitten
solches Doppeldasein fremd ist, fast noch mehr, als wenn er
drinnen, dann ist's eine dumme und traurige Sache, dieses
ihr seine Nebensonnen verheimlicht. Er stellt außerdem, wenn
Aneinandervorbeileben der Menschen Sieht man's aus der
er in seiner theoretischen Gerechtigkeit so weit geht, ihr das
Vogel= oder gar Luftschiffperspektive, dann ist's auch dumm,
gleiche Recht wie sich selbst einzuräumen, beide vor ein
aber zum lachen. Unsere Dichter haben heute keinen Stand¬
Prohlem, dem er nicht gewachsen ist, weil (und hier steckt die
hunkt. Auch sie sind Relativisten geworden. Und vielleicht
Komödie!) seine eifersüchtige Paschanatur seine Theorie prak¬
ist dieser Relativismus, dies Empfinden für die schillernde,
tisch immer wieder über den Haufen werfen wird, — und dem
durch die jeweilige Ansicht bedingte Natur des Daseins eine
sie nicht gewachsen ist, weil für sie im Grunde die Freiheit
der wenigen Selbständigkeiten unserer Zeit. S. gesehen ist
der Sinne unvereinbar ist mit der Gebundenheit der ehelichen
Schnitzler durchaus Repräsentant, durchaus „Zeitgenosse“
Gemeinschaft.
Er hat das Verstehen zu seinem Metier gemacht. Und er übt
Schnitzlers „Komödien“ sind darum so schwer zu spielen,
es mit Meisterschaft aus. Er kommt nie von der dealen
weit sie keine sind. Weil aber auch das heimlich Tragische bei
Forderung, sondern immer von der realen Bedingtheit her.
ihnen nie sich tragödienhaft äußern darf. Frl. v. Hagen!
Die stimmt ihn bald traurig, bald heiter, zumeist aber beides
vom Münchner Hoftheater, die als Frau Adams=Ortenbach
zugleich.
gastierte, vermied das Tragödienhafte nicht immer, und von Zeit
Diesem Kapellmeister Adams ist die Untreue gegen seine
zu Zeit spürte man etwas zu stark den Pathos hoftheatrali¬
Frau nur ein „Zwischenspiel“, nur ein Ausflug. Er
schen Erschüttertseins. Aber davon abgesehen war vieles be¬
ist seelisch monogam, möchte aber gerade darum seine Ehe im
wunderungswürdig gestaltet; so vor allem die veränderte Hal¬
übrigen auf den Begriff der gegenseitigen Freiheitsgewährung
tung ihrem Manne gegenüber nach der ersten längeren Tren¬
aufgebaut wissen. Im Grunde aber nur als Freiheit für
nung: wie aus jeder Nüance, aus jeder Bewegung eine andere
ihn, denn mit dem theoretisch ausgestellten Erlaubnisschein
Frau sprach, eine, die sich innetuch losgelöst hatte, die nicht
verbindet sich in praxi heftigste Eifersucht. Das feinere kör¬
mehr aus der Sicherheit der einen Liebe, sondern aus der Un¬
perliche Gewissen der Frau wird durch die abrupte Art, mit
ruhe ihres Blutes zu leben beschlossen hat, der das momen¬
der der Herr und Gemahl das Eheverhältnis in ein Freund¬
tane Aufflammen der Leidenschaft zwischen ihr und ihrem
schaftsverhältnis verwandeln möchte, verletzt. Sie reißt sich
Manne wie ein Unrecht an ihrem einstigen Gefühle dünkt
schmerzlich von dem bisherigen Gefühl des Gebunden= und
und nur als ein wehmütiges, aber zugleich den Schmerz mil¬
Geborgenseins, das ihr den stärksten Schutz gegen moment¬
derndes letztes Abschiednehmen eine Art von Berechtigung er¬
weise aufsteigende Wünsche und Begehrungen gewährte, los.
hält. Herr Senius gab den in seiner Männlichkeit be¬
Man trennt sich den Sommer über. Der Gatte kehrt nach
fangenen Künstlergatten mit viel Wärme und Schwung.
Absolvierung seiner Ferienabenteuer unverwandelt zurück, im
Könnte er sich entschließen, seine Beziehungen zum Souffleur¬
Herzen stets die gleiche, tiefe Neigung zu der einen, zu seiner
kasten einer Revision zu unterziehen, so würde es ihm gewiß
Frau. Aber diese Frau ist eine andere geworden. Sie kann
gelingen, seinen sehr beachtenswerten schauspielerischen
nicht wie der Mann zugleich in zwei Welten leben: in der
Leistungen die Unmitielbarkeit künstlerischen Produzierens zu
einen, in der man treu ist, und in der anderen in der man
geben. Als Freund des Künstlers, dem der Dichter die dank¬
frei ist. Sie kann nur das eine oder das andere; denn sie
bare Rolle des das Leben durchschauenden und es geistreich iro¬
kann nicht seelisches und körperliches Erleben trennen wie der
nisierenden Beobachters gegeben hat, war Herr Großmann
Mann. Sie hat sich aus dem Kreis der Gebundenheiten hin¬
an richtiger Stelle. Herr Hellmerr gab einen jungen adli¬
ausgewagt in das wirre Land des leidenschaftlichen Erlebens.
gen Elegant mit feiner Zurückhaltung, Frl. Friese als
Und es gibt jetzt keine Rückkehr mehr. Sie hat zwar tatsäch¬
Gräfin= Sängerin war in keiner dieser beiden Eigenschaften
lich vom Standpunkt bürgerlicher. Mocal sich „nichts vorzu¬
überzeugend. Frau Ernst dagegen eine würdige und humor¬
werfen“. Aber ihr Inneres ist von nun an eingestellt auf
volle Freundin des Künstlerpaares. Im Zusammenspiel
Wünsche und Begehrungen, die ihr die Umkehr zu dem einen
(Regie: Herr Pfeiffer) hätte hie und da das Schnitzlersche
absoluten Liebesgefühl unmöglich mechen. Wenn sie dann,
Halb=Lustia=Halb=Traurig etwas stärker festgehalten werden
durch die Verwandlung ihres Innern auch äußerlich an] können. Doch war die interessierte Haltung des Publikums
Reizen reicher, den Mann beim Wiedersehen zu neuer Leiden¬
ein Zeichen, daß es gelungen war, dieses stille Stück durch
schaft hinreißt, so gibt gerade diese Liebesstunde, die für sie
feines und abgewogenes Spia mit Leben zu erfüllen.
nicht mehr aus der Gewißheit unbedingter Gemeinschaft, son= 1
H. 8.
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Ausschnitt aus:
Sein
Mlegenausgabe
vom:
Frankfurter Theater.
Frankfurt a. M., 3. September.
Im Zeichen Schnitzlers begann das Neue
[Theater seine Saison=Man kannte das „Zwischen¬
spiel“ bisher auf der Frankfurter Bühne nicht, auch
nicht die Art des Dichters, ein Capriccio aus elegischem
Pathos zu schaffen. Der Darsteller findet schwer den
Stil.
Zu viel tragischer Ernst macht das Stück
problematischer, als es gedacht ist. Die sentimentale
Note trat bei der von Dr. Pfeiffer sehr geschmack¬
voll inszenierten hiesigen Aufführung in den Haupt¬
[gestalten in den Vordergrund und verschob etwas
den Charakter der Komödie. Doch bildeten Direktor
[Hellmers Fürst und Großmanns Dichter in
der Schnitzlermaske, beide mit feiner diskreter Komi',
ein Gegengewicht. Hertha v. Hagen vom Münchener
Hoftheater spielte die Cäcilie. Mit vornehmen Mitteln
und überzeugender Innerlichkeit schuf sie eine stark
fesselnde Frauengestalt. Auch Richard Senius als
Amadeus war gefühlsstark und wahr in der Leiden=
(Quellenangsberohne Dewähr.)
schaft. Der Beifall war lebhaft.
sschnitt aus:
firter Zeite.
m:
60
dern aus der lustverknüpften Ungewißheit des leidenschaft¬
Frankfurter
lichen Abenteuers stammt, ihr die schmerzliche Klarheit, daß
Neues Theater.
es nur eines gibt: auseinandergehen. So bleibt uns eine ziem¬
Arthur Schnitzler: „Das Zwischenspiel“. — Erst¬
lich bittere Moral zurück: gehorcht der Mann seiner Zwei¬
welten=Natur in aller Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gegenüber
fführung am 2. September.
seinem Ehepartner, so verletzt er damit die Frau, deren Nakur
Es kommt ganz auf den Standpunkt en. Steht man mitten
solches Doppeldasein fremd ist, fast noch mehr, als wenn er
drinnen, dann ist's eine dumme und traurige Sache, dieses
ihr seine Nebensonnen verheimlicht. Er stellt außerdem, wenn
Aneinandervorbeileben der Menschen Sieht man's aus der
er in seiner theoretischen Gerechtigkeit so weit geht, ihr das
Vogel= oder gar Luftschiffperspektive, dann ist's auch dumm,
gleiche Recht wie sich selbst einzuräumen, beide vor ein
aber zum lachen. Unsere Dichter haben heute keinen Stand¬
Prohlem, dem er nicht gewachsen ist, weil (und hier steckt die
hunkt. Auch sie sind Relativisten geworden. Und vielleicht
Komödie!) seine eifersüchtige Paschanatur seine Theorie prak¬
ist dieser Relativismus, dies Empfinden für die schillernde,
tisch immer wieder über den Haufen werfen wird, — und dem
durch die jeweilige Ansicht bedingte Natur des Daseins eine
sie nicht gewachsen ist, weil für sie im Grunde die Freiheit
der wenigen Selbständigkeiten unserer Zeit. S. gesehen ist
der Sinne unvereinbar ist mit der Gebundenheit der ehelichen
Schnitzler durchaus Repräsentant, durchaus „Zeitgenosse“
Gemeinschaft.
Er hat das Verstehen zu seinem Metier gemacht. Und er übt
Schnitzlers „Komödien“ sind darum so schwer zu spielen,
es mit Meisterschaft aus. Er kommt nie von der dealen
weit sie keine sind. Weil aber auch das heimlich Tragische bei
Forderung, sondern immer von der realen Bedingtheit her.
ihnen nie sich tragödienhaft äußern darf. Frl. v. Hagen!
Die stimmt ihn bald traurig, bald heiter, zumeist aber beides
vom Münchner Hoftheater, die als Frau Adams=Ortenbach
zugleich.
gastierte, vermied das Tragödienhafte nicht immer, und von Zeit
Diesem Kapellmeister Adams ist die Untreue gegen seine
zu Zeit spürte man etwas zu stark den Pathos hoftheatrali¬
Frau nur ein „Zwischenspiel“, nur ein Ausflug. Er
schen Erschüttertseins. Aber davon abgesehen war vieles be¬
ist seelisch monogam, möchte aber gerade darum seine Ehe im
wunderungswürdig gestaltet; so vor allem die veränderte Hal¬
übrigen auf den Begriff der gegenseitigen Freiheitsgewährung
tung ihrem Manne gegenüber nach der ersten längeren Tren¬
aufgebaut wissen. Im Grunde aber nur als Freiheit für
nung: wie aus jeder Nüance, aus jeder Bewegung eine andere
ihn, denn mit dem theoretisch ausgestellten Erlaubnisschein
Frau sprach, eine, die sich innetuch losgelöst hatte, die nicht
verbindet sich in praxi heftigste Eifersucht. Das feinere kör¬
mehr aus der Sicherheit der einen Liebe, sondern aus der Un¬
perliche Gewissen der Frau wird durch die abrupte Art, mit
ruhe ihres Blutes zu leben beschlossen hat, der das momen¬
der der Herr und Gemahl das Eheverhältnis in ein Freund¬
tane Aufflammen der Leidenschaft zwischen ihr und ihrem
schaftsverhältnis verwandeln möchte, verletzt. Sie reißt sich
Manne wie ein Unrecht an ihrem einstigen Gefühle dünkt
schmerzlich von dem bisherigen Gefühl des Gebunden= und
und nur als ein wehmütiges, aber zugleich den Schmerz mil¬
Geborgenseins, das ihr den stärksten Schutz gegen moment¬
derndes letztes Abschiednehmen eine Art von Berechtigung er¬
weise aufsteigende Wünsche und Begehrungen gewährte, los.
hält. Herr Senius gab den in seiner Männlichkeit be¬
Man trennt sich den Sommer über. Der Gatte kehrt nach
fangenen Künstlergatten mit viel Wärme und Schwung.
Absolvierung seiner Ferienabenteuer unverwandelt zurück, im
Könnte er sich entschließen, seine Beziehungen zum Souffleur¬
Herzen stets die gleiche, tiefe Neigung zu der einen, zu seiner
kasten einer Revision zu unterziehen, so würde es ihm gewiß
Frau. Aber diese Frau ist eine andere geworden. Sie kann
gelingen, seinen sehr beachtenswerten schauspielerischen
nicht wie der Mann zugleich in zwei Welten leben: in der
Leistungen die Unmitielbarkeit künstlerischen Produzierens zu
einen, in der man treu ist, und in der anderen in der man
geben. Als Freund des Künstlers, dem der Dichter die dank¬
frei ist. Sie kann nur das eine oder das andere; denn sie
bare Rolle des das Leben durchschauenden und es geistreich iro¬
kann nicht seelisches und körperliches Erleben trennen wie der
nisierenden Beobachters gegeben hat, war Herr Großmann
Mann. Sie hat sich aus dem Kreis der Gebundenheiten hin¬
an richtiger Stelle. Herr Hellmerr gab einen jungen adli¬
ausgewagt in das wirre Land des leidenschaftlichen Erlebens.
gen Elegant mit feiner Zurückhaltung, Frl. Friese als
Und es gibt jetzt keine Rückkehr mehr. Sie hat zwar tatsäch¬
Gräfin= Sängerin war in keiner dieser beiden Eigenschaften
lich vom Standpunkt bürgerlicher. Mocal sich „nichts vorzu¬
überzeugend. Frau Ernst dagegen eine würdige und humor¬
werfen“. Aber ihr Inneres ist von nun an eingestellt auf
volle Freundin des Künstlerpaares. Im Zusammenspiel
Wünsche und Begehrungen, die ihr die Umkehr zu dem einen
(Regie: Herr Pfeiffer) hätte hie und da das Schnitzlersche
absoluten Liebesgefühl unmöglich mechen. Wenn sie dann,
Halb=Lustia=Halb=Traurig etwas stärker festgehalten werden
durch die Verwandlung ihres Innern auch äußerlich an] können. Doch war die interessierte Haltung des Publikums
Reizen reicher, den Mann beim Wiedersehen zu neuer Leiden¬
ein Zeichen, daß es gelungen war, dieses stille Stück durch
schaft hinreißt, so gibt gerade diese Liebesstunde, die für sie
feines und abgewogenes Spia mit Leben zu erfüllen.
nicht mehr aus der Gewißheit unbedingter Gemeinschaft, son= 1
H. 8.