20 Zuischensniel
box 25/5
Ausschnitt aus;
Hiesische Zeitung, Bresiar
S#R1915
W
Breslauer Cheater.
Lobe=Theater.
Gastspiel Harry Walden:
„Zwischenspfel.“
Mit seiner Darstellung des Kupellmeisters Amadeus Adams
in ArthurShinlen Ludie=wischenspiel“ hat Harry;
Walden heüt: abend den Schatten von Josef Kainz heraufbe¬
schworen, dessen fünften Todestag wir in diesen Tagen begehen.
Denn im Sommer 1908 brachte uns Kainz aus Wien Schnitzlers
wenig gespieltes Werk mit, und seine überragende Kunst ließ die
verschiedenen Unzulänglichkeiten der Komödie vergessen. Man
kann ihr nämlich mit Recht vorwerfen, daß ihr die sogenannte
Handlung fehlt, daß sie mehr eine Plauderei in Dialogform al¬
ein Theaterstück ist. Aber diese Plauderei ist ausnehmend geist¬
reich und funkelnd, wirft tausend neue Lichter über alte Probleme
und vermeidet mit Geschick im Banalen zu enden. Zwei Eheleute,
innerlich entfremdet, beschließen, beieinander zu bleiben, weil das
bequemer ist als die Scheidung. Aber — „man scherzt nicht mit
der Liebe“, heißt ein Sprichwort. Eines Tages, oder vielmehr
eines Nachts geraten die auseinanderstrebenden Pole doch wieder
zusammen, was die endgültige Trennung dann um so schneller her¬
beiführt. Der Charakter der Frau mag an Ibsens Nora erinnern,
aber es ist eine verfeinerte Nora, die nicht nach „Frauenrechten“
im allgemeinen schielt, sondern ihre Weibesrechte im besonderen
beansprucht.
Herr Walden kehrt als Kapellmeister Adams weniger den:
Genialischen, den Musikus heraus, wie Kainz — er bleibt immer
ein Mann von guten Formen und scheint in den meisten Szenen
mit der ganzen Situation nur zu tändeln. Aber wie er im zweiten
Akt dann seine eigene Frau verführt, wie man förmlich fühlt, daß
sie dieser Stimme, diesem Blick, diesem Willen unterliegen muß,
da war er ganz auf der Höhe seiner großen Kunst. Und auch das
soelische Abklingen in den Schlußauftritten wirkte überzeugend und
esselnd. In dankenswerter Weise hatte die Lobe=Theaterleitung
dem berühmten Gast die Ehre erwiesen, ihm für den Schnitzler¬
Abend ihre besten Kräfte zur Seite zu stellen. Beinahe uneinge¬
schränkte Anerkennung gebührt da zunächst dem Frl. Holm, deren
Cäcilie ganz Verven und Leidenschaft war, und die, wenn auch im
zweiten urt das „Dionysische“ (wenn man so sagen darf) fehlte,
doch die müde Resignation des Schlußaktes wundervoll zum Aus¬
druck brachte. Das lustige Ehepaar, den Schriftsteller Rhon und
seine Frau, spielten Herr Rotmund und Frl. Wall, ersterer
mit überlegenem Humor, letztere ein wenig schüchtern, aber sonst
sehr hübsch. Die Rolle des Fürsten Sigismund verlor bei dem
wirklich vornehmen Herrn von Wolzogen ihre Gefährlichkeit,
und nur Frau Habel=Reimers (Gräfin Moosheim) war
mehr Sängerin als Gräfin. Für die stimmungsvolle Inszenierung
zeichnete Herr Lenoir verantwortlich. Das sehr aut besetzte
Haus folgte der Aufführung mit wachsendem Interesse, und be¬
sonders Harry Walden wurde hieder mit Beifall überschüttet 1!
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Ausschnitt aus;
Hiesische Zeitung, Bresiar
S#R1915
W
Breslauer Cheater.
Lobe=Theater.
Gastspiel Harry Walden:
„Zwischenspfel.“
Mit seiner Darstellung des Kupellmeisters Amadeus Adams
in ArthurShinlen Ludie=wischenspiel“ hat Harry;
Walden heüt: abend den Schatten von Josef Kainz heraufbe¬
schworen, dessen fünften Todestag wir in diesen Tagen begehen.
Denn im Sommer 1908 brachte uns Kainz aus Wien Schnitzlers
wenig gespieltes Werk mit, und seine überragende Kunst ließ die
verschiedenen Unzulänglichkeiten der Komödie vergessen. Man
kann ihr nämlich mit Recht vorwerfen, daß ihr die sogenannte
Handlung fehlt, daß sie mehr eine Plauderei in Dialogform al¬
ein Theaterstück ist. Aber diese Plauderei ist ausnehmend geist¬
reich und funkelnd, wirft tausend neue Lichter über alte Probleme
und vermeidet mit Geschick im Banalen zu enden. Zwei Eheleute,
innerlich entfremdet, beschließen, beieinander zu bleiben, weil das
bequemer ist als die Scheidung. Aber — „man scherzt nicht mit
der Liebe“, heißt ein Sprichwort. Eines Tages, oder vielmehr
eines Nachts geraten die auseinanderstrebenden Pole doch wieder
zusammen, was die endgültige Trennung dann um so schneller her¬
beiführt. Der Charakter der Frau mag an Ibsens Nora erinnern,
aber es ist eine verfeinerte Nora, die nicht nach „Frauenrechten“
im allgemeinen schielt, sondern ihre Weibesrechte im besonderen
beansprucht.
Herr Walden kehrt als Kapellmeister Adams weniger den:
Genialischen, den Musikus heraus, wie Kainz — er bleibt immer
ein Mann von guten Formen und scheint in den meisten Szenen
mit der ganzen Situation nur zu tändeln. Aber wie er im zweiten
Akt dann seine eigene Frau verführt, wie man förmlich fühlt, daß
sie dieser Stimme, diesem Blick, diesem Willen unterliegen muß,
da war er ganz auf der Höhe seiner großen Kunst. Und auch das
soelische Abklingen in den Schlußauftritten wirkte überzeugend und
esselnd. In dankenswerter Weise hatte die Lobe=Theaterleitung
dem berühmten Gast die Ehre erwiesen, ihm für den Schnitzler¬
Abend ihre besten Kräfte zur Seite zu stellen. Beinahe uneinge¬
schränkte Anerkennung gebührt da zunächst dem Frl. Holm, deren
Cäcilie ganz Verven und Leidenschaft war, und die, wenn auch im
zweiten urt das „Dionysische“ (wenn man so sagen darf) fehlte,
doch die müde Resignation des Schlußaktes wundervoll zum Aus¬
druck brachte. Das lustige Ehepaar, den Schriftsteller Rhon und
seine Frau, spielten Herr Rotmund und Frl. Wall, ersterer
mit überlegenem Humor, letztere ein wenig schüchtern, aber sonst
sehr hübsch. Die Rolle des Fürsten Sigismund verlor bei dem
wirklich vornehmen Herrn von Wolzogen ihre Gefährlichkeit,
und nur Frau Habel=Reimers (Gräfin Moosheim) war
mehr Sängerin als Gräfin. Für die stimmungsvolle Inszenierung
zeichnete Herr Lenoir verantwortlich. Das sehr aut besetzte
Haus folgte der Aufführung mit wachsendem Interesse, und be¬
sonders Harry Walden wurde hieder mit Beifall überschüttet 1!