II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 477

box 25/5
20. Zuischensniel
schanden. Herr Amadeus, dem die zur „Kameradin“ und
„Freundin“ beförderte Frau plötzlich wieder zur Geliebten wird,
vermag dieser die Freiheit, die er für sich in Anspruch nahm und
auskostete, nicht zuzugestehen; er will sie — Prinzipien und Logik
verleugnend — dem neuen Bewerber mit der Pistole streitig
machen und muß nun erkennen, daß das Weib, das seine neu ent¬
flammte Leidenschaft heißer denn einst begehrt, und das ihm in der
Stunde der Abrechnung für den Selbstbetrug und die Lüge hinter
der schönen Freiheits= und Wahrheitsphrase die Augen öffnet, für
ihn verloren ist. Man wird zugeben, daß an Künstlerschaft, an
technischer Meisterschaft der Wiener Meister dem Dichter der
„Kameraden“ ebenbürtig, wenn nicht überlegen ist; aber die ele¬
mentare Wirkung des zugleich abstoßenden und unwiderstehlich
bannenden Schweden erreicht Schnitzler nicht. Der Schwede ge¬
staltet aus eigenem, quälenden Erlebnis und einem gewaltien
Impulse heraus, der Wiener aus einer These und einem rein
artistisch=psychologischen Triebe. So wirkt denn auch Strindbergs
Drama im wesentlichen, wenn auch nicht in allen Einzelzügen, mit
der Unmittelbarkeit des Lebens, Schnitzlers Dichtung dagegen wie
eine Glossierung des Lebens, jenes ist ein Kampfstück, erfüllt von
der Unerbittlichkeit tödlichen Ernstes und geschaffen aus dem
Drange nach Selbstbefreiung, dieses ein Kampfspiel, das ein
über den Dingen stehender, ironischer Lebensbetrachter in meister¬
hafter Inszenierung als fesselndes Schaustück vorführt. Nicht im
Innersten uns zu ergreifen und zu bewegen, ist Schnitzler gegeben,
aber wir folgen doch mit höchstem ästhetischen Genuß dieser
meisterhaften, auf jede äußeren starken Effekte verzichtenden Ent¬
hüllung bewegten Innenlebens, und lassen uns gerne von den
Lichtern eines überlegenen Geistes, der in dieser mit den seinsten
Waffen geführten Ehedebatte und in der Erörterung des sexual¬
ethischen Problems sich so reich offenhart, erleuchten und blenden.
Die schwierige Aufgabe, die dieses nur mit den feinsten Mitteln
arbeitende und sie fordernde Bühnenwerk bietet, wurde von der
gestrigen Aufführung (Spielleitung Rudolf Lenoir) mit
überraschendem Erfolge gelöst. Harry Waldens Amadeus war
weder ein Neurastheniker, noch ein trockener Doktrinär, sondern
ein naiver Illusionist, dessen egoistische Theorie als die Schwär¬
merei eines Künstlerphantasten, eines großen Kindes, wirkte, dem
das Unmögliche selbstverständlich, das Komplizierte ungeheuer
— 4us.
einfach erscheint, — eines Kindes, das dann erwacht mit er¬
schrockenen Augen das wahre Bild der Wirklichkeit erblickt und sein
1st Braslauer Serte
vom:
Spielzeug zertrümmert sieht. Des Gastes würdig erwies sich“
Carla Holm, die von vornherein hinter der anscheinend vernünf¬

tigen Gelassenheit der Künstlersfrau, die bebende Empfindung des
Wa. Lobe = Theater. Gastspiel Harry Waldentum sein heiligstes Recht verkürzten Weibes fühlbar machte, und
„Zwischenspiel.“ Nach dem Strindbergschen Künstler= und für die Hoheit und Leidenschaft der sich Befreienden die feinen und
Ehedrama, das vor kurzem das Interesse einer nur kleinen, zum zugleich beredten Ausdrucksmittel hatte, die Schnitzler verlangt.
Widerspruch sich gereizt und doch zugleich im Innersten sich gepackt Die sinnlich=kokette Philinennatur der Gräfin Moosheim brachte?
fühlenden Gemeinde fand, bescheerte uns das Gastspiel Harry Käte Habel=Reimers trefflich zur Anschauung; Ernst Rot¬
Waldens das vor einer Reihe von Jahren durch Josef Kainz,mund gab dem Albertus Rhon eine amüsante philosophische
den Unvergessenen, in Breslau eingeführte Künstler= und Ehe= Wurstigkeit, und Hans v. Wolzogen dem Fürsten äußere und
drama Arthur S#iDieleitliche Naherü tung innere Vornehmheit. Gertrud Wall als Marie Rhon und die
zweier in gleichem Lebensbezirke wurzelnden Bühnenwerke böte nicht zu vergessende kleine Anneliese Fränkel als der muntere
Gelegenheit zu lohnenden Parallelen, zu anregender Feststellung fünfjährige Künstlerssohn vollendeten das Ensemble, dessen Dar¬
der in der Behandlung verwandter Problei#e zu Tage tretenden hietung für die Leistungsfähigkeit unseres Schauspiels diesmal das
Verschiedenheit zweier hervorragender Tichterpersönlichkeiten und erfreulichste Zeugnis ablegte. Das volle Haus ließ es dann guch
zweier Nationaltemperamente. Auch Schnitzler behandelt an lebhaftem Beifall, der nicht nur dem Gaste galt, nicht sihloff.
das Thema der kameradschaftlichen Ehe. In der Ehe des Herrn
Amadeus Adams ist allerdings die Kameradschaft bereits die
zweite Phase, in der — wenigstens für den Herrn Gemahl — der
flammendheiße Kognak=Punsch der Liebe, um mit Heine zu reden,
durch die laue Wärme des Freundschaftstees abgelöst wird — d. h.
am häuslichen Kamin; auswärts, aus anderen zarten Händen
nimmt der vielseitig angelegte Künstlermensch gerne heißere und
anregendere Herzstärkungen entgegen. Und er macht kein Hehl
daraus: denn seine Ehe ist auf Freiheit (zu Seitensprüngen) und
Offenheit (zum freimütigen Bekenntnis dieser Seitensprüngel ge¬
gründet. Aber das Leben, die tieseren Instinkte, die das Ver¬
hältnis der Geschlechter beherrschen, machen die schöne Theorie zu¬