II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 492

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20. Zuischenspiel

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U. S. A.
E vom:
B
Frarkfarter Zeitung
Frankfurt a. M.

2 ar Zürich,? April. (Priv.=Tel) ### gestert
Schnitzlers „Zwischenspiel“ in der Gastaufführung
des BLurgtheaters nicht sonderlich über den
guten Durchschnitt hinausragte, war die heutige Vorstellung
des „Weibsteufels“ von Schönherr mit Frau Me¬
delsky als Weib und Herrn Marr als Jäger aus der
Fülle naturhafter Kraft geschöpft, sodaß sich die Wiener Gäste
mit einem neuen großen Darstellungserfolg von Zürich ver¬
abschieden konnten. — Auf Einladung des Wiener Schrift¬
siellervereins „Concordia“ wird das Züricher Stadt¬
theater Ende April in Wien ein Gegengastspiel geben,
(Oa-lienaugabe o##r uen
Tne Sun Be
Ausschnitta (Cal)
A.APR 1977
vom:
Münchner Zeitung

A
Wer jetzt nicht dem Vaterlande nach Kräften gibt, um
ihm den endgültigen, glorreichen Sieg zu ermöglichen,
macht sich unwert der Segnungen des Friedens.
Prof. Arthur Nikisch.
Das Burgtbeater in der Schweiz.
* Zürich, Mitte April.
Zürich hat dem Krieg bisher, außer dem Sacharin,
der Fleischkarte, einer Serie neuer Kabaretts und
einer bisheb nie gesehenen Internationalisierung
seiner Bahnhofstraße, eine Theatersaison zu ver¬
danken, die mit „Gastspielsaison“ am richtigsten be¬
zeichnet wird. Als es kein Theater mehr gab, das in
Zürich noch nicht gastiert hatte, wagte man das
Experiment, bei der Burg anzufragen. Und siehe da:
die Burg kam.
An vier aufeinander folgenden Abenden lernte
der Zürcher, der nicht lange zuvor die Comedie
Frangaise gesehen hatte, aus eigener Anschauung die
vielgerühmte Aehnlichkeit des Wiener Burgtheaters
mit dem vorbildlichen Theater Frankreichs kennen.
Die gleiche Tradition, die gleiche Kultur der Sprache,
das gleiche, peinlich gepflegte Zusammenspiel, die
gleiche Unterordnung des einzelnen Darstellers unter
den Willen des Gesamtwerkes da wie dort.
Und da man vor noch kürzerer Zeit auch Max
Reinhardt bei sich zu Gast geladen hatte, war man
auch in der Lage, ähnlich, wie man verglichen hatte,
was zwischen Wien und Paris Aehnliches war, zu
vergleichen, was zwischen Berlin und Wien ver¬
schieden ist. Die Reinhardtbühne ist der Ausdruck
des Gewalt= und Willensmenschen Max Reinhardt;
die Burg ist das Instrument zur möglichst voll¬
kommenen Wiedergabe des dichterischen Werkes.
Reinhardt biegt das dichterische Werk, ja er bricht es
auch, wenn es sein muß, um seinen Willen und sein
Genie durchzusetzen. Die Burg biegt oder bricht den
Eigenwillen jedes einzelnen Darstellers — wenn es
sein muß um das Werk als Ganzes so geschlossen
wie möglich durchzusetzen. Reinhardt beleuchtet nach
seinem genialen Einfall da, wo er es für richtig hält.
Das Rr#ttheater beleuchtet das Werk von allen

Seiten mit genau abgemessener gleicher Kerzenstärke.
Das Burgtheater verkörpert die anderthalb Jahr¬
hunderte alte Tradition der alten Kaiserstadt Wien;
Reinhardt ist der Ausdruck für den Arbeits= und
Kräftekomplex des jungen, titanisch sich emporrecken¬
den Geisteszentrums an der Sprec.
Die Tradition des Burgtheaters gebärt Kunst¬
werke der Bühne, die sich, wenn schon verglichen sein
muß, mit einer antiken Vase vergleichen lassen. Von
welcher Seite immer man schaut, aus welcher Rich¬
tung immer man das Licht darauffallen läßt, immer
sind es die gleichen edlen Linien, die gleichen stolzen
Formen. Die Kultur der Sprache, die an der Burg!
vom ältesten Adel im Bereiche deutscher Zungt ist,
geht so weit, daß man in Hofmannsthals „Der Tor
und der Tod“ das langgezogene Geigenspiel des
Todes nicht mehr als etwas empfindet, das außer¬
halb der Musik des gesprochenen Wortes liegt. Das
Schicksal „Medeas“ erschütterte am ersten Abend
in so hohem Maße, daß man nach den Mittelakten
ein zum Bersten angefülltes Haus in völliger Er¬
starrung sehen konnte. Der „Esther“=Torso, der wie
das Demetriusfragment Bestes aus dem Schaffen
eines starken Geistes birgt, schüttete einen bittern
Wermutstropfen in den Genuß eines schönen Abends,
weil man sich hier jenem Rätsel gegenübersah, das
uns oft und oft das Herrlichste in Ansätzen zeigt und
die Erfüllung in eine unerkennbare Zukunft hinaus¬
rückt. Schnitzler war mit seiner bitteren Komödie
„Zwischenspiel“ und mit der geistreichen Plau¬
derei „Literatur“ zweimal würdig vertretey.
Schönherrs Erdkraft, die im „Weibsteufel“ sieg¬
haft die Fahne schwenkt, erschütterte ein andächtig
lauschendes Haus, dem Saltens „Auferstehung“
letzten Endes doch wieder ein überlegenes Lächeln
abzugewinnen vermochte. Vier volle Häuser bei
Preisen, die man in diesen schlechten Zeiten sonst
nur noch auf Fleisch und Kartoffeln außzuwenden ge¬
wohnt ist, der Donner begeistert zusammenschlagen¬
der Hände und Berge von Blumen bewiesen, daß
Zürich heute reif ist für die erlesensten Genüsse, die
das Theater zu bieten vermag.
Papl Althegr.