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20. Zuischenspie-
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ane enenen¬
e
ganzen Stück, das eine vollkommene Einheit ist, nach
allen Seiten des menschlichen Cheleids bewegt und schlie߬
lich mit folgerichtig durchschnittenen Drähten zu oden
gelegt. Das Stück spielt mit seinen zwek Menschen, bis sie
im äußersten Augenblick — ganz außer sich geraten, wie
zeria#erte Puppen — erstaunt zu begreifen iuchen, daß sie
als übermenschlich kluge Geschöpfe fast kindlich verwielt
haben. Das Stück spielt zugleich mit den feinsten Grenzen
der Kunst, mit den zartesten Wundern der Psychologie
und mit den schöpferischen Launen seines Dichters.
Es spielt sogar mit den Zuschauern. Ja, es spielt auch mit
dem Spielleiter und in einem gewissen Sinne mit den
Schauspielern. Somit müssen alle Beteiligten auf der Hut
sein, daß sie nicht insgesamt (den vorantänzelnden zwei
Menschen gleich) zu schlechter Letzt verspielen.
„Ich habe mich stets für einen nahen Verwandten des
Hanswursts gehakten", läßt Arthur Schnitzler den
dramatischen Dichter Albertus Rhon erklären. Da kommt
der Goetheiche Hanswurst, der dem Lear=Narren nicht iern
sleht, zu seinem allgemein men chlichen Recht. Er wird zu
seiner Imaginationen. Balanziert die
einem Opfer
schlüpfrigsten Rätsel des See enlebens wie Pfauen¬
federn auf der Clomn=Stirn. Foppt uns, muß
uns sohpen, weil er von seinen eigenen Trieben gefoppt wird.
Zeigt, daß wir vom Le##en genarrt werden, weil wir es immer
wieder aus unseren vermeintlich wahren und doch so falschen
Instinkten heraus zum Narren halten. Oder: daß das Leben uns
selber zum Spielzeug macht, weil wir aus unseren vermeintlich
echten und doch so verlogenen Gesühlen heraus mit dem Leben
spielen müssen. Und: daß wir gespielt werden, wo wir
zu spielen glaubten, bis wir am Ende — verspielt und ver¬
tan — wie ein abgelegter Hanswurst in das letze Schubfach
gerüten und einer Auferstehung, die nie kommen kann, trost¬
los entgegenharren.
Solches geschieht mit den zwei Menschen. Beide glaubten:
wahr zu in. Gelobten einander: stets ehrlich zu bleiben
in ihren Empfindungen und Aeußerungen. Den beide
fühlten sich als komplizierte Ausnahmenaturen. Aber
beide sind doch nur (wie es bei Goethe heißt) ein Spiel
von jedem Druck der Luft. Beide werden von wesens¬
fremden Elementen gekapert. Er von einer erotischen
Gräfin. Sie von einem galanten Fürsten. Beide ge¬
Daseinsformen hinein. Er
raten in ungewohnte
wird zu einem keeinen Hjalmar. Sie wird zu einer
winzigen Nora. Beide glauben so zu wach en. Ver¬
puppen sich aber im Grunde nur zu warionetienhaften
Figürchen. Gelangweilt von diesen unehelichen Irrungen
treffen sie dann wieder auf einander. An der nämlichen
Stelle, da sie sich im ersten Alt ihrer. geschlechtskalten
Kameradschaft persichert haben, versichern sie sich im
zweiten Akt ihrer geschlechtsheißen Leiden chat. Das
Puppenspiel nimmt einen geistreich geführten Parallelis¬
mus an... Aber der nächste Morgen, der mit dem
dritten Akt anhebt, bringt die naturgemäße Ernüchterung.
burgen Zeitung.
Die scheinbar erkünstelte Episode des Wiederfindens
K.e
wird zur scheinbar natürlichen Katastrophe des Wiedei¬
entschwindens. Die Versöhnung ist ein Abschied. Zwei
s Schaufpielhaus.
Menschen verscherzen sich an der gleichen Stelle zum dritten
und letzten Male ihr Glück, weil sie auch im intersten
nt: Zwischenspiel von Schuieler.
Augenblick des Schicksals aus einem diaboli d# Zwang
und ein Zwei=Menschen=Spiel. Alich
herius von ihrem unbewußten Lebensspieltrieb nicht lassen
Aber ein Tanz Lebendig=Toter, die
können und durum endgültig per pielt werden.
Strndberg nach Geithes Puppen¬
Diee Komödie ist also wie der Schatten eines Vogels
r
Allo: Zwei Welsschen, die (wie
im Flug. Ihre tiefste Weisheit geht auf Konfutses heute
Leben spielen. Sie bewegen das
vielmehr: sigwerden von diesem I noch zeitgemäße Menschen= und Lebens Erkenntis zurück. An
chinesische Schattenspiele erinnert sie. Ja, man könnte sie
als modernstes und feelisch intimstes Schattenspiel der Welt¬
literatur einschätzen. „Was weiß ein Menich vom andern,
scheint sie mit Goethe (der ja für „Chinoiserien“ einen
besonderen Sinn hatte) insgeheim auszurufen. Was weiß der
Mensch von sich selbst! Das Leben wirft nur den starren Schatten
der flüchtigen Dinge und Schicksale an die ewig feststehende
Wand. Der stumme Schatten ist das einzig Reale. Aber
Gesühle, Ideen, Vorsötze sind tragische Possen. Und Worte
werd en zu einer „Komödie der Worte“.
Also: Ganz im Schattenspiel Eharakter ist diese Komödie
gehalten. Absichtlich reißt ihr mathematisch strenger Aufban
wiederholt aus der Illusion. Von Zeit zu Zeit greist der
Dichter persönlich durch den Mund einer stellvertretenden
Puppe oder durch fingierte Monologe unmittelbar in das Spiel
hinei. Und nebenher schiebt er zwischen die Leidenscha ten der
Groben ein kinges, kleines Kind, das mit beiden Häudchen
symbolische Kasperlefiguren herbeischleppt und ahnungslos
den so kläglich Erwachsenen parodistische Winke gibt.
An diesen bedeutsamen Winken geht Erich Ziegel (als
Spielleiter und Schauspieler) achtlos vorüber. Die stili¬
sierten Vorgänge, die schematischen Reden, die sinnreich be¬
schwerten Worte sagen ihm und seiner Frau Mirjam
Horwitz gar nichts. Er packt die Bühne mit störenden
Philister=Möbeln und einer spießbürgerlichen Riesenpalme
voll. Läßt das ganze Stück just so spielen, wie man vor
zwanzig Johren etwa Sudermanns „Ihre“ oder Hirsch¬
felds „Mütter“ erledigt hat. Erweist sich dabei selber mit
seiner trockenen Manier als durchaus belangloser Dar¬
steller. Und spricht den zweistündigen Dialog (der zwischen
ihm und seiner Partnerin hin und her geht) nicht mit dieser
ur, sondern an dieser Figur vorbei. Man hat selten,
elten im Deutschen Schauspielhaus ein so gründlich
tes Komödienspiel zum Besten gegeben. Peinliche
esetzungen (neben Erich Ziegel und Mirsam Horwitz
h Anna Westhoven und Konrad Gebhardt, die schon vor
41
zehn Jahren in diesen widerstrebenden Rollen versagt
haben) greifen verhängnisvoll ein. Nur Hermann Wlach
als wortführender Deuter und Paula Silten als verlockende
Gräfin bringen kunstwürdige Eindrücke. Hermann Wlach
fungiert geradezu als Retier des Abends. Und man kann
das Deutsche Schauspielhaus zu diesem seltsam erfiarkten¬
Meister von Herzen beglückwünschen.
Anton Linhnpt.
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