II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 513

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20. Zwischensniel
##MBremer Tagblatt
Schauspielhaus am Ostertor.
Zwischenspiel.
Komödie von Arthur Schnißler
Spielleitung: Tom Farecht.
Diese Komödie abhandelt das heikle Thema des ehelichen
zwischenspiels, bei dem zwei mit starkem inneren Wahrheits¬
nut voreinander offen gewesene, möglichst selbständig geblie¬
en Menschen sich eines Tages so ernüchtert fühlen, daß sie sich
abwechselnd mit fixen Ideen von einer Ecke ihrer hätslichen
Behaglichkeit in die andere treiben und gerade dann ihr unab¬
wendbares Gattenschicksal erneut verlockend aufflackert, wenn
sie sich — beinahe — zum Entschluß durchgerungen haben, Ab¬
schied voneinander zu nehmen.
Um dies in drei Akten einwandsfrei abzuhandeln, bedürfte
es einer unaufhörlich verblüffend sprudelnden Inspiration oder
doch solcher belebenden Stoffzutaten, die aus dem dreiaktigen
Szenengewebe wenigstens eine „Handlung“ ermöglicht,
hätten. Ein Einakter wäre ebenfalls nach bewährten Mustern
für Schnitzler die beste Lösung und sicherlich ein amüsantes Er¬
lebnis geworden. Was uns aber der liebenswürdige und geist¬
reiche Rampenseuilletonist in diesen drei langgedehnten Akten
ohne jeden nennenswerten Ansatz zu einem befreienden „Vor¬
gang“ an theoretischem Geschwätz seiner um die Liebe
gleichsam feilschenden Sprechapparate zumutet, das ist manch
biederem Lesedrama in tragischen Jamven, das nie das Licht der
Glühbirnen erblickt, mindestens wesensverwandt.
Trotzdem verdient diese thesenreiche Schnitzlerbeichte, der
Alternde hat sich selbst in dem ganz köstlichen Phrasendrechsler
Albertus Rhon ein humoristisches Denkmal gesetzt, mit In¬
teresse entgegengenommen und besprochen zu werden, denn sie
klatscht ja so vieles Unzulängliche in unserer eigenen Umwelt
ab und bietet einen mehr als einmaligen Gesprächsstoff für
selbstdenkende Theaterbesucher. Das ausverkaufte Haus wird
auch zweifellos damit in Zusammenhang stehen.
Die natürlichste Lösung sand Ernst Glasemann in einer
saloppen, ziemlich leichtflüssigen Behandlung der bunt gewürfel¬
ten Redeweisheiten Albertus Rhons, die er einfach binkprach
und nicht noch zu sezieren suchte, wozu ihre Magerkeit nicht
ausreicht. Arthur Beder=Bernhard hielt den Kapell¬
meister ebenfalls mit glücklichem Gelingen von zuviel Phrasen¬
haftigkeit frei und spielte lebendiger, als es Schnitzlers trocke¬
nem Dogmenheld gebührt. So traf er die Künstlichkeit des kon¬
struierten Seelenaufruhrs so vortrefflich, daß sie zu natürlichem
Erleben wurde. Von Kitty Sonntag=Blume ist dies nur
in Flüchtigkeiten des letzten Aktes zu sagen. Zwar waren
Miene, Ton, Haltung glänzend beherrscht, aber zu einer echt
weiblichen Wärme, die Amadeus von neuem niederzwingt und
berauscht, kein Atemzug zu spüren. Vielleicht war sie zu sehr
Zwischenspielschnitzler; hätte sie aber des jüngeren Dichters ge¬
dacht, des empfindungsreichen —!—. Rosa Konradi war als
Gartin Rhons unglaubhaft, eine völlig unbegnadete Klein¬
bürgersigur. Dem Rahmen fügten sich Käte Nevills schmeich¬
lerisch kokettierende Gräfin und Karl Paulsens Puppen¬
stubenfürst passend an. Das Tempo war viel zu langsam,
gänzlich verschleppt. Es müßte doppelt so schnell
sein! Um Nachproben wird gebeten. Rolf C. Cunz.