II, Theaterstücke 20, Zwischenspiel. Komödie in drei Akten (Neue Ehe, Das leichte Leben, Cäcilie Adams, „Nicht mehr zu dir zu gehn …“, Adagio), Seite 518

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20. Zuischenshiel
ckransefurter Zeitung
LAH0913
Frankturt a. M.
Philinen=Episode — Cäcilie sagt das nicht genau, aber es klingt 1 später im Norden gewinnt. Wer
atmete man auf, wenn das Weib
doch das Thema von der doppelten Moral leise hinein —
wärmt um die haarscharfe Kopf= u
zum Teil wegen der einst geschlossenen Freundschaft, die
Frankfurter Schauspielhaus.
sich. Der Kapellmeister des Herrn
eine Unaufrichtigkeit war, zum Teil, weil die Frau weiß,
der einfachere Mensch, hatie einfach
daß Amadeus in ihr heute eine andere begehrt als vor
/11 „Zwischenspiel“, Komödie von Arthur Schnitzler.
Leichtlebigere des Mannes traf er o
sieben Jahren, zum Teil wegen Cäciliens neugewonnener Er¬
soweit es seine unbefangenre Rolle
Aufführung am 17. August.
fahrung an sich selbst. Sie hat im Vorschauer neuer Leidenschaft
gen ein guter Kerl, der geneigt ist,
gestanden, sie fühlt sich angesengt, sie witterte den Geruch des
Wenn das Drama die Darstellung des Unheilbaren ist (daher
nehmen und nun bestürzt einsieht, de
Abenteuers, sie sah in neue Verheißungen. Und deshalb macht
die Abneigung vieler Gesunden, Dramen zu sehen), so die
hatte. Gut war der geschwätzige,
sie Schluß, nimmt Abschied in Schönheit, um dem nächsten Ab¬
Komödie die Spiegelung des zwar Verschobenen und Ver¬
Herrn Bauer; ein neuer Künstlei
schied und dem übernächsten und dem allerletzten zu entgehen.
schrobenen, der hart oder putzig Aneinandexgeratenen, aber doch
Fürst Sigismund in einer kleinen
Darüber kann kein Mann hinw g. So läuft Amadeus denn,
Heilbaren. In Schnitzlers Komödie Zwischenspiel“
die ihn eine Viertelstunde auf einen
nachdem er eingesehen hat daß diese Ehe menschlich=ordinär nicht
ist es anders. Menschen, die kraft ihres Verstandes guten Willens
nete Rede und leise aufbrechende H
wieder aufzubauen ist, davon. Der Hörer aber sagt: diese
sein müßten, analysieren, autopsychologisieren sich da zu Tode —
Man darf neugierig sein, wie sich
Oesterreicherin hat sich längere Zeit in Skandinavien aufgehalten.
deten Kopf bei anderen Gelegenhe
es ist ihnen nicht zu helfen.
Sie hätte nicht einmal nötig gehabt fünf gerade sein zu lassen,
Der Beifall klang nach „achti
Auf der ständigen Unsicherheit in den Beziehungen von Mann
sie brauchte nur den Willen zum Glück, — dessen alle Menschen
kommt vom Krieg nicht los und hat
und Weib auf der Erkenntnis daß es dem Seelenbarometer
alle Tage bedürfen — sie lehnt ab aus Angst vor der Zukunft,
schürsende Frau Cäcilie da oben.
nicht möglich ist, jemals zum „Beständig“ vorzudringen, schwebt
sie wünscht ein reine Etinnerung. Zum Teufel auch!
brüll gewöhnt, so von den Aufreg
diese Komödie. Es passiert nichts darin, man gibt sich nur
Wenn Menschen auseinandergehen, so gebrauchen sie dazu
uns das an den Haaren herbeigez
immer Rechenschaft, enthüllt sich, schließt seelische Verträge,
meistens einige Jahre. Hier geschieht es in drei Bühnenstunden,
paragraphiert sie beinahe und kommt schließlich zu der Einsicht,
samt ihrem Ober= und Unterbewuß
daß Vorsätze nichts bedeuten, weil eine neue Blutwelle alles
in ein paar Monaten, das Sichvoneinanderentsernen des Paares
Das „Zwischenspiel“ stammt schon
über den Haufen werfen kann, erkennt auch, daß keine Abmachung
ist verdichtet. Um damit fertig zu werden sprechen sie Aphorismen,
jeder eine
auf letzter Offenheit beruht. Letzte Offenheiten gibt es nicht, oder
hämmern sie lange Erwägungen in einen Satz —
wenn si. ausgesprochen werden, sind auch sie verhängnisvoll (ob¬
seelische Wandlung. Sehr feine Bemerkungen gibt es da, für
sehr verfeinerte Ohren, Blicke fallen auf den Urgrund, aus dem
wohl später behauptet wird, volle Aufrichtigkeit mit Brutalität
von
und Eisersucht hätte erloschene Liebe neu anblasen können). Bei
die Wünsche phosphoreszierend aufsteigen, die Luft zittert
schmerzhaften Enthüllungen. Sehr geistreich und sehr — künst¬
anderer Gelegenheit hat Schnitzler einmal gesagt: „Wir spielen
lich. Man weiß genau, daß der Stückschreiber Albertus, den
immer wer es weiß, ist klug.“ Es ist also so: Wenn wir uns
Schnitzler durch die Komödie schleift, damit er den Faden halte i
offenbaren“ sind wir geliefert, dank der Handhabe, die wir
und den erfrischenden Lebensklugen spiele, ein platter Kerl ist
dem anderen geben, dank der „besonderen Merkmale“ unseres
mit seinen Witzen und seinem praktischen Getue, und doch freut
Steckbriefs, offenbaren wir uns nicht, so treiben wir im Un¬
man sich seiner beinah weil ihm der Schnabel nicht literarisch ge¬
gewissen.
wachsen ist. Er und seine beinahe überflüssige Frau tragen das
Am Schluß des dritten Aufzugs stützt die Sängerin Cäcilie
Wienerische und den gelegentlichen Lustspielton in die Komödie,
und weint. Sie hat reichlich Ursache
den Kopf in die Hände 1
aus der Schnitzler ein gut Teil seiner Grazie, seiner Süße, seiner
dazu. Ihr Mann=Kapellmeister war ihr an Philine entglitten,
Siai
zarten Melancholien herausnorwegisiert hat, weil es ihn einmal
sie selbst im Begriff, sich an den Fürsten Sigismund zu verlieren.
nach einer „hohen Aufgabe“ gelüstete. Und er zeigte, wie zwei
Nein, noch nicht im Begriff Wir spielen immer. Sie war auf
von Haus aus für einander geschaffene Menschen an der — derb
dem Wege dazu, oder: es hätte einmal sein können. Immerhin:
gesagt — Ueberspanntheit einer Frau, an ihrer Sucht nach dem
In den beiden Ehehälften, die einmal ein Ganzes waren,
In voller
„schönen Abschluß“ an ihrer Angst vor dem Zukünftigen un¬
dämmert es, und so beschließen sie „Freundschaft“.
abänverlich scheitern. Teure Cäcilie — wir können nicht mit!
Freiheit, in voller Unabhängigkeit und auf Grund gegenseitigen
Vertrauens. Er hält diese Freundschaft natürlich nicht aus.
Die Aufführung, von Herrn Lengbach geleitet, mit bangen
Neu angeheizt von der angedeuteten Möglichkeit, verliebt er sich
Pausen, dumpfen Stimmungen durchsetzt, mit beziehungsvollem
glühend in seine Frau und wird ganz normal eifersüchtig. War
Klavierspiel versehen, (kein Wunder, wenn die Helden Amadeus
Cäcilie dieser Zustand erwünscht so hätte sie einsach beidrehen
und Cäcilie heißen) mit langsam fließenden Blicken und an¬
Frl.
können, das Ersatzmittel Freundschaft wäre aus dem Hirn der
deutenden Bewegungen gesättigt, wollte „herausholen“
Beiden verschwunden, man hätte die zweite Ehe begonnen. Es
Aschenbach (Cäcilie), die ihre quicke Natur zu verleugnen
wäre sogar nicht einmal viel zu verzeihen gewesen, denn der
hatte, mehr Divachen als Diva, versah sich mit der nötigen
Kapellmeister hat sehr korrekt den Fürsten als Sachwalter seines
Schwerblütigkeit, formte klug ihre Sätze, durchfühlte sie auch —
Eigentums gefordert und von diesem erfahren daß Sigismund
wir glauben es ihr Nur belastete sie ihre Worte gleich zum
die allerlautersten Absichten hatte, daß Cäcilie ohne Fehl ist.
Anfang zu sehr mit Bitterkeit und der Ahnung, wie's gehen würde,
Trotzdem kann das Ehepaar nicht wieder ins Gleichgewicht kom¬
men. Warum nicht? Zum Teil wegen der nicht bestrittenen! nur sprach aus ihren Augen zu hart Unerbittlichkeit, die sie