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19. Der Ruf des ns
Dame hat einen innig befeelten Ton, der auch im Piano noch weit
trägt, sie genießt die Vorteile einer poetischen Erscheinung, und so
wurde auch diese Schwindsüchtige mit der Liebesraserei zu einem
schönen, wenn nicht überzeugenden, so doch verführerischen Bilde.
Etwas unentwickelt ist noch die Geberdensprache, besonders
wenn sich die Oberarme nicht vom Körper fort wagen,
während die Unterarme sich bewegen — aber das kann sich
mit der größeren Sicherheit geben, und wenn der gestrige
rein lyrische Ton aus einem reicheren Register ent¬
nommen sein sollte, so wäre eine Hoffnung etwa auf Nachfolge
von Teresina Geßner gegeben. Bis auf Herrn Bassermann, der
den Obersten und Nächer seiner Ehre in glänzendster Maske und
pikantester Trockenheit scharf herausgab, konnten die anderen
Darsteller an ihren Rollen nicht viel Freude haben. Herr
Marr hielt den kranken Vater, dessen Leiden etwas
Theater und Kunn.
langweilig wird sehr gut durch, Herr Reicher spielte
einen Arzt und Raisonneur mit geringer Lust Herr Rittner
„Der Ruf des Lebeus“ von Arthur Schnitzler erscholl
seinen Forstadjunkten mit großer Unlust. Herr Stieler als
jestern abend zum ersten Mal im Lessing=Theäter und rweckte
Lentnant wußte, wie immer, sympathisch zu bleiben, Fräulein Else
ein recht lebhaftes Eche von Klatschen und Zischen. Unsere be¬
Schiff wie immer unsympathisch in der provinzmäßig verarbeiteten
deutendsten Dramatiker stud nicht mehr im stande, einen reinen
Rolle der an sich schon fürchterlich romanhaften Oberstengattin.
Erfolg oder einen reinen Mißerfolg zu erringen. Sie sollten
Frau Else Lehmann, die immer der Tochter Katharina nachzu¬
wenigstens ihre leibhafte Persönlichkeit dem Kampfe entziehen und
laufen hatte, mußte sich damit begnügen, höchst appetitlich auszu¬
sich dem Ruf des Publikums versagen, dessen Meinung sie überdies
in begreiflicher Aufgeregtheit nicht immer verstehen; doch da spricht man
sehen. Das Stück kritifiert sich selbst, das solche Kräfte brach
vergebens. Aber vielleicht sind sie klüger als der Mahner, vielleicht
legte. O. E.
hatte das Publikam den zweiten und dritten Akt nicht für
Schnitzlersche Arbeit gehalten wenn sich Herr Dr. Arthur Schnitzler
aus Wien nicht durch persönliches Erscheinen für die Tatsache
verbürgt hätte. Allein der erste Akt zeigt seine Hand. Zwei
Mädchen folgen dem Ruf des Lebens. Marie hat erst ihren
unheilbar kranken Vater nach Gretchens Methode mit einem
Schlaftrunk zur ewigen Ruhe zu bringen, dann stürzt sie zu
ihrem Leutnant von den blauen Kürassieren, dem tod¬
geweihten Regiment; denn es ist Krieg, allerdings nur ein Theater¬
krieg, nicht zu bemerken, wenn er nicht gerade gebraucht wird. In
ihr Zögern und Bedenken hinein taumelt wie ein trunkener
Schmetterling die schwindsüchtige Base Katharina, die wie im
Fieber liebt, einen nach dem anderen, weil es doch bald aus ist.
Der zweite Akt konnte von einem energischen Nachahmer
des „Morituri“=Dichters gemacht sein. Marie trifft ihren Leutnant
in einer ungewöhnlichen Situation, die sie, hinter einem Philippi¬
schen Vorhang versteckt, erdulden muß. Die Frau des Obersten
wird im Zimmer des Leutnants, ihres Liebhabers, von ihrem
Manne erschosfen: So kann sie ihm nur eine Nacht schenken,
da auch er am nächsten Morgen tot sein muß, und das geschieht!
ausgiebig zwischen dem zweiten und dritten Akt, welch' letzterer
wiederum von einem Nachahmer Schnitzlers gemacht scheint, der
aus der „Liebelei“, dem „Einsamen Weg“ und dem „Schleier der
Beatrice“ die feinsten Worte der Nachdenklichkeit ausgezogen hat.
Hier zusammengetragen sagen sie ungefähr, daß, wer ge¬
storben, tot ist, und wer lebt, lebendig ist. Gestorben
ist das süße Katharinchen, aus ihrem Liebestraum ins
formenlose Nichts hinübergetaumelt, am Leben geblieben das
leidenschaftliche Mariechen, und so spricht nichts dagegen,
daß sie nach Buhlerei und Mord noch einmal den strammen
Forstadjunkten heiraten wird, der erst die Base und dann sie
selbst treu geliebt hat. Das ist eben der Ruf des Lebens, den
wir morgen noch des genaueren besprechen wollen. Die Auf¬
führung war gut wie alles, was jetzt am Lessing=Theater
gemacht wird, auch in dekorativer Hinsicht, da Herr
Walser zwei einfache überzeugende Interieurs mit Kostümen
zur Zeit der Schlacht von Custozza und für den
dritten Akt eine entzückende Gartenlandschaft mit einem
schweren Hintergrund von düsteren Tannenwäldern und
darüber ragendem Hochgebirge geschaffen hatte. Frau Irene
Triesch hatte als Marie nielleicht keinen Menschen, wohl aber
eine Figur darzustellen uno sie gab ihr eine außerordentliche Bild¬
kraft. Hinter dem sterbenden Vater stand sie wie udith und den
todgeweihten Geliebten grüßte sie mit dem geheimutsvollen Lächeln
der Monnalisa. Das Leidenschaftliche gelingt ihr besser als das
Sinnliche, ihre Hingebung ist ein Feuer, das mehr brennt als wärmt,
aber sie führt den Blitz auf der Zunge, und ihr Wesen leuchtet
von einer Energie, die so leicht nichts verloren gibt. Als eine
Retterin bewährte sich auch, zum ersten Mal auf diesen Brettern,
die der Bühne wiedergewonnene Frau Grete Hofmann, sonst
Frau Ernst Kraus, in der fast unmöglichen Rolle der Katharina. Die
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19. Der Ruf des ns
Dame hat einen innig befeelten Ton, der auch im Piano noch weit
trägt, sie genießt die Vorteile einer poetischen Erscheinung, und so
wurde auch diese Schwindsüchtige mit der Liebesraserei zu einem
schönen, wenn nicht überzeugenden, so doch verführerischen Bilde.
Etwas unentwickelt ist noch die Geberdensprache, besonders
wenn sich die Oberarme nicht vom Körper fort wagen,
während die Unterarme sich bewegen — aber das kann sich
mit der größeren Sicherheit geben, und wenn der gestrige
rein lyrische Ton aus einem reicheren Register ent¬
nommen sein sollte, so wäre eine Hoffnung etwa auf Nachfolge
von Teresina Geßner gegeben. Bis auf Herrn Bassermann, der
den Obersten und Nächer seiner Ehre in glänzendster Maske und
pikantester Trockenheit scharf herausgab, konnten die anderen
Darsteller an ihren Rollen nicht viel Freude haben. Herr
Marr hielt den kranken Vater, dessen Leiden etwas
Theater und Kunn.
langweilig wird sehr gut durch, Herr Reicher spielte
einen Arzt und Raisonneur mit geringer Lust Herr Rittner
„Der Ruf des Lebeus“ von Arthur Schnitzler erscholl
seinen Forstadjunkten mit großer Unlust. Herr Stieler als
jestern abend zum ersten Mal im Lessing=Theäter und rweckte
Lentnant wußte, wie immer, sympathisch zu bleiben, Fräulein Else
ein recht lebhaftes Eche von Klatschen und Zischen. Unsere be¬
Schiff wie immer unsympathisch in der provinzmäßig verarbeiteten
deutendsten Dramatiker stud nicht mehr im stande, einen reinen
Rolle der an sich schon fürchterlich romanhaften Oberstengattin.
Erfolg oder einen reinen Mißerfolg zu erringen. Sie sollten
Frau Else Lehmann, die immer der Tochter Katharina nachzu¬
wenigstens ihre leibhafte Persönlichkeit dem Kampfe entziehen und
laufen hatte, mußte sich damit begnügen, höchst appetitlich auszu¬
sich dem Ruf des Publikums versagen, dessen Meinung sie überdies
in begreiflicher Aufgeregtheit nicht immer verstehen; doch da spricht man
sehen. Das Stück kritifiert sich selbst, das solche Kräfte brach
vergebens. Aber vielleicht sind sie klüger als der Mahner, vielleicht
legte. O. E.
hatte das Publikam den zweiten und dritten Akt nicht für
Schnitzlersche Arbeit gehalten wenn sich Herr Dr. Arthur Schnitzler
aus Wien nicht durch persönliches Erscheinen für die Tatsache
verbürgt hätte. Allein der erste Akt zeigt seine Hand. Zwei
Mädchen folgen dem Ruf des Lebens. Marie hat erst ihren
unheilbar kranken Vater nach Gretchens Methode mit einem
Schlaftrunk zur ewigen Ruhe zu bringen, dann stürzt sie zu
ihrem Leutnant von den blauen Kürassieren, dem tod¬
geweihten Regiment; denn es ist Krieg, allerdings nur ein Theater¬
krieg, nicht zu bemerken, wenn er nicht gerade gebraucht wird. In
ihr Zögern und Bedenken hinein taumelt wie ein trunkener
Schmetterling die schwindsüchtige Base Katharina, die wie im
Fieber liebt, einen nach dem anderen, weil es doch bald aus ist.
Der zweite Akt konnte von einem energischen Nachahmer
des „Morituri“=Dichters gemacht sein. Marie trifft ihren Leutnant
in einer ungewöhnlichen Situation, die sie, hinter einem Philippi¬
schen Vorhang versteckt, erdulden muß. Die Frau des Obersten
wird im Zimmer des Leutnants, ihres Liebhabers, von ihrem
Manne erschosfen: So kann sie ihm nur eine Nacht schenken,
da auch er am nächsten Morgen tot sein muß, und das geschieht!
ausgiebig zwischen dem zweiten und dritten Akt, welch' letzterer
wiederum von einem Nachahmer Schnitzlers gemacht scheint, der
aus der „Liebelei“, dem „Einsamen Weg“ und dem „Schleier der
Beatrice“ die feinsten Worte der Nachdenklichkeit ausgezogen hat.
Hier zusammengetragen sagen sie ungefähr, daß, wer ge¬
storben, tot ist, und wer lebt, lebendig ist. Gestorben
ist das süße Katharinchen, aus ihrem Liebestraum ins
formenlose Nichts hinübergetaumelt, am Leben geblieben das
leidenschaftliche Mariechen, und so spricht nichts dagegen,
daß sie nach Buhlerei und Mord noch einmal den strammen
Forstadjunkten heiraten wird, der erst die Base und dann sie
selbst treu geliebt hat. Das ist eben der Ruf des Lebens, den
wir morgen noch des genaueren besprechen wollen. Die Auf¬
führung war gut wie alles, was jetzt am Lessing=Theater
gemacht wird, auch in dekorativer Hinsicht, da Herr
Walser zwei einfache überzeugende Interieurs mit Kostümen
zur Zeit der Schlacht von Custozza und für den
dritten Akt eine entzückende Gartenlandschaft mit einem
schweren Hintergrund von düsteren Tannenwäldern und
darüber ragendem Hochgebirge geschaffen hatte. Frau Irene
Triesch hatte als Marie nielleicht keinen Menschen, wohl aber
eine Figur darzustellen uno sie gab ihr eine außerordentliche Bild¬
kraft. Hinter dem sterbenden Vater stand sie wie udith und den
todgeweihten Geliebten grüßte sie mit dem geheimutsvollen Lächeln
der Monnalisa. Das Leidenschaftliche gelingt ihr besser als das
Sinnliche, ihre Hingebung ist ein Feuer, das mehr brennt als wärmt,
aber sie führt den Blitz auf der Zunge, und ihr Wesen leuchtet
von einer Energie, die so leicht nichts verloren gibt. Als eine
Retterin bewährte sich auch, zum ersten Mal auf diesen Brettern,
die der Bühne wiedergewonnene Frau Grete Hofmann, sonst
Frau Ernst Kraus, in der fast unmöglichen Rolle der Katharina. Die