II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 22

19. Der Ruf des Lebens
Zeitungsnotiz recht haben mag, nach der dieser pracht¬
volle Künstler um solcher Behandlung willen schweren
Herzens in Reinhardts Lager übergegangen ist,
eLehmann, die mit ihm geht, mühte sick
ebenso tapfer wie Rittner; einem hohlen Nichts
einer durch rostige Schablonen gepinselter
Mutter, ihr warmes Leben einzuhauchen. Heri
Reicher war vorzüglich als reflektierender Arzt
Er gab dem großen Mund Kopf und Glieder,
so daß man „fast an einen Menschen glaubte
Es liegt eine schwüle Luft über diesem
akademisch zurechtgezimmerten Stück, man glaubt
Ateliergeruch zu spüren. Das Ganze sollte
doch nicht ein Karnevalscherz mit vier Leichen und
drei Liebeleien sein? Wer weiß —: carne vale,
ade Fleisch! Herbei, ihr blutlosen Schemen, herbei
Draht und Leder und Hobelspähne zur Marionetten¬
fabrikation, hört ihr nicht — den Ruf des Lebens?
Karl Strecker. —
Aus München wird uns geschrieben: ##e
kamatische Gesellschaft hat inzGasthof
„Vier Jahreszeiten“ einen literarischen Abend ver¬
anstaltet, der sich eines ebenso zahlreichen wie vor¬
nehmen Besuches zuerfreuen hatte, Herr Maximilian
Harden hielt einen mit einmütigem Beifall
aufgenommen Vortrag über theatralische Tagesfragen
und verbreitete sich mit besonderer Eindringlichkeit
Herr Harden erzählte,
über den Fall Bahr.
daß er Bahr abgeraten habe, die Berufung an
die Münchener Hofbühne anzunehmen. Bahr habe
dem praktischen Theaterbetrieb zu lange fern¬
gestanden, er sei zu alt, um sich da hineinzufinden,
wenn er auch sonst eine Reihe wichtiger Fähigkeiten
zur Ausfüllung des Berufes eines Oberregisseurs an
einer erstklassigen Bühne mitbringe. Herr Harden
stellte der persönlichen Ehrenhaftigkeit Bahrs ein
glänzendes Zeugnis aus, tadelte die maßlosen
Angriffe, die die ganze Frage verschoben und
auf ein schwer diskutierbares Gebiet gebracht hätten
und bedauerte, daß die ganze Sache jetzt in wenig
vornehmer und der Kunst wenig diensamer Weise als
reige Geldfrage zu enden drohe. Herr Bahr hätte
einfach darauf bestehen sollen, daß man ihm in
München die Möglichkeit gebe, den Befähigungs¬
nachweis zu erbringen. Neben zahlreichen hohen
Beamten und Vertretern der Hofgesellschaft wohnt.
auch Herr Intendant von Speidel dem Vor#rage
M. G. C.
bei.
Das Schumann=Fest in Bonn. Bonn rüstet sich,
auch in diesem Jahre in der Himmelfahrtswoche sein her¬
kömmliches Musitfest zu begehen. Diesmal gilt, wie be¬
kannt, die Feier dem 50. Todestage Schumanns, desser
Name durch viele Erinnerungen mit Bonn verknüpft ist
Professor Joachim wird wiederum bei dem Bonner
mit Professor
Fest erscheinen; er teilt sich
Grüters, dem städtischen Musikdirektor von Bonn,
in die Leitung der Aufführungen. Das verstärkte
Berliner Philharmonische Orchester übernimmt den
instrumentalen Teil. Ernst von Dohnänyi sowie das
Pariser Bläserquartett des Herrn Penable sind als
Instrumentalsolisten gewonnen. Für den Sologesang haben
sich die Damen Kappel und von Kraus=Osborne, die Herrer
Dr. von Kraus, Professor Messchaert und Felix Senius
zur Verfügung gestellt. Endlich wird der Bonner städtische
Gesangverein in einer Stärke von etwa 200 Damen und
über 100 Herren die Choraufgaben übernehmen.
Aus Osnabrück wird uns geschrieben: Im hiesigen
Dürer=Bunde wurde ein Antrag auf Bewilligung eine
Summe für das geplante Heine=Denkmal zurück
gewiesen, nachdem erklärt worden war, Heine habe doch zu
box 24/1
DBLERW
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ause
Wien, I., Concordiaplats 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest. Chicngo, Christiania, Genf, Kopenl
London, Madrid, Meiland, Minneapolis, New-York, Paris,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus
25 1.
Neues Wiener Jeurnal
vom:
Schnitzlers Der Ruf des Lebens“
Die Erstaufführung im Berliner Lessing=Theater.
Berlin, 24. Februar. (Privat= Telegramm
(des „Neuen Wiener Journal“.) Im Lessing¬
Theater fand heute die Erstaufführung von Artur
in drei Akten „Der
Schnitzlers Schauspiel
[Ruf des Lebens“ statt. Dieses jüngste Drama
Schnitzlers wurde abgelehnt. Es hat diesen Mißerfolg der
Skeptik des Dichters zuzuschreiben, welche ihm nicht
mehr erlaubt, die Vorgänge lebenswahr und glaubwürdig
darzustellen. In dem Stücke finden sich viele Reflexionen,
namentlich der Anfang und das Ende sind damit reichlich aus¬
gestattet. Dazwischen spielen sich eine Reihe aufregender
Vorfälle ab, wie Mord, Totschlag usw. Ein Mädchen reicht
seinem sterbenskranken Vater statt der Arznei Gift,
damit es seinem in die Ferne ziehenden Geliebten die letzte Nacht
schenken kann. Der Dichter arbeitet mit etwas drastischen Mitteln
und bringt am Ende eine Reihe von Räsonnements. Die Dar¬
stellung litt ebenfalls unter diesen Schwächen des Stückes, und so
kam es zu dem obenerwähnten Mißerfolg.
Die heutige Novität brachte die Revolution auf die
Bühne. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß schon
die Vorbereituugen des Dramas von revolutionären Erscheinungen
begleitet waren. Der treffliche Rudolf Rittner hatte, wie
schon oft, wieder einmal Einwendungen gegen seine Rolle erhoben
und versuchte Direktor Brahm zu bewegen, ihm die Rolle
wieder abzunehmen. Allein Brahm blieb fest und stützte sich auf
den Vertrag. Rittner sah sich infolgedessen veranlaßt, den Lockungen
Reinhardts zu folgen, und so steht das Engagement des
Künstlers an das Deutsche Theater im engsten Zusammenhang mit
der heutigen Novität des Lessing=Theaters. Reinhardt hat Rittner
eine Gage von ungewöhnlicher Höhe geboten und ist auch sonst
Rittner insofern entgegengekommen, als er ihn nur für fünf
Monate im Jahre verpflichtete und ihm so Gelegenheit gab, viele
Monate im Jahre fern vom Theater auf seinem schlesischen Gut
zin schöner Freiheit zu genießen.