19. Der Ruf des
Lebens
box 24/1
—
Telephon 12801.
555
„SUSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Geuf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Oeallenangabe ehne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Noscarlache „geteg
vom:
W
Ma. Madle
12
„Der Ruf des Lebens.“
B. Gewiß,
Der Ruf des Lebens, Schauspiel in
drei Akten von Arthur Schw#ter und zum ersten Male
am Se mabend im LessingeTye#ter gegeben hat seine
mancherlei Mängel. Und wohlweise Herrschaften werden
kommen und dem Stücke mindestens ein Dutzend Fehler an¬
streichen. Daß seine Handlung (wenigstens zwei Akte lang)
gar gröblich sei (einmal wird vergiftet, dann mit der Pistole
geknallt, und jeder Akt hat je seine Leiche); daß es „konstruier!“
scheine (das beliebte Wörtlein, das überall da zur Hand
ist wo man das „von innen heraus“ vermissen zu müssen
meint); daß es schon etliche Vorbilder für diese Auf¬
des=Messero= Schneide =Konflikte gebe; daß trotz aller
Ereignisfülle doch wieder stellenweise viel zu viel geredet
werde; und so weiter. Wir indessen, die wir zu den allen
Philistern gehören, welche im Drama immer noch Tat und
Geschehen wollen, fühlten es wie eine Erfrischung, diese anti¬
quierten Forderungen wieder einmal reichlich erfullt zu sehen
und nach dem kommentarhungrigen und hundert Deutungen
fähigen „Glashüttenmärchen“ zwei Akte von Fleisch und Bein
zu erleben, denen allerdings ein dritter mit desto breiterer
Redseligkeit und dem berühmten non liquet folgte. Als ob ein
Weinmacher, dem sein Tropfen gut geraten ist, glaube, nun
gerade einen tüchtigen Schuß Wasser zusetzen zu müssen..
Das Thema „Ruf des Lebens“ wird so augenfällig ab¬
gehandelt, daß man seine Variationen mit erstens, zweitens,
drittens aussagen kann. Erstens: der Rittmeister einer
Schwadron der österreichischen „blauen Kürassiere“ steht in
irgend einer Schlacht (da der Dichter die Zeit nicht genauer
umschreibt, hat es auch keinen Zweck, erst im Geschichtsbuche
nachzusehen, welche Schlacht gemeint ist; übrigens tut der Name
auch nichts zur Sache) auf einem höchst exponierten Posten
viele Stunden lang. Da packt ihn jählings so etwas wie
Todesfurcht oder Lebensdrang. Er wirft sein Pferd herum
und reißt die Schwadron mit zur Flucht. Die Bataille
wird durch diese Handlung verloren. Und Schmach haftet an
der Fahne der „blauen Kürassiere". Zweitens (und hier
beginnt das Schnitzlersche Drama): der Rittmeister ist ein
alter, unheilbar kranker Mann geworden, ein zänkischer,
ekliger, tyrannischer Kerl, der seine einzige, ihn hingebend
pflegende Tochter Marie (seine Frau ist tot) schikaniert und
quält bis aufs Blut. Das Mädchen aber will leben und ist
genau so wie ihre Base Katharina bereit, dem „Ruf des
Lebens“ besinnungslos zu folgen. Beide sind in Leutnants
der „blauen Kürassiere“ verliebt. Nun ist aber wieder Krieg,
und das Regiment hat sich entschlossen, jene um
dreißig Jahre zurückliegende
Schande abzuwaschen,
indem
sich in einer bevorstehenden Schlacht
preisgeben will, daß
gänzlich aufgerieben werden
muß. In der Frühe soll man ausrücken. Marie, die
vorher einen sich ernstlich um sie bewerbenden Forst¬
adjunkten ausgeschlagen hat, tut eine verzweifelte Tat,
frei zu werden. Sie reicht dem Vater, von dem sie eben ver¬
nommen, daß er vor dreißig Jahren jene schmähliche Retirade
veranlaßt hat, ein Schlafmittel in so starker Dosis, daß der
Kranke gleich tot hinfällt. Dann stürzt sie fort, ihrem Leut¬
nant in die Arme. „Es lebe das Leben!“ Drittens: eben¬
derselbe Leutnant hat ein Liebesverhältnis mit der jungen
Frau seines nicht mehr ganz jungen Obersten. Also
Lebens
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Telephon 12801.
555
„SUSERVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Geuf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Oeallenangabe ehne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
Noscarlache „geteg
vom:
W
Ma. Madle
12
„Der Ruf des Lebens.“
B. Gewiß,
Der Ruf des Lebens, Schauspiel in
drei Akten von Arthur Schw#ter und zum ersten Male
am Se mabend im LessingeTye#ter gegeben hat seine
mancherlei Mängel. Und wohlweise Herrschaften werden
kommen und dem Stücke mindestens ein Dutzend Fehler an¬
streichen. Daß seine Handlung (wenigstens zwei Akte lang)
gar gröblich sei (einmal wird vergiftet, dann mit der Pistole
geknallt, und jeder Akt hat je seine Leiche); daß es „konstruier!“
scheine (das beliebte Wörtlein, das überall da zur Hand
ist wo man das „von innen heraus“ vermissen zu müssen
meint); daß es schon etliche Vorbilder für diese Auf¬
des=Messero= Schneide =Konflikte gebe; daß trotz aller
Ereignisfülle doch wieder stellenweise viel zu viel geredet
werde; und so weiter. Wir indessen, die wir zu den allen
Philistern gehören, welche im Drama immer noch Tat und
Geschehen wollen, fühlten es wie eine Erfrischung, diese anti¬
quierten Forderungen wieder einmal reichlich erfullt zu sehen
und nach dem kommentarhungrigen und hundert Deutungen
fähigen „Glashüttenmärchen“ zwei Akte von Fleisch und Bein
zu erleben, denen allerdings ein dritter mit desto breiterer
Redseligkeit und dem berühmten non liquet folgte. Als ob ein
Weinmacher, dem sein Tropfen gut geraten ist, glaube, nun
gerade einen tüchtigen Schuß Wasser zusetzen zu müssen..
Das Thema „Ruf des Lebens“ wird so augenfällig ab¬
gehandelt, daß man seine Variationen mit erstens, zweitens,
drittens aussagen kann. Erstens: der Rittmeister einer
Schwadron der österreichischen „blauen Kürassiere“ steht in
irgend einer Schlacht (da der Dichter die Zeit nicht genauer
umschreibt, hat es auch keinen Zweck, erst im Geschichtsbuche
nachzusehen, welche Schlacht gemeint ist; übrigens tut der Name
auch nichts zur Sache) auf einem höchst exponierten Posten
viele Stunden lang. Da packt ihn jählings so etwas wie
Todesfurcht oder Lebensdrang. Er wirft sein Pferd herum
und reißt die Schwadron mit zur Flucht. Die Bataille
wird durch diese Handlung verloren. Und Schmach haftet an
der Fahne der „blauen Kürassiere". Zweitens (und hier
beginnt das Schnitzlersche Drama): der Rittmeister ist ein
alter, unheilbar kranker Mann geworden, ein zänkischer,
ekliger, tyrannischer Kerl, der seine einzige, ihn hingebend
pflegende Tochter Marie (seine Frau ist tot) schikaniert und
quält bis aufs Blut. Das Mädchen aber will leben und ist
genau so wie ihre Base Katharina bereit, dem „Ruf des
Lebens“ besinnungslos zu folgen. Beide sind in Leutnants
der „blauen Kürassiere“ verliebt. Nun ist aber wieder Krieg,
und das Regiment hat sich entschlossen, jene um
dreißig Jahre zurückliegende
Schande abzuwaschen,
indem
sich in einer bevorstehenden Schlacht
preisgeben will, daß
gänzlich aufgerieben werden
muß. In der Frühe soll man ausrücken. Marie, die
vorher einen sich ernstlich um sie bewerbenden Forst¬
adjunkten ausgeschlagen hat, tut eine verzweifelte Tat,
frei zu werden. Sie reicht dem Vater, von dem sie eben ver¬
nommen, daß er vor dreißig Jahren jene schmähliche Retirade
veranlaßt hat, ein Schlafmittel in so starker Dosis, daß der
Kranke gleich tot hinfällt. Dann stürzt sie fort, ihrem Leut¬
nant in die Arme. „Es lebe das Leben!“ Drittens: eben¬
derselbe Leutnant hat ein Liebesverhältnis mit der jungen
Frau seines nicht mehr ganz jungen Obersten. Also