II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 42

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des Lebens
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sentanten des Klassenbewußtseins, der ihre Klasse
tödliche Dosis eines von Dr. Schindler zurückge¬
Lessing=Theater.
beherrschenden Ideen und Vorurteile. Schnitzler
lassenen Schlafpulvers und stürzt über des Alten
verfährt hier nach dem gleichen Rezept wie Strind¬

Leiche hinweg in die Arme des Geliebten.
Zum 1. Male: „Der Ruf des Lebens“,
berg in „Fräulein Julchen.“ Keine Menschen mehr
Der zweite Akt spielt im Wohnzimmer des
Schauspiel in 3 Akten von Arthux Schnitzler,
aus Fleisch und Blut, Typen, Konstruktionen des
Leutnants Max.= Er ist damit beschäftigt, Liebes¬
Schnitzter ist einer von den Suchern und Ver¬
Dichters, in denen er das Leitmotiv ganzer sozialer
briefe, die Dokumente seiner unerlaubten Beziehun¬
Schichten erklingen läßt.
suchern, die den Blick für die feine, versteckte Tragik
gen zur Gattin seines Obersten, zu vernichten. Da
des modernen Lebens haben, in denen noch nicht
Der erste Akt spielt in Wien in einer klein¬
erscheint dieser selbst und sucht Max durch ver¬
bügerlichen Krankenstube. Als Pflegerin eines ver¬
Ausgesprochenes nach dramatischer Gestaltung
fängliche argwöhnische Fragen ein Geständnis sei¬
ringt. Man darf nicht verlangen, daß ein solcher
ner Schuld abzulocken. Max leugnet und lehnt ein
bissenen, tückischen Gichtkranken, des alten Moser,
sich die Regeln für sein Schaffen aus der „Technik
Anerbieten des Obersten, ihn vom Todesritt zu dis¬
veratmet dessen Kind Marie in dieser Marter¬
des Dramas“ holt, er wird experimentieren, sich
kammer ihre blühende Jugend. Während der Alte mit
pensieren, unter Hinweis auf seine Soldatenehre
verirren, einsame Kreuz= und Querpfade gehen
brutaler Gemeinheit das apashisch duldende Ge¬
ab. Anders denkt sein Kamerad Albrecht, der den
und denen, die den sicheren Besitz diesem tastenden
schöpf von seinem Krankenstuhle aus quält und be¬
Todesritt als eine ehrgeizige Schrulle des Kom¬
geifert, klingt von der Straße her das ferne Brau¬
Begehren nach noch ungehobenen Schätzen vor¬
mandeurs und die Hingabe des Lebens, des einzig
ziehen, unverständlich und tempelschänderisch er¬
sen vorüberziehender Schwadronen, die in den
Wünschenswerten, für eine Idee als Narrheit be¬
scheinen. Aber in all diesen Versuchen, von der
Krieg ziehen. Unter ihnen ist auch das Regiment
zeichnet. Und dann wird Marie, die sich unbemerkt
„Liebelei“ über den „Grünen Kakadu“ bis zum
der blauen Kürassicre, von denen keiner heimkehren
in ein Nebengemach geschlichen hat und dort ver¬
„Zwischenspiel“ und dem neuesten phantomartig
wird. Das Regiment hat in einem früheren Kriege
borgen hält, die Zeugin folgender Szene. Der Offi¬
über die Bretter huschenden symbolistischen Spuk
einmal die Fahnenflucht ergriffen und dadurch den
zier empfängt den Besuch der Gattin des Obersten,
vom „Ruf des Lebens“ wird etwas an die Ober¬
Verlust der Schlacht herbeigeführt. Der Oberst hat,
die ihn in glühenden Liebesworten beschwört, sich
fläche gebracht, das aus den Tiefen des Menschen
angeblich um die alte Schuld zu sühnen, vom Kaiser
nicht dem Todeszuge anzuschließen, sondern sich lie¬
von heute stammt. Im „Ruf des Lebens“ ist es
die Gunst erbeten, das Regiment in den Tod zu
ber — krank zu stellen. Aber auch jetzt bleibt Max
das grimmige „Nein“ des an den göttlichen Ord¬
führen. Auf einem Ball hat Marie einen dieser
taub für den Ruf des Lebens und schüttelt die schöne
nungen irre gewordenen Menschen, ein Aufbäumen
Offiziere, Max, getroffen, den sie glühend licbt, ohne
Versucherin ab wie eine lästig gewordene Dirne.
gegen alles, was als kategorischer Imperativ, als
daß sie ihn je wiedergesehen. Aber seitdem dünkt
Da klirrt das Fenster, der Oberst springt ins Zim¬
Pflicht und Moral in Form eines Kommandos und
ihr das einsame Verblühen am Krankenbette des
mer und schießt nach kurzem Wortwechsel die Un¬
im Widerspruch zu den Lebensinstinkten das Ich
wüsten Alten wie ein grausamer Hohn auf alles,
getreue kalt lächelnd nieder. Für den Verführer
beugen und beschränken will. Das Bibelwort, die
was in ihr nach Leben und Glück schreit. Ein
hat der raffinierte Rächer seiner Ehre keine Kugel.
Moralgesetze, die Aufopferung für Ideen fürs Va¬
Arzt, Dr. Schindler, der als resignierter Philosoph
Nach dem Abgang des Obersten will Max das Un¬
terland, das Streben nach Ruhm, sie erscheinen in
und Menschenfreund die Vorgänge des Dramas
vermeidliche selbst erledigen, da erscheint — Marie.
Schnitzlers Beleuchtung wie Kerkermauern der in
glossiert, besucht den Kranken und trifft dort mit
Jetzt folgt er dem Rufe des Lebens, wenn auch nur
der Freiheit geborenen Seele, wie die Sug¬
für eine kurze Nacht.
dem Forstadjunkten Rainer zusammen, dem Ver¬
gestionen kluger und mächtiger Lebensspieler zur
lobten Mariens, der eine Oberförsterstelle in Steier¬
Der Schlußalt spielt auf dem Lande in Nie¬
besseren Ausnützung und Beherrschung der Masse.
mark antreten und Marie als seine Frau mitnehmen
derösterreich im Garten des mittlerweile zum #
Wie, wenn man die Spielregeln, hinter denen sich
möchte. Schindler rät Marie zur Annahme des
Oberförster avancierten Adjunkten. An den Gar¬
ja doch nichts öttliches verbirgt, die nur Worte
Antrages und zur Flucht, da der Alte, obwohl ret¬
tenzaun stoßen frische blumige Wiesen, hinter denen
sind, einfach ignorierte, umstieße? Beides geschicht
tungslos krank, noch lange leben könne, und das
die Waldberge aufsteigen. Auch die Mutter Katha¬
im „Ruf des Lebens“, und zwar ist es das Weib
Opfer Mariens eines Bibelwortes wegen einem
rinas befindet sich hier in Begleitung Mariens.
(nicht der besser gezähmte Mann), das den Mut
Seibstmord gleichkomme. Sie aber lehnt den An¬
Sie beklagt ihr unglückliches Kind, das seit einiger
dazu findet. Sie verläßt das Gefängnis, sie er¬
trag ab, und dabei bricht nun alles, was dieses
Zeit verschollen ist. Auch Dr. Schindler ist da und
zwingt sich den Weg ins Freie. Ueber die Leiche
verschlossene, schweigsame Weib an wider Leiden¬
trifft hier mit Marie zufammen. Aus ihren Ge¬
des von ihr gemordeten Vaters hinweg reißt sie
schaft, an Lebensdrang in sich birgt (man kann sich
sprächen geht hervor, daß nach jener verhängnis¬
ein elementarer Lebensinstinkt ins Freie. Der
vollen Liebesnacht der Leutnant sie wie eine Dirne
vorstellen, wie Irene Triesch diese Szene
Mann dagegen, den dieses Weib liebt, erweist sich
spielte), vulkanartig hervor. Mord, Untreue, Buh¬
von sich gestoßen und sich dann an der Leiche der
als nicht reif für diesen Standpunkt. Er hat den
lerei hat sie begangen, wenn auch nur in Gedanken,
Ehebrecherin erschossen hat. Dr. Schindler hat den
Mut, seinen Oberst, mit dessen Gattin er ein Ver¬
um ihrem Kerker zu entfliehen. Nur der Mut zur
Mord, den Marie am Vater begangen, zugedeckt,
hältnis hat, schamlos zu belügen, aber ihm fehlt
Tat hat gefehlt. Wie sie den Herrn Adjunkten
damit nicht andere, die sie nicht verstehen, über sie
die Kraft, sich einem Befehle dieses Mannes zu
fragt, ob er noch den Mut besitzt, sie nach diesem
zu Gericht sitzen. Marie leidet zwar unter dem
widersetzen, der ihn in den Tod jagt um einer Idee,
Betenntnis zu heiraten, tritt dieser schleunigst den
Verhängnis, das ihr Leben zerstört hat, aber sie
der Soldatenehre willen. Der Drill ist stärker in
Rückzug an. Und nun wird auch die Tat geboren.
kann nicht berenen, was geschehen mußte. Glücklos,
ihm als der Wille zur Freiheit.
Durch eine Verwandte, Katharina, die infolge der
ohne Ziel schreitet sie durchs blühende Leben! Dai
Das Drama selbst ist aufs Künstlichste vom
Untreue des Adjunkten, der sie um Mariens willen
erscheint auch Katharina, atemlos, gehetzt von wil¬
Dichter konstruiert, um diesem Gedankengange Aus¬
aufgegeben hat, ein wildes Genußleben führt, er¬
den Fieberträumen gleich einer sterbenden Bacchan¬
druck zu verleihen, Zeit und Milieu — es spielt an¬
fährt Marie, daß der Offizier, den sie liebt, noch in
tin, noch im Tode ein Evoe auf den Lippen. Auf
geblich Mitte des vorigen Jahrhunderts in Oester¬
Wien ist und erst morgen sich dem Kriegszuge an¬
den Wiesen spielen sorglose Kinder zwischen Blu¬
reich — sind Maske, die Lebensspieler darin sind
schließen soll. Der Ruf des Lebens ist mächtiger
men, während in dem kleinen Gärtchen der letzte
keine wahrhaften Menschen, Individuen im natura¬
in ihr als die sittliche Forderung. Sie reicht dem
Akt einer Tragödie sich vollzieht. Es flattert da¬
listischen Sinn des Wortes, sondern Typen, Reprä= Vater, der den Schlüssel zur Stubentür hat, die von, dieses leichte, zierliche, bewegliche Seelchen.
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