II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 81

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19. Der Ruf des Lehens

Auch von Gastspielen= hat es im Monat Jun
ihre Muse hier am ehesten den klinnenden Lohn er-geweihten Hause noch ihre Thesenschlacht ausführten,
warten kann. Er“ kürzlich, just vor Schluß der Spiel-tritt ein Weib auf, das den frommen Gottesmann eineslein wenig getröpfelt. Da kam Maria Pospischill
unzüchtigen Angriffs auf ihre Frauenehre bezichtigt. Hamburg und spielte mit einem leider nur not
zeit, hatten wir noch ein Beispiel dieser dramatischen
Der Pfarrer gesteht und bereut öffentlich, aber er be= abgestimmten Ensemble eine Reihe Klassiker=Tra##
Mitläuferschaft ohne dramatischen Beruf. Den Berliner
in denen ihr meistens die Hauptrolle zufiel: die
reut, die Tat nicht begangen, mit der Absicht nur
Rechtsanwalt Oliven, der unter dem Pseudonym
des Sophokles, die Iphigenie Goethes, die Sapph
Rideamus in Simplizissimus=Tonart allerlei Gesellschafts=fgespielt zu haben. Dies Bekenntnis zum Evangelium
satiren zum besten gegeben hat, stach plötzlich der der freien Liebe ist der erste Triumph des Teufels; der die Medea Grillparzers. Die persönlichen Kunstlei
zweite folgt auf dem Fuße. Der Herrgott selber, heißt der tüchtigen und klugen Tragsdin in allen Ehren
Ehrgeiz des Dramatikers, und die Sommerdirektion
daß ihr recht anspruchsvoll verkündigtes Be
des Lessingtheaters war gutmütig oder schwachses plötzlich, stehe im Bettlergewand vor der Kirchenpforte.
genug, seinen „psychologischen Bluetten“, burlesken Der Pfarrer erkennt ihn nicht und weist den frechen die Großen der Weltliteratur „in dem Naturali###
Dichterepoche", d. h. in dem ihrer Zeit und ihrem
Tragödien“ und „burlesken Phautasien“ den Schlüssel zur Landstreicer hochmütig von der Schwelle. Da ist sein
Bühne auszuliefern. Der Unfug und die Verwirrung, die Maß voll: der Teufel darf ihn mitsamt seiner Gemeinde gemäßen Natürlichkeitsstile, nicht etwa in dem „2
die aus den Witzblättern entsprungenen Biesterchen da und dem neuen Gotteshaus vom Erdboden vertilgen.lismus des 20. Jahrhunderts“ zu spielen, etwas wer
anrichteten, wäre furchtbar geworden, wenn sich nicht Der Sinn der „Komödie“ würde sich aus der an Unklar=anderes und höheres bedeute als die Klassiker=Renc
alsbald auch das sommerliche Publikum seiner kritischen heiten und Widersprüchen reichen Handlung nur schwerl die ohnedies schon im Werke, hat sie uns einstwei
enthüllen, wenn der Verfasser seiner Ohnmacht, sinnfällig ihren z. T. recht unausgeglichenen Aufführunge
Verpflichtung bewußt geworden wäre, solche Konterbande
und greisbar zu gestalten, nicht durch allerhand redselige zu beweisen vermocht. — Im Neuen Königlichen
in dem Reiche des Dramas nicht zu dulden. Wie gern
Erläuterungen, die scholastisch neben dem Grundtext rheater konnten Freunde der musikalischen Stilverg
man heute im Theater lacht, hatte dasselbe Publikum
in den letzten Wochen seltene Feste feiern. D'Al
einherlaufen, zu Hilfe gekommen wäre. Daraus erfahren
an derselben Stelle wenige Wochen zuvor bei Rößlers
Gastspiel folgte das des Belgiers Henri Alb#
„Lebensfest“ bewiesen; aber daß es sich deshalb auf der1 wir denn glücklicherweise, daß Paul einmal wieder den
Theatre de la Morrain in Brüssel; dem schmieg
Bühne noch nicht mit oberflächlich dramatisierten Café= Bannstrahl gegen das papierne, leblose Dogma schleudert,
zierlichsten und temperamentvollsten Rigoletto un
und Bierbankspäßen abspeisen läßt, hat es jetzt in nicht das Gott wohl stets und überall im Munde führt, ihn
Juan folgte der kraftvollste, wuchtigste, pathetisch
eigentlich aber gar nicht kennt und von seinem Wesen
minder deutlicher Weise kundgetan. Jeder Freund einer
bürgerlichste

nichts begriffen hat, und daß er von seiner Kanzel leider auch der behäbigste und
reinlichen Scheidung zwischen den poetischen Gattungen
herab den naiven, herzhaft ohne viel Zweifeln und bisher gegeben hat. Eine Vereinigung beider
darf sich, denk ich, dieser energischen Grenzregulierung
Fragen zugreifenden Lebensgenuß predigen möchte, derl verschiedenen Temperamente würde für die Rolls
aufrichtig freuen.
sich erinnert, daß Gott selber ja nicht Mensch geworden wertvollen Fortschritt bedeuten; gilt es sich zuen
So tief diese Rideamus=Späher auf der Stufenleiter
für das eine oder das andere, so wird man D'#
der Kunst hinabstiegen, so hoch suchte die vorletzte Dar=1wäre, wenn er im Menschsein eine Sünde gesehen
doch wohl den „Vorzug geben.
Adolf Paul, dieser aus Finland stammende,
hätte
bietung desselben Unternehmers emporzuklimmen. Es
galt, Adolf Pauls Komödie „Die Teufelskirche“ aufzu= aber schon seit gut einem Jahrzehnt in Deutschland
führen, ein symbolisches Gedankendrama, das, verstehen lebende und deutsch schreibende Dramatiker ist einer der
Buntes Feuilleton.
wir seine Absicht recht, so eine Art von modern=frei=fruchtbarsten, erfindungsreichsten und beweglichsten, die
sinnigem „Faust“ sein möchte. In Form einer Traum= wir haben, und fast immer greift er zu Problemen, die
Heiteres aus der Musikwelt.
handlung, die weder innerlich motiviert noch im Grunde auf Gipfel führen und in die Höhe weisen. Aber immer
1e17 — Kärl Goldmark erzählt einem Mitarb
zeigt sich auch, daß seine Kühnheit größer als
der dramatischen Handlung genügend verankert ist, führt
die Unkenntnis der Wiener Fremdroblattes folgende heitere Erinne##
und daß
seine Kraft
uns der Verfasser da ein geistiges Duell zwischen einem
Jahre, die mir etwa
Gefahren und Schwierigkeiten dieses Weges ist, diel seinen#
Pfarrer, also dem offiziellen Vertreter der Staats¬
religion, und dem leibhaftigen Gottseibeiuns vor. Der ihn so mutig macht, über die Zurückhaltung dey schieden sind, brauche ich Ruhe, seelische und kön
Teufel hat dem Pfarrer und seiner Gemeinde ein neues Berliner Theater kann er, der Eingewanderte, sich nicht Selbst den kleiner Weg, der mich in Gmunden
kostbares Gotteshaus gebaut, aber nur unter der Be= beklagen; ein halbes Dutzend seiner Stücke sind schhul bis zu meinem Häuschen führt, lege ich in
dingung, daß der Pfarrer an der heiligen Stätte nicht aufgeführt, ein weiteres halbes Dutzend soll folgen. Wie zurück. Wo sind die Tage, da mir der A#
etwa in der ersten Stunde schon seinen Herrn und dankbar wollten wir sein, wenn unter diesem noch zu Altaussee zum Grundlsee über die Berge ein
Meister, dem er einzig und allein zu dienen vorgibt, erwartenden Reichtum anstatt vieler neuer Halbheiten Spaziergang war. Noch heute denke ich daran
die schöne Tour zum letztenmal in Gesellsch
verrät und verleuanet. Wäbrend die beiden in dem eben ein einziges Ganzes und Reifes wäre!