hallen, und ein Wort, das die Meisseit des Gegemtelss ille sast einwantofreies oramalisches Fragment geschassen¬
lehrt, könnte ebenso viele gleichgestimmte Saiten in uns
Die kunstvolle Konstruktion des Einzelfalles, die in früheren
mittönen lassen. Wie sind die Menschen, wenn sie wissen,
Stücken seinem Beispiel die beste Kraft gefährdete weil sie
daß sie kurz vor dem Tode stehen? daß sie nach drei Jahren,
zu artistisch wirkte, wird diesmal zu Gewinn. Wundervoll
nach einem Jahr, nach einer Woche, nach einem Tag, nach
sind die Jäden zum neubelebten Schicksalsgedanken ver¬
einer Stunde sterben werden? Das ist das Lieblingsthema
woben. Mariens Vater hat die Schuld auf sich ge¬
Arthur Schnitzlers. Episch und dramatisch, in Prosa und in
laden, um die nun so viel junges Blut sühnend
Versen hat er seinen Geschöpfen schon alle Fristen gestellt,
sich selbst hingießt. Wie ein Stärkeres, das vorher garnicht
sie in wallenden Prunk=Gewändern, in knappen farbigen
in ihm selbst gelebt hat, überfiel es ihn damals; auch ihn
Uniformen und in grauen Alltagskleidern den Ruf des Todes
rief plötzlich das Leben; leben wollte er, Weib und Kind
hören lassen, um ihnen den Schrei des Lebens zu entlocken;
haben. Da floh er vor der Schlacht. Und das Weib ver¬
hat ihr tropfenweise versickerndes Blut in blumenbekränzten
achtet ihn, das Kind quält er, noch immer am Leben klebend,
Schalen aufgefangen und den Sauerstoff eines ganzen
und sie duldet es, bis ein Leutnant von den blauen
Lebens in ihre letzten Atemzüge gepreßt. Aber nur Kürassieren, gerade da sie ausziehen, um das zu sühnen,
eine, eine einzige hat er bisher um das Ende
dem Marie ihr Leben verdankt, sie unwiderstehlich an sich
betrogen: Marie Moser,
die Heldin seines letzten
lockt. Weil der Alte zwischen Marie und ihrem von ihm selbst
Schauspiels „Der Ruf des Lebens“. Sie läßt er das Leben
ausgehenden Schicksal steht, muß er fort, und er, der sich
in letzten Stunden der anderen vom Abgrund der Vernich¬
hämisch freute, daß er die Jungen überleben werde, stirbt
tung pflücken und dann weiterleben. Als sie glaubte, daß als erster von den blauen Kürassieren den Sühnetod für
ihr der Ruf des Lebens unwiderstehlich erschalle, da rief sie alte und neue Schuld. Und weil Marie erst über seine
in Wahrheit der Tod und lockte sie, das Leben im Feuer¬
Leiche zu ihrem Schicksal konnte, kommt sie zu spät. Darum
werk einer Nacht erglänzen und dahinrauschen zu lassen.
muß die Frau des Obersten vor ihren Augen sterben, darum
Und obgleich sie das Schärfen seiner Seuse für die Fanfare
ist Max nicht mehr der Soldatentod vergönnt. So „fallen
des Lebens hielt, war sie bereit, den Anfang an das Ende
Schicksale über die Menschen wie Räuber her“ und ganz
zu knüpfen. Sie verscherzte das Leben vor sich und der Welt,
wie in der antiken Tragödie wird die Schuld des Ahnherrn
als sie es mit gierigen Armen an sich zu pressen versuchte,
zum Schicksal für ein Geschlecht und alle, die dessen Weg kreuzen.
und die eigene Todesentschlossenheit war es, die ihre Pulse
Das Leben wertet achtlos und spielerisch Schuld und
fliegen ließ und dem Vater den Todestrank kredenzte, weil
Verdienste um, aber es kann das mechanische Fortwirken
sein Lebenshunger sie an der Sättigung hinderte. Dann eines Geschehnisses nicht aufhalten, das blind Taten und
gab ihr das Leben an der Schwelle des Todes eine Parade¬
Ereignisse zeugt, gute und böse, gleichgültig, ob Schuld oder
vorstellung mit den protzartigsten Knalleffekten, die es auf
Verdienst am Eingang standen.
Lager hat: den Mord am Vater, die fieberische Jagd zum
Prächtig gelingt es Schnitzler, den ewigen Sieg der
Geliebten, das Betrogensein vor dem Geliebtwerden, das
Alltäglichkeiten des Lebens über die Gewalt des Todes¬
Zittern für den Mann, den Anblick fremden Sterbens, die
gedankens auch in den Nebenfiguren plastisch werden zu
Angst verschmäht zu werden, die Schauer der Erfüllung,
lassen. Wie z. B. „die Tante Richter“ im ersten Akte
die Raserei einer Liebesnacht und die Schmach des
Marie erzählt, daß sie nun auch ihre letzte Tochter sterben
Morgens den Schmerz des Verlustes und den Gang sehen müsse und dabei in demselben Atemholen die Wolle
zur Sühne des Lebens — wahrhaftig, sie hat ihr lobt, die sie beim „türkischen Sultan“ zum Kissen für den
Eintrittsgeld nicht umsonst bezahlt! Und noch mehr:
Diwan, wo sie im Sommer immer den Kaffee trinken, ge¬
Was sie für das vollendete Drama nahm, war nur eine
kauft hat, — das präludiert der Weisheit letzten Schluß im
Art Vorspiel, eine Katastrophe am Beginn — das Stück Abgesang dieses Dramas meisterhaft. Die Steigerung in
war im Aufbau verfehlt. Aber auch solche Stücke werden der Motivierung des Vatermordes ist überzeugend, nur
zu Ende gespielt. Und sie ertappte sich dabei, daß sie scheint mir die Retardierung nach dem Eingießen des
sogar mit der Zeit wieder einiges Interesse daran fand, daß Giftes — nach dem Entschluß also
durch die
sie an mancher Situation, an manchem Wort Gefallen fand, etwas
zu
impressionistisch angelegte Erzählung des
daß sie nach dem Anblick des Grauenhaften noch lächeln Alten von seiner Flucht aus der Schlacht
— bedenk¬
konnte, daß man auch „aus einem solchen Schicksal wieder lich; hier quält den Zuschauer alles, was nicht ersicht¬
emportaucht wie aus einem wilden Traum — und wacht
lich der Katastrophe zudrängt. Würde Marie erst
und lebt und sich sehnt zu leben.“
durch die Erzählung vom letzten Zögern befreit, dann käme
Aber dieses Drama nach der Katastrophe ist uns
kein Motiv gleichsam der Tat nachgehinkt. Von im¬
Schnitzler diesmal noch schuldig geblieben. Er hat es uns
ponierender Knappheit und edelster Schlagkraft ist die
gezeigt, uns erzählt, daß seine Seele davon erfüllt ist und
Szene zwischen Max und em Obersten am Fenster; es
seine Kunst dafür heranreift, er hat es versprochen. Dies¬
gibt nicht viel, was ihr auf der deutschen Bühne an
die Seite
mal hat er das Thema seines bisherigen Schaffens zu
stellen wäre. Dagegen fällt die
einem Ende gebracht, das die Ueberwindung dieses Stoffes
Szene zwischen Max und Irene stark ins Konven¬
bedeutet. Er läßt uns hier auch hoffen, daß er sich von
tionelle hinab; die Frau Oberst ist ein totes Requisit.
der Ueberschätzung des rein Erotischen befreien wird. Diese
Erst mit dem Sprung des Obersten durchs Fenster ins
Verheißung glaubte ich schon aus dem „Zwischenspiel“ Zimmer gewinnt Schnitzler die frühere Höhe wieder. Die
heraushören zu dürfen. Dort ist auch das neue Thema
Schlußszene zweiten Aktes leidet an ihrem Parallelis¬
schon angedeutet, das diesmal dort sichtbar, — wenn
mus mit der des ersten und wirkt verwirrend; das Weg¬
auch noch nicht lebendig — wird, wo die dramatische
laufen des Paares in den Kasernenhof vermittelt die
Kraft des Dichters erlahmte: die physische Um¬
Situation nicht. Auch hat man nicht Zeit, sich vorzustellen,
wertung aller psychischen Lebenswerte. Das ist natürlich
daß die beiden an einander warm werden. Das müßte trotz
bloß ein neues Gewand für etwas sehr altes; man könnte
alledem und alledem an der Leiche geschehen. „Ward je in
dafür zwei Gemeinplätze setzen, wenn man sich nicht gerade solcher Laun' ein Weib gefreit?“ Das hat Shakespeare ge¬
bei solchen das Denken abgewöhnt hätte: „Die Zeit heilt wagt. Schon Francillon macht sich zwar darüber lustig,
alle Wunden" und „Es ändern sich die Zeiten und daß die Männer stets zur Liebe bereit sind, so oft sie eine
wir mit ihnen". Aber vielleicht ist es gut, manches
Frau freundlich anblickt; aber dem Herrn Leutnant, so sollte
ein wenig unverständlich zu sagen, um es verständ¬
man meinen, dürfte für den Augenblick doch die erotische
licher zu machen. Nicht die Zeit heilt die Wunden,
Stimmung fehlen. Man würde es begreifen, wenn er
sondern Hunger, Durst, Müdigkeit, Krankheit, Genesung,
Marie mit dem bitteren Hohn heimzuschicken versuchte, daß
neue Wunden, die Sonne, der Wald, die Blumen
sie nun doch zu spät gekommen sei, und wenn sie ihm dann
heilen sie. Es gibt auch diesmal ein einfaches Wort dafür,
entgegenschrie, sie habe ja erst einen Vater morden müssen!
Dann ... dann vielleicht.
ein viel zu einfaches: die Natur. Und die Natur heilt nicht,
sondern sie setzt ihre gegenwärtigen sich stets erneuernden
Das Publikum wurde bei der Aufführung schon nervös,
Bedürfnisse gegen alle zeitlich abgelaufenen Sensationen
als der Oberst seine Frau niederknallte. Eben weil es
durch. Die Hungerregung von heute ist immer stärker als
4
knallte; die Hörer fahren zusammen, sind aus der Stimmung
die Verzweiflung von gestern; ein Sonnenstrahl dieses Tages
und gehen nicht rasch wieder mit. Fürs Theater sollte man
behält recht gegen den Wolkenbruch der letzten Nacht. Und
knallschwaches Pulver erfinden, dann wäre das Tot¬
dieser Sieg der Lebensfunktionen bewirkt Wunder an schießen dem Publikum weit sympathischer.
Denn
psychischen Umwandlungen in uns.
Schließlich wird daß man Schnitzler eine Kolportagehandlung vorge¬
Maria der milde Ruf des Lebens an
die
worfen hat,
weil einer vergiftet und eine erschossen
Seite des einst geliebten, dann verschmähten Forstadjunkten
wird, ist doch wohl nicht ernst zu nehmen. Nicht die Zahl
fast so laut und so lockend erscheinen, wie der wilde Schrei,
der Toten entscheidet darüber, ob ein Stück ein Kunstwerk
der sie einst über Leichen dahinjagte. Während sie sich noch
oder ein Sensationsmachwerk ist; sonst würde Shakespeare
psychisch daran klammerte, daß jene Nacht alles und dieses,
recht schlecht wegkommen. Man soll die Toten wägen und
Leben nichts bedeutet, hat das bloße Atmen, Nahrung zu
nicht zählen. Und auch darauf kommt es an, wie laut, wie
sich nehmen und Spazierengehen, ihr den so angst¬
eindringlich ihnen der Ruf des Todes erklungen ist. Für
voll gehüteten Seelenbesitz schon entwendet.
die Sterbenden in Schnitzlers Stück war er mächtig genug.]
der Flucht der
blauen Kürassiere vor dreißig
Jahren ist eine klügelnd bezweifelte Legende
ge¬
worden und schon bemächtigt sich das Leben, nach dem
lehrt, könnte ebenso viele gleichgestimmte Saiten in uns
Die kunstvolle Konstruktion des Einzelfalles, die in früheren
mittönen lassen. Wie sind die Menschen, wenn sie wissen,
Stücken seinem Beispiel die beste Kraft gefährdete weil sie
daß sie kurz vor dem Tode stehen? daß sie nach drei Jahren,
zu artistisch wirkte, wird diesmal zu Gewinn. Wundervoll
nach einem Jahr, nach einer Woche, nach einem Tag, nach
sind die Jäden zum neubelebten Schicksalsgedanken ver¬
einer Stunde sterben werden? Das ist das Lieblingsthema
woben. Mariens Vater hat die Schuld auf sich ge¬
Arthur Schnitzlers. Episch und dramatisch, in Prosa und in
laden, um die nun so viel junges Blut sühnend
Versen hat er seinen Geschöpfen schon alle Fristen gestellt,
sich selbst hingießt. Wie ein Stärkeres, das vorher garnicht
sie in wallenden Prunk=Gewändern, in knappen farbigen
in ihm selbst gelebt hat, überfiel es ihn damals; auch ihn
Uniformen und in grauen Alltagskleidern den Ruf des Todes
rief plötzlich das Leben; leben wollte er, Weib und Kind
hören lassen, um ihnen den Schrei des Lebens zu entlocken;
haben. Da floh er vor der Schlacht. Und das Weib ver¬
hat ihr tropfenweise versickerndes Blut in blumenbekränzten
achtet ihn, das Kind quält er, noch immer am Leben klebend,
Schalen aufgefangen und den Sauerstoff eines ganzen
und sie duldet es, bis ein Leutnant von den blauen
Lebens in ihre letzten Atemzüge gepreßt. Aber nur Kürassieren, gerade da sie ausziehen, um das zu sühnen,
eine, eine einzige hat er bisher um das Ende
dem Marie ihr Leben verdankt, sie unwiderstehlich an sich
betrogen: Marie Moser,
die Heldin seines letzten
lockt. Weil der Alte zwischen Marie und ihrem von ihm selbst
Schauspiels „Der Ruf des Lebens“. Sie läßt er das Leben
ausgehenden Schicksal steht, muß er fort, und er, der sich
in letzten Stunden der anderen vom Abgrund der Vernich¬
hämisch freute, daß er die Jungen überleben werde, stirbt
tung pflücken und dann weiterleben. Als sie glaubte, daß als erster von den blauen Kürassieren den Sühnetod für
ihr der Ruf des Lebens unwiderstehlich erschalle, da rief sie alte und neue Schuld. Und weil Marie erst über seine
in Wahrheit der Tod und lockte sie, das Leben im Feuer¬
Leiche zu ihrem Schicksal konnte, kommt sie zu spät. Darum
werk einer Nacht erglänzen und dahinrauschen zu lassen.
muß die Frau des Obersten vor ihren Augen sterben, darum
Und obgleich sie das Schärfen seiner Seuse für die Fanfare
ist Max nicht mehr der Soldatentod vergönnt. So „fallen
des Lebens hielt, war sie bereit, den Anfang an das Ende
Schicksale über die Menschen wie Räuber her“ und ganz
zu knüpfen. Sie verscherzte das Leben vor sich und der Welt,
wie in der antiken Tragödie wird die Schuld des Ahnherrn
als sie es mit gierigen Armen an sich zu pressen versuchte,
zum Schicksal für ein Geschlecht und alle, die dessen Weg kreuzen.
und die eigene Todesentschlossenheit war es, die ihre Pulse
Das Leben wertet achtlos und spielerisch Schuld und
fliegen ließ und dem Vater den Todestrank kredenzte, weil
Verdienste um, aber es kann das mechanische Fortwirken
sein Lebenshunger sie an der Sättigung hinderte. Dann eines Geschehnisses nicht aufhalten, das blind Taten und
gab ihr das Leben an der Schwelle des Todes eine Parade¬
Ereignisse zeugt, gute und böse, gleichgültig, ob Schuld oder
vorstellung mit den protzartigsten Knalleffekten, die es auf
Verdienst am Eingang standen.
Lager hat: den Mord am Vater, die fieberische Jagd zum
Prächtig gelingt es Schnitzler, den ewigen Sieg der
Geliebten, das Betrogensein vor dem Geliebtwerden, das
Alltäglichkeiten des Lebens über die Gewalt des Todes¬
Zittern für den Mann, den Anblick fremden Sterbens, die
gedankens auch in den Nebenfiguren plastisch werden zu
Angst verschmäht zu werden, die Schauer der Erfüllung,
lassen. Wie z. B. „die Tante Richter“ im ersten Akte
die Raserei einer Liebesnacht und die Schmach des
Marie erzählt, daß sie nun auch ihre letzte Tochter sterben
Morgens den Schmerz des Verlustes und den Gang sehen müsse und dabei in demselben Atemholen die Wolle
zur Sühne des Lebens — wahrhaftig, sie hat ihr lobt, die sie beim „türkischen Sultan“ zum Kissen für den
Eintrittsgeld nicht umsonst bezahlt! Und noch mehr:
Diwan, wo sie im Sommer immer den Kaffee trinken, ge¬
Was sie für das vollendete Drama nahm, war nur eine
kauft hat, — das präludiert der Weisheit letzten Schluß im
Art Vorspiel, eine Katastrophe am Beginn — das Stück Abgesang dieses Dramas meisterhaft. Die Steigerung in
war im Aufbau verfehlt. Aber auch solche Stücke werden der Motivierung des Vatermordes ist überzeugend, nur
zu Ende gespielt. Und sie ertappte sich dabei, daß sie scheint mir die Retardierung nach dem Eingießen des
sogar mit der Zeit wieder einiges Interesse daran fand, daß Giftes — nach dem Entschluß also
durch die
sie an mancher Situation, an manchem Wort Gefallen fand, etwas
zu
impressionistisch angelegte Erzählung des
daß sie nach dem Anblick des Grauenhaften noch lächeln Alten von seiner Flucht aus der Schlacht
— bedenk¬
konnte, daß man auch „aus einem solchen Schicksal wieder lich; hier quält den Zuschauer alles, was nicht ersicht¬
emportaucht wie aus einem wilden Traum — und wacht
lich der Katastrophe zudrängt. Würde Marie erst
und lebt und sich sehnt zu leben.“
durch die Erzählung vom letzten Zögern befreit, dann käme
Aber dieses Drama nach der Katastrophe ist uns
kein Motiv gleichsam der Tat nachgehinkt. Von im¬
Schnitzler diesmal noch schuldig geblieben. Er hat es uns
ponierender Knappheit und edelster Schlagkraft ist die
gezeigt, uns erzählt, daß seine Seele davon erfüllt ist und
Szene zwischen Max und em Obersten am Fenster; es
seine Kunst dafür heranreift, er hat es versprochen. Dies¬
gibt nicht viel, was ihr auf der deutschen Bühne an
die Seite
mal hat er das Thema seines bisherigen Schaffens zu
stellen wäre. Dagegen fällt die
einem Ende gebracht, das die Ueberwindung dieses Stoffes
Szene zwischen Max und Irene stark ins Konven¬
bedeutet. Er läßt uns hier auch hoffen, daß er sich von
tionelle hinab; die Frau Oberst ist ein totes Requisit.
der Ueberschätzung des rein Erotischen befreien wird. Diese
Erst mit dem Sprung des Obersten durchs Fenster ins
Verheißung glaubte ich schon aus dem „Zwischenspiel“ Zimmer gewinnt Schnitzler die frühere Höhe wieder. Die
heraushören zu dürfen. Dort ist auch das neue Thema
Schlußszene zweiten Aktes leidet an ihrem Parallelis¬
schon angedeutet, das diesmal dort sichtbar, — wenn
mus mit der des ersten und wirkt verwirrend; das Weg¬
auch noch nicht lebendig — wird, wo die dramatische
laufen des Paares in den Kasernenhof vermittelt die
Kraft des Dichters erlahmte: die physische Um¬
Situation nicht. Auch hat man nicht Zeit, sich vorzustellen,
wertung aller psychischen Lebenswerte. Das ist natürlich
daß die beiden an einander warm werden. Das müßte trotz
bloß ein neues Gewand für etwas sehr altes; man könnte
alledem und alledem an der Leiche geschehen. „Ward je in
dafür zwei Gemeinplätze setzen, wenn man sich nicht gerade solcher Laun' ein Weib gefreit?“ Das hat Shakespeare ge¬
bei solchen das Denken abgewöhnt hätte: „Die Zeit heilt wagt. Schon Francillon macht sich zwar darüber lustig,
alle Wunden" und „Es ändern sich die Zeiten und daß die Männer stets zur Liebe bereit sind, so oft sie eine
wir mit ihnen". Aber vielleicht ist es gut, manches
Frau freundlich anblickt; aber dem Herrn Leutnant, so sollte
ein wenig unverständlich zu sagen, um es verständ¬
man meinen, dürfte für den Augenblick doch die erotische
licher zu machen. Nicht die Zeit heilt die Wunden,
Stimmung fehlen. Man würde es begreifen, wenn er
sondern Hunger, Durst, Müdigkeit, Krankheit, Genesung,
Marie mit dem bitteren Hohn heimzuschicken versuchte, daß
neue Wunden, die Sonne, der Wald, die Blumen
sie nun doch zu spät gekommen sei, und wenn sie ihm dann
heilen sie. Es gibt auch diesmal ein einfaches Wort dafür,
entgegenschrie, sie habe ja erst einen Vater morden müssen!
Dann ... dann vielleicht.
ein viel zu einfaches: die Natur. Und die Natur heilt nicht,
sondern sie setzt ihre gegenwärtigen sich stets erneuernden
Das Publikum wurde bei der Aufführung schon nervös,
Bedürfnisse gegen alle zeitlich abgelaufenen Sensationen
als der Oberst seine Frau niederknallte. Eben weil es
durch. Die Hungerregung von heute ist immer stärker als
4
knallte; die Hörer fahren zusammen, sind aus der Stimmung
die Verzweiflung von gestern; ein Sonnenstrahl dieses Tages
und gehen nicht rasch wieder mit. Fürs Theater sollte man
behält recht gegen den Wolkenbruch der letzten Nacht. Und
knallschwaches Pulver erfinden, dann wäre das Tot¬
dieser Sieg der Lebensfunktionen bewirkt Wunder an schießen dem Publikum weit sympathischer.
Denn
psychischen Umwandlungen in uns.
Schließlich wird daß man Schnitzler eine Kolportagehandlung vorge¬
Maria der milde Ruf des Lebens an
die
worfen hat,
weil einer vergiftet und eine erschossen
Seite des einst geliebten, dann verschmähten Forstadjunkten
wird, ist doch wohl nicht ernst zu nehmen. Nicht die Zahl
fast so laut und so lockend erscheinen, wie der wilde Schrei,
der Toten entscheidet darüber, ob ein Stück ein Kunstwerk
der sie einst über Leichen dahinjagte. Während sie sich noch
oder ein Sensationsmachwerk ist; sonst würde Shakespeare
psychisch daran klammerte, daß jene Nacht alles und dieses,
recht schlecht wegkommen. Man soll die Toten wägen und
Leben nichts bedeutet, hat das bloße Atmen, Nahrung zu
nicht zählen. Und auch darauf kommt es an, wie laut, wie
sich nehmen und Spazierengehen, ihr den so angst¬
eindringlich ihnen der Ruf des Todes erklungen ist. Für
voll gehüteten Seelenbesitz schon entwendet.
die Sterbenden in Schnitzlers Stück war er mächtig genug.]
der Flucht der
blauen Kürassiere vor dreißig
Jahren ist eine klügelnd bezweifelte Legende
ge¬
worden und schon bemächtigt sich das Leben, nach dem