19. Der Ruf des Lebens
der Tochter den unreinen Geist eines Schriftstellers, der die Welt nur
gerade er es
von dem Standpunkte des skrupellosen Lebemannes aus be¬
durch seine
trachtet. Schnitzler, der wegen einer das österreichische Offi¬
huldet habe.
zierkorps beleidigenden Novelle den Charakter eines Militär¬
wegs in die
arztes ehrengerichtlich abgesprochen bekam, besitzt gar nicht die
zu werfen.
Fähigkeit, sich in das Empfinden eines echten Offiziers hinein¬
attin seines
zuversetzen, sonst würde er nicht so erbärmliche Gesellen im
ten Rendez¬
Rocke des Kaisers vorgeführt haben. Der zynisch witzelnde Oberst,
band schießt
welcher den Schandfleck des Regiments nur zum Vorwande
ächtlich aus
nimmt, um es in den Untergang zu hetzen, damit er gleich¬
ie überläßt.
falls als Held in den Tod gehen kann, während er in Wahr¬
l durch den
heit doch nur sterben will aus Verzweiflung über die ver¬
ang hervor,
mutete Untreue seiner jungen Gattin; dann Leutnant Max,
d bietet sich
der seinem von ihm schändlich betrogenen Obersten den ehrlichen
und sie für
todestrotzigen Soldaten vormimt und wenige Minuten später
rasch hüllt
im Angesichte der wegen ihres Ehebruches mit ihm getöteten
uft mit ihr
Frau Oberst ein liebetolles Mädchen in die Arme nimmt,
Marie bei
um rasch vor dem Tode noch einmal seine Sinnlichkeit zu
zurückzukeh¬
befriedigen — ja, glaubt denn Herr Schnitzler, daß Leute von
e lie¬
solcher moralischen Verlumptheit wirklich den Mut haben soll¬
ment
ten, für die Ehrenrettung ihrer Fahne in den sicheren Tod
zu gehen? Der Antor ist anscheinend auch gar nicht so naiv,
ar
es war ihm vielmehr nur darum zu tun, unsere Ideale von
Vaterland und Heldentod zu persiflieren, das geht aus verschie¬
gen
denen Stellen des Dialogs deutlich genug hervor. Ebenso macht
hts
er es mit Religion und Moral und entblödet sich nicht, einem
lück
österreichischen Kavallerieobersten Worte in den Mund zu legen
olle
wie: „Es gibt ja auch Leute, die noch an Himmel und Hölle
mit
glauben“, oder „geben Sie denn viel auf den kirchlichen Segen
enn
alles,
bei einer Liebschaft?“ Daß solcher „Aufkläricht“ von dem Publi¬
Recht des
kum des Lessingtheaters gehörig belacht wurde, versteht sich von
ord noch an
selbst, aber auf welch tiefem geistigen und sittlichen Niveau
bscheuungs¬
muß ein Schriftsteller stehen, der sein Stück mit
des Lebens,
den abgegriffensten Gemeinplätzen vollpfropft,
wie sie
t, wer weiß,
in Volisversammlungen kaum noch von sozialistischen und
freisinnigen Rednern gebraucht werden. Vollkommen ebenbürtig
Labyrinth
diesen Offizierskarikaturen erscheinen die auftretenden drei jun¬
Geheimnis¬
gen Weiber, die, wie die meisten Schnitzlerschen Frauengestalten,
en der han¬
an Nymphomanie leiden!
es Beiwerk;
Gleich Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Dörmann
Charakter¬
usw. hat auch Schnitzler in seiner Vaterstadt vollkommen ab¬
Nun, dieser
gewirtschaftet, weil die Wiener das Krankhafte und Verlogene
n empfand seiner Stücke nachgerade satt bekamen. Früher, in seinen Erst¬
box 24/2
lingswerken, verteidigte er seine nihilistischen Ansichten wenig¬
stens noch mit eigenem Witz und Geist, aber wir machen bei ihm
wieder die Erfahrung, daß der Dichter, der nur eine Saite
auf seiner Leier hat, bald zu Ende ist mit seiner Kunst. Wicht
nur, daß Schnitzler im „Ruf des Lebens“ bereits sich
selber und andere kopiert, er verfällt auch immer mehr in
die Manier einer fürchterlichen Salbaderei, die das Werk von
Anfang bis zu Ende mit einer bleiernen Langeweile belastet.
Auch die Darstellung stand nicht auf der Höhe der sonstigen
schauspielerischen Leistungen des Lessing=Theaters. Nur Herr
Bassermann als Oberst und Herr Marr als der alte Moser ver¬
mochten aus den Schnitzler'schen Marionetten lebenswarme
Menschen zu schaffen, die anderen Künstler fanden
sich dagegen nur schlecht und recht mit ihren Rollen ab, was
allerdings begreiflich erscheint. Dies gilt besonders von Herrn
Rittner, der den Forstadjunkten mit einer Wurstigkeit herunter¬
deklamierte, als wollte er damit zeigen, wie weniger von dem
Stücke halte. Hauptmann, Sudermann, Hofmannsthal, Hirsch
feld und Schnitzler, wie lange wird sich Herr Direktor Brahms
noch in diesem Zirkel drehen?
J. 6t—g
der Tochter den unreinen Geist eines Schriftstellers, der die Welt nur
gerade er es
von dem Standpunkte des skrupellosen Lebemannes aus be¬
durch seine
trachtet. Schnitzler, der wegen einer das österreichische Offi¬
huldet habe.
zierkorps beleidigenden Novelle den Charakter eines Militär¬
wegs in die
arztes ehrengerichtlich abgesprochen bekam, besitzt gar nicht die
zu werfen.
Fähigkeit, sich in das Empfinden eines echten Offiziers hinein¬
attin seines
zuversetzen, sonst würde er nicht so erbärmliche Gesellen im
ten Rendez¬
Rocke des Kaisers vorgeführt haben. Der zynisch witzelnde Oberst,
band schießt
welcher den Schandfleck des Regiments nur zum Vorwande
ächtlich aus
nimmt, um es in den Untergang zu hetzen, damit er gleich¬
ie überläßt.
falls als Held in den Tod gehen kann, während er in Wahr¬
l durch den
heit doch nur sterben will aus Verzweiflung über die ver¬
ang hervor,
mutete Untreue seiner jungen Gattin; dann Leutnant Max,
d bietet sich
der seinem von ihm schändlich betrogenen Obersten den ehrlichen
und sie für
todestrotzigen Soldaten vormimt und wenige Minuten später
rasch hüllt
im Angesichte der wegen ihres Ehebruches mit ihm getöteten
uft mit ihr
Frau Oberst ein liebetolles Mädchen in die Arme nimmt,
Marie bei
um rasch vor dem Tode noch einmal seine Sinnlichkeit zu
zurückzukeh¬
befriedigen — ja, glaubt denn Herr Schnitzler, daß Leute von
e lie¬
solcher moralischen Verlumptheit wirklich den Mut haben soll¬
ment
ten, für die Ehrenrettung ihrer Fahne in den sicheren Tod
zu gehen? Der Antor ist anscheinend auch gar nicht so naiv,
ar
es war ihm vielmehr nur darum zu tun, unsere Ideale von
Vaterland und Heldentod zu persiflieren, das geht aus verschie¬
gen
denen Stellen des Dialogs deutlich genug hervor. Ebenso macht
hts
er es mit Religion und Moral und entblödet sich nicht, einem
lück
österreichischen Kavallerieobersten Worte in den Mund zu legen
olle
wie: „Es gibt ja auch Leute, die noch an Himmel und Hölle
mit
glauben“, oder „geben Sie denn viel auf den kirchlichen Segen
enn
alles,
bei einer Liebschaft?“ Daß solcher „Aufkläricht“ von dem Publi¬
Recht des
kum des Lessingtheaters gehörig belacht wurde, versteht sich von
ord noch an
selbst, aber auf welch tiefem geistigen und sittlichen Niveau
bscheuungs¬
muß ein Schriftsteller stehen, der sein Stück mit
des Lebens,
den abgegriffensten Gemeinplätzen vollpfropft,
wie sie
t, wer weiß,
in Volisversammlungen kaum noch von sozialistischen und
freisinnigen Rednern gebraucht werden. Vollkommen ebenbürtig
Labyrinth
diesen Offizierskarikaturen erscheinen die auftretenden drei jun¬
Geheimnis¬
gen Weiber, die, wie die meisten Schnitzlerschen Frauengestalten,
en der han¬
an Nymphomanie leiden!
es Beiwerk;
Gleich Hermann Bahr, Hugo von Hofmannsthal, Dörmann
Charakter¬
usw. hat auch Schnitzler in seiner Vaterstadt vollkommen ab¬
Nun, dieser
gewirtschaftet, weil die Wiener das Krankhafte und Verlogene
n empfand seiner Stücke nachgerade satt bekamen. Früher, in seinen Erst¬
box 24/2
lingswerken, verteidigte er seine nihilistischen Ansichten wenig¬
stens noch mit eigenem Witz und Geist, aber wir machen bei ihm
wieder die Erfahrung, daß der Dichter, der nur eine Saite
auf seiner Leier hat, bald zu Ende ist mit seiner Kunst. Wicht
nur, daß Schnitzler im „Ruf des Lebens“ bereits sich
selber und andere kopiert, er verfällt auch immer mehr in
die Manier einer fürchterlichen Salbaderei, die das Werk von
Anfang bis zu Ende mit einer bleiernen Langeweile belastet.
Auch die Darstellung stand nicht auf der Höhe der sonstigen
schauspielerischen Leistungen des Lessing=Theaters. Nur Herr
Bassermann als Oberst und Herr Marr als der alte Moser ver¬
mochten aus den Schnitzler'schen Marionetten lebenswarme
Menschen zu schaffen, die anderen Künstler fanden
sich dagegen nur schlecht und recht mit ihren Rollen ab, was
allerdings begreiflich erscheint. Dies gilt besonders von Herrn
Rittner, der den Forstadjunkten mit einer Wurstigkeit herunter¬
deklamierte, als wollte er damit zeigen, wie weniger von dem
Stücke halte. Hauptmann, Sudermann, Hofmannsthal, Hirsch
feld und Schnitzler, wie lange wird sich Herr Direktor Brahms
noch in diesem Zirkel drehen?
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