II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 123

19. Der Ruf des Lebens
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zu optimistisch zu sein — auch im Leben schwerlich auffinden. des Obersten Offiz
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Außerdem — ich sage absichtlich außerdem — hat der alte Mann
keiner von ihnen leb
Feuilleton.
ein böses Gewissen. Vor dreißig Jahren hat er als Rittmeister
aussetzungen arbeite
der biaues Kürassiere als erster das Hasenpanier ergriffen, wir allerdings, daß
„Der Ruf des Lebens.“
Der, Ruf des Lebens“ ist in ihm zu mächtig gewesen und hat ments nicht nur die
Schauspiel in drei Akten von Arthux Schnitzler.
[.Soldatenehre und Mannesmut übertönt. Das war damals, Untreue seiner Fra#
Uraufführung im Berliner Lessingtheaten#
re.
und kein Mensch weiß um seine Schuld. Aber der Ruf des
Obersten, besonders
Allgemeine Liquidation unserer dramatisch „Schaffenden“?] Lebens tönt fort in ihm, der sich wimmernd, fluchend an sein die interessanteste Fig
Ach, fast scheint es so. An derselben Stätte, an der vor wenig
armseliges Tasein klammert, und er tönt laut in seiner Tochter dieses scharfen Leben
Wochen Gerhart Hauptmann eine so betrübende Diskrepanz
Marie, deren Jugend in dieser Krankenstube zu verkümmern den Dichter für kurz
zwischen künstlerischen Wollen und Können zeigte, hat gestern
droht und deren heißes Blut sehnsüchtig nach Erfüllung schreit. und Technik des Akte
abend auch Arthur Schnitzler eine verdiente — wenn auch vom
Was für ein Mädchen ist die Marie? Wir erfahren wenig
so altmodisch wie nu
Publikum liebenswürdig verschleierte — Niederlage erlitten.
von ihr. Nur daß sie ihrem Vater eine treue, opferwillige
der Abwesenheit des
Vor einigen Monaten erst hatte uns der Wiener Dichter
Pflegerin gewesen und bis vor kurzem bräutlich davon geträumt
und — verbirgt sich
mit dem seinen, ironisch wehmütigen „Zwischenspiel“ stille, ge¬
hat, einst dem Forstadjunkten Rainer als sein Eheweib zu
treten Max und die
nußreiche Stunden bereitet und manch geistreiches sinniges
folgen. Diese Hoffnung und ihre — diesem Vater gegen=sein. Sie beschwört ih
„Wort des skeptischen Poeten — oder poetischen Skeptikers — war
über wirklich besonders schwer zu erfüllende — Kindespflicht
Pflicht zu entsagen
Füber jenen Abend hinaus in uns haften geblieben. Es war
lagen bei ihr im Konflikt. Bis vor kurzem. Eine ganze Nacht
Vorhange hat alles
eben mit seinen Vorzügen und Schwächen ein echter Schnitzler
lang hat sie in den Armen des jungen Leutnants von den
anderen ist. Aber
gewesen, wie wir ihn unter den Zeitgenossen kennen und
blauen Kürassieren durchgetanzt, und seitdem ist keine Minute
Er springt durch das
schätzen. Und gestern? Sollte auch diesen Dichter das heiße
vergangen, in der sie nicht nach ihm ausgeschaut, sich an seine
wortet auf die Phra
Verlangen gepackt haben nach den Höhen der Kunst, und hat er
Brust gesehnt, den Tod des Vaters herbeigewünscht hätte.
wohlgezielten Pistol
danach gestreht, statt über die bunten, schwirrenden Lebensfragen
Alles andere ist jetzt ja wesenlos für sie geworden, auch der Herrl bleibt. Er will die
feinsinnig müde und mitfühlend zu plaudern, diesen Problemen
Adjunkt. Der Ruf des Levens ist an sie ergangen. Ihm zu aus ihrm Versteck
das heiße zuckende Leben selbst zu geben, sie künstlerisch zu mei¬
folgen, ist sie im stillen sofort bereit, alles zu opfern. Zum
letzten Stunden vor
stern? Dann hat aber auch ihm die Kraft nicht zugelangt. Der
ersten Rendezvons hat ihr der Mut gefehlt, und diese versäumte
doch nur einmal vor
Ruf des Lebens“ muß so ziemlich in jeder Hinsicht ein verfehltes
Gelegenheit lastet auf ihr wie eine schwere Sünde, die ihr Lebens¬
mit Hans Rudeck un
Stück genant werden. Vor allem ist es gar kein Stück aus
glück für immer vernichten muß. Da hört sie, daß es doch noch
die äußerliche Unwah
einem Guß mit einer alles Beiwerk überragenden Handlung.
eine Möglichkeit gibt, den Geliebten zu sehen, bevor er tot¬
sei noch bemerkt, daß
Die Grundidee, die in dem suggestiven Titel zum Ausdruck
geweiht in die Schlacht geht. Und nun braucht es wirklich nicht
mierend wiekt, daß
kommt — der aber nach Lessing kein „Küchenzettel“ sein soll —mehr der weisen Worte des klugen Raisonneurs und Arztes
schlossene Tür dem 1##
wird an einer Reihe von Menschenschicksalen aufgezeigt, die Dr. Schindler, der ihr die „Pflicht gegen sich selbst“ predigt.
man möge den Arzi#
100
ganz äußerlich zum Teil unter unmöglichen Voraussetzungen Als ihr Vater, von geheimen Mißtrauen erfüllt, den Stuben=ganzen also wieder####
mit einander verbunden werden und deren Träger gar nicht schlüssei in die asche steckt, gießt sie ihm in sein Wasserglas dem Obersten und
wie lebende Menschen von Fleisch und Blut anmuten, sondern
den Schlaf, „der für hundert Nächte reicht“. Dumpf statt der was ssie für den 2#
wie ad hoc konstruierte Figuren, die alle auch etwas beweisen
Alte zu Boden und wie eine Baechantin stürzt sie hinaus in das
Episode.
sollen.
Dunkel und in die Arme des Mannes. — Das wäre euso ein;
Der dritte Akt ist
Der erste Akt zeigt uns das Krankenzimmer des einund= Einakter, peinlich, kraß und patholggisch, aber von einer gewissen
und herzlich überflüss
siebzigjährigen Rittmeisters Moser, der seine Tage — und
Kraft und Einheitlichkeit. Duch das Stück geht weiter.
des Stückes — der
Nächte— damit zubringt, das frische Leben zu hassen, den Tod
Der zweite Akt führt uns in das Kasernenzimmer dess Leut¬
— Tr. Schindler.
zu fürchten und seiner sechsundzwanzigjährigen Tochter Marie,
nants Mar von den blauen Kürassieren. Die Nacht vin dem
##urchtbaren, das gesch
genau so wie einst ihrer Mutter, das Dasein zur Hölle zu Auszug in den Tod. Um eine dunkle Schmach des Regements!
Tochter vergiftet —
machen.
Einen bösartigeren, grantigeren nichtsnutzigeren, jvor dreißig Jahren — von der aber niemand außer dem Puoli=jund das ganze Regime
widerlicheren alten Kerl dürfte man auf der Bühne und — ohne kum etwas Genaues weiß = zu fühnen, haben auf Amsegung die jetzt nichts vom L#
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