II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 129

19. Der Ruf des Lebens
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an Perfen

hundertmal sagen muß, hat man es nicht einmal emp=Korrektur an dem Schöpfungsakte vorgenommen. Einmal aber nicht, ihm durch
funden. Wir klammern uns an unserer Männlichkeit wie ist das Weib auch der gewährende Teil, übt es Revanche Respektbezeugung zu ver
an einer Rettungsplanke fest, in der ewigen Furcht, der für seine Gebärenspflicht. Es läßt in uns einen neuen müßte wirken, wie Allva
reißende Lebensstrom müsse diese jeden Moment fort=Menschen erstehen, der sich wie eine Dschungel an unser Illusionen, Hoffnungen
treiben. Heldentum, Arbeit und ähnliche Hilfsmittel der weichendes Selbst anpreßt und es schließlich ganz verdrängt.schließlich deren lästige
Gedächtnisschwäche sind uns nur Narkotika. Ich kannte Wir können dann unserem verflossenen Ich Adieu sagen, Auf die Knie,“ oufen
einen Schriftsteller, der knapp nach dem Heimgange seiner es zieht unwiderruflich fort, denn möglicherweise benötigt die Sterbejakramente ein
von ihm innigst geliebten Gattin kolz auf seine trotzdem es eine zweite Frau für einen anderen Mann. Auch unser den Heldentod:
fabrizierten humoristischen Aufsätze wies. „Ich kann mit Mut ist nur eine ästhetische Hilfe der weiblichen Phantasie.
meiner kranken, weinenden Seele die Leute lachen machen," Wir wollen den Vorstellungen des anderen Geschlechtes
wollte er uns mit freudiger Genugtuung ins Bewußtsein durch einen trigerischen Schein, durch eine bewußte Lüge
Dezenn
rufen. Aber der Arme bedachte nicht, daß er selbst nur auf halbem Wege entgegenkommen. Ich kannte eine
(Feod
Momme, die ein holdes Mägdelein vor dem Ueber¬
ein verzerrtes Reflexbild seines großen Unglückes war und
Vor alters fand
fahren rettete und sich dabei den Daumen zerquetschte. Mit
sich bloß eine neue Welt aus den Trümmerresten seiner
einem seligen Lächeln wies sie auf die blutigen Hautfetzen, rische Gleichnis, das Lch
alten mühsam konstruierte. Und sein Pendant, der uns
ehe sie das Taschentuch darüber wand. Sie war dabei feige Gedanke hat die #chrig
durch sein Heldentum verblüfft, wollte er uns nicht be¬
und zugleich zu schwach, um wirklich feige zu sein. Wir daß er vielleicht niemal
weisen, daß er solvent genug war, um das Fatum mit
müssen eben aus innerem Drang der Weiblichkeit das ent= während erheute
sinem Leben bezahlen zu können? Goethe sagt in seinen
„Xenien“ ungefähr: Die Natur verbindet Hohes und gegenrecken, was uns als deren Gegenteil dünkt, was ja zählt,
Niederes im Menschen dadurch, daß sie Eitelkeit dazwischen= aus dern Grunde von dieser so vergöttert werden muß, Wen
stellt.“ Eitel waren sie alle, die Stärke posieren, um über weil es ihr fehlt: die Männlichkeit. Wenn diese aben, nicht durch
freie
ihr seelisches Debacle hinwegzutäuschen, eitel waren die vorhanden ist, da stellt die Farce zur rechten Zeit sich ein.
auf
Aufrechten, die ohne die Krücke „Selbstbewußtsein“ nicht
Wir sind fast alle von Natur aus timid, es gibt Sole
gehen können, eitel waren die Großen, denen es versagt
war, Sklaven eines kleinen Glückes zu sein. Sie lechzen überwiegend nur ein gelerntes, studiertes, diplomiertes, Wur;
nach dem letzten Katzenjammer noch nach dem letzten Rausch, mit Dekret ernanntes Heldentum. Wir sind feige, weil absch
und dann, Bajazzis, schneidet die tollsten Grimassen, wir wie Schnitzlers Marie schon in Gedanken gemordet Mar
haben und weil wir davor bangen, daß ein Ruchloser an ein einf
es ist nur ein Spiel
runs selber unsere Pläne exekutiert. Aus dem Mißtrauen nur vr
anlaß.
gegen uns selbst quillt unser feministisches Zagen. Sind
Heiliger Schopenhauer, großer Weininger, stehet mir
wir aber tapfer, so haben wir die Schlacht gegen Fortunas stellt sich e
bei! Bei Schnitzler war es nicht nur das große Unglück,
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das wie eine Riesenspinne alles Erhabene an sich zog. Amazonen verloren. Normal ist eine Niederlage. immer verfängt, gen
sondern auch das Weib rüttelie die hehren Empfindungen der Vorläufer eines Sieges. Diese psychologischen Kompli=Festfeier So
aus ihrem Schlummer auf. Das Weib küßt unser kationen aufzudecken, wäre eines Dramatikers von großemsist es einfach eine
Mannestum wach, ohne sein Eingreisen wäre es latent Atem würdig. Schnitzler hat vor dem Problem nur doch eine Privatangele
geblieben. Fast scheint es, als hätte die Natur eine kleine achtungsvoll grüßend die Hellebarde gesenkt, traute sich Anders, wenn die Oeff