II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 141

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Das Beispiel Katharinas bringt Maries Entschluß
Nicht wenig Schuld
zur Reise. Sie bleibt allein mit dem Vater. Der Vater folges trugen die mang
erzählt ihr, daß er es war, der vor dreißig Jahren die gen. Am besten spielle Ir
Flucht der blauen Kürassiere verschuldet hat, weil ihn der Marie Freilich nur st
plötzlich eine wahnsinnige Angst befiel. Nach dieser Er= ganze schauspielerische K
zählung verlangt er zu trinken. Marie schüttet
in sein Hoffmann, die eine
Glas den ganzen Inhalt eines Fläschchens, das der war, und Emanuel Reich
Arzt gebracht hat und das ein Gift enthält, von dem
sprach. Hingegen versagte
einige Tropfen den Schlaf bringen, das aber tödlich wirkt,
des Adjunkten. Kurt S#
wenn man allzu viel davon trinkt. Der Vater leert das
die beiden jungen Offizie
Glas und bricht tot zusammen. Marie eilt davon, dem
nügend, und Basserm
Ruf des Lebens zu folgen.
der Rolle des Obersten,
Der zweite Akt spielt im Zimmer des Offiziers Max
nicht viel Farbe erhalten
in der Kaserne der blauen Kürassiere. Der Oberst spricht“
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mit Max durch das Fenster (das Zimmer liegt im
Erdgeschoß). Das Gespräch bewegt sich zuerst in Andeu¬
tungen, am Ende aber stellt der Oberst dem jungen
Offizier eine Gewissensfrage. Er spricht nicht direkt aus,
was er meint, doch man begreift, daß der Oberst wissen
will, ob zwischen seiner Frau und Max andere als
freundschaftliche Beziehungen bestehen. Max verneint der
Oberst geht. Es folgt ein Gespräch zwischen Max und
Albrecht, dem Geliebten Katharinas, der nicht einzusehen
vermag, weshalb er sterben soll für eine Schuld, die an¬
dere vor dreißig Jahren begangen haben, und allerlei
Gedanken über den Tod äußert. Die beiden Offiziere ver¬
lassen das Zimmer. In diesem Augenblick stürzt Marie
herein und verbirgt sich hinter einem Vorhang. Me kehrt
zurück, begleitet von Irene, der Frau des Obersten. Max
sagt ihr, wie bitter er es bereut, den Obersten belogen zu
haben. Irene sucht seine Bedenken zu zerstreuen und
macht ihm dann den Vorschlag, daß er mit ihr entfliehen
soll. Max soll mit seiner Schwadron ausrücken, soll dann
in Wiener=Neustadt krank werden, soll nach der unga¬
rischen Grenze kommen, wo Irene ihn erwarten wird, und
soll mit ihr ins Ausland gehen. Max weist den Vorschlag
zurück. Da springt plötzlich der Oberst durchs Fenster,
wechselt einige wenige Worte mit den beiden Schuldigen
und schießt seine Frau nieder. Max bittet, ihm auch den
Tod zu geben. Der Oberst schlagt es ihm ab und deutet
an, daß Max bis zum nächsten Morgen selbst sich das
Leben zu nehmen habe; aber er solle es so einrichten,
Haß der Tod Irenes auch als seine Tat erscheine.
Marie hat hinter dem Vorhang der ganzen furcht¬
„Der Ruf des Lebens.“
baren Szene beigewohnt. Nun kommt sie hervor. Max
Schauspiel von Arthur Schnitzler.
und Marie machen nicht viele Worte. Er stellt ihr an¬
(Aufgeführt im Lessing=Theater.)—
heim, fortzugehen. Marie bleibt. Max fragt, ob sie auch
Berlin, 24. Februar.
wisse, daß er den nächsten Morgen nicht erleben dürfe.
Marie sagt, sie wolle trotzdem bleiben. Da schlingt er
„Der Ruf des Lebens“, das neue Schauspiel von
seinen Arm um sie und zieht sie mit sich hinaus.
Arthur Schnitzler, spielt in Oesterreich um die Mitte des
Die Szene des dritten Aktes ist ein Garten in dem
neunzehnten Jahrhunderts. Der erste Akt begibt sich in
niederösterreichischen Dorf, in dem Katharinens Mutter
Wien, und zwar in der Wohnung des alten Moser. Der
lebt und der Adjunkt den Forst verwaltet. Seit dem
alte Moser, ehemaliger Rittmeister des elften Kürassier¬
zweiten Akt sind einige Wochen verstrichen. Aus einem
Regiments, der sogenannten „blauen Kürassiere“ ist schwer
Gespräch zwischen dem Arzt und dem Adjunkten erfahren
krank. Seine Krankheit ist tödlich; aber, wie der Arzt
sagt, kann sie noch Jahre dauern. Das werden qualvolle
wir, was sich inzwischen begeben hat. Marie lebt jetzt im
Jahre sein für Mosers' Tochter Marie, die ihre Jugend in
Dorf bei ihrer Tante, der Mutter Katharinas. Katharina
der Krankenstube des Vaters vertrauert, welcher ein böser,
ist spurlos verschwunden. Eine Unterredung zwischen Marie
alter Mann ist und eine diabolische Freude darau hat, und dem Arzte klärt Weiteres auf. Marie hat jene Nacht
sein Kind eingesperrt zu halten und von allem Leben ab= mit Max verbracht, und in jener Nacht hat sie, wie sie
suschließen. Der Forstadjunkt, ein wackerer Mann, bewirbt sagt, das Leben gefunden, das sie rief. Am Morgen
uch um Mariens Hand; aber der Vater will die Ehe wollte sie in ihr Haus zurückkehren, um sich als Mör¬
sicht erlauben. Der Arzt redet ihr zu, dem Manne, der derin des Vaters dem Gericht zu stellen. Aber der Arzt,
sie liebt, die Hand zu reichen, ob der Vater will oder
der edle Freund, hat auf sie die ganze Nacht gewartet,
sicht. Marie sagt, daß sie dies nicht tun wird, weil es und ihm ist es zu danken, daß der Tod des Vaters als
su spät ist. Warum es zu spät ist, wird nicht recht ver= ein natürlicher ausgegeben werden konnte. Der Adjunkt,
sändlich. Es scheint, daß der Arzt Marie früher geliebt der von alledem natürlich nichts weiß, tritt zu den beiden:
und daß diese seine Neigung erwioert hat, ohne daß es und teilt die neuesten Nachrichten mit, die er am Morgen
emals zu einer Aussprache zwischen beiden gekommen ist. in der Stadt erfahren hat. Vor drei Tagen hat bei Hain¬
Während diese Gespräche geführt werden, marschieren dorf eine große Schlacht stattgefunden. Die blauen
anablässig unten vor den Fenstern Soldaten vorbei, die Kürassiere haben ihren Schwur gehalten, keiner ist am
in den Krieg ziehen. Auch die blauen Kürassiere reiten Leben geblieben. Nur ein junger Offizier is davon ge¬
vorüber. Der Arzt erzählt, daß dieses Regiment in den kommen, aber dieser hat sich am Abend nach der Schlacht
Tod reitet. Vor dreißig Jahren wurde die Schlacht bei selbst erschossen. Der junge Offizier heißt Albrecht; es ist
Lindach durch seine Schuld verloren, weil es in dem also der, den wir als Katharinas Geliebten kennen. Der
Augenblick, da es hätte Stand halten müssen, floh und Arzt erwähnt weitere seltsame Gerüchte, die über die
durch seine Flucht die übrigen mitriß. Die Offiziere haben blauen Kürassiere im Umlauf sind. Ein anderer junger
jetzt vom Kaiser die Gnade erbeten, mit ihrem Blut zu Offizier habe am Abend vor dem Ausmarsch des Regi¬
fühnen, was das Regiment vor dreißig Jahren ver¬
ments die Frau des Obersten und dann sich erschossen.
schuldet hat; sie haben verlangt, in der Schlacht an den
Man behaupte ferner, der Oberst habe den Todesschwur
Platz gestellt zu werden, wo das Verderben sicher ist,
für das Regiment nicht geran, um dessen Fahne zu ent¬
und haben einander zugeschworen, daß keiner von ihnen sühnen, sondern eben aus Verzweiflung über die ehe¬
ie Heimat wiedersehen wird.
liche Untreue seiner Frau. Während die drei sprechen,