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19. Der Rufdes Lebans
K
dem Kasernenzimmer des Leutnants Max. Wenn der
ug Feuileton.
Oberst seinen Offizieren das Wort abnahm, sich dem Tode
—
zu weihen und so als Held dasteht, tat er es wohl, weil —
seine Frau ihn betrügt; eben mit Leutnant Max. Marie
Der Ruf des Lebens.
stürzt ins Zimmer und — hinter den Vorhang; denn eben
Die Erstaufführung von Art
Schnitzlers
tritt Max mit der jungen Gattin des Obersten ein. Er
„Ruf des Lebens“, die am Sam
soll für sie und mit ihr leben, was er seines Schwures
sing=Theater stattfand, hat trotz des äußeren freilich
wegen ablehnt. Da steht der Oberst, den Fenstervorhang
bestrittenen Erfolges dem tiefer Blickenden eine so herbe
zurückschlagend, vor beiden und nähert sich seiner Frau, die
Enttäuschung bereitet, wie sie uns nur ein Dichter, den
Rechte geheimnisvoll in den Mantelfalten.
wir hochschätzen, zuzufügen vermag. Das Schwächliche, ja
Bringt mit der Mordpistol sie um,
Morbide dieser Zerfaserungspoesie, welche Leben und
Entsetze dich, o Publikum!“
Sonne so gern mit herzlicher Freude grüßte, während ihr
sogleich die Schleier des Todes und der Tränen dazwischen¬
Als Leutnant Max der Geliebten im Selbstmord folgen
flattern, tritt immer unangenehmer zutage. Um so mehr,
will, stürzt Marie hinter ihrem Vorhang hervor. Beide
als uns der Dichter diesmal äußerlich robust=dramatisch
durchtaumeln Brust an Brust die Nacht, worauf Max
gekommen ist, wobei er Revolver Gift und die Lauscher
seinem Leben ein Ende macht.
hinter den Vorhängen nicht schonte. Vatermord, Gatten¬
Aber Marie kann, wie uns der letzte, nur reflektie¬
werd, Selbstmord und Schwindsucht spielen ihre Rolle.
rende Akt zeigt, trotz der Vergiftung des Vaters nicht
„Drei Leichen sehen wir auf der Bühne, von der vierten
leben. Nach Schnitzler vermögen es nur die Todgeweihten,
hören wir nur. Und der, ach, so weise Schnitzler=Arzt
welche den Opiumtrank des Sterbens bereit mit der Hand!
spricht schließlich im letzten Akte, der unkünstlerisch die
erfassen, oder gleich den Schwindsüchtigen im Körper
Summe des Ganzen zieht, die höchste Erkenntnis etwa in
tragen. Dafür ist uns Mosers Nichte Katharina ein Be¬
den Worten aus: „Wer lebt, lebt; wer tot ist, ist tot.“
weis. Die scheinbar Gesunden stehen dem Leben von dem
An der Seite des alten Moser, der trotz seiner Krank¬
sie ständig reden, ewig fern. Immer ist für sie Entsagung
heit fieberhaft am Leben hängt, lebt seine Tochter, welcher
und weichliche Sentimentalität der Schluß, ein Boden, auf
dieser Rabenvater keine Freude gönnt. Einzig seiner
dem die geknickten Lilien, be# ufelt von Tränen, vorzüg¬
Pflege soll sie sich widmen und ihm ihre Jugend opfern.
lich wachsen.
Moser ist einst als Rittmeister aus der Schlacht geflohen,
Ich muß gestehen, selten ein mir so durch und durch
indem er so sein Regiment der blauen Kürassiere in
unsympathisches Stück gesehen zu haben. Der Dichter zer¬
Schande stürzte, was aber nur er und seine Tochter weiß.
fasert unsere Empfindungen als Unwahrheiten und Vor¬
Da soeben wieder Krieg ausgebrochen ist, haben aber sämt¬
urteile, um doch wieder zu ihnen zurückzukehren und sie
liche Offiziere und Unteroffiziere des Regiments (??), um
zusammenzuleimen. Fast scheint es, als fehlte ihm jede
die Schande von ihrer Fahne wieder abzuwaschen, ge¬
naive Lebensfreude und =gesundheit, das reiche lachende
schworen, daß keiner lebend zurückkehren solle. Einen von
Dasein anders zu genießen als durch die krankhafte Auf¬
ihnen hat Marie in den wenigen Stunden kennen gelernt,
stachelung im Angesicht des nahen Todes. So kann man
während deren sie sich einst von ihrem Vater wegstahl.
diesmal auch nicht von Charakteren, sondern nur von
Dem Alten gibt sie nun den Schlummertodestrank und
Theaterfiguren reden, die statt der von Schnitzler beabsich¬
eilt, dem Rufe des Lebens folgend, zu dem Geliebten, um
tigten stilisierten Sprache einfach ein Journalisten= und
die letzte Nacht vor dem Auszuge des Regiments mit ihm
Papierdeutsch im Munde führen. Was soll uns aber dieser
zusammen zu sein.
rührsame Hexenkessel eines jammernden Poeten voll Mut¬
Nun hat Schnitzler den zweiten Akt, der gleich dem
losigkeit, Geistreichelei, Skepfis und Sentimentalität! Für
dritten hinter dem Eingang des Dramas weit zurücksteht,
mich ist ein Dichter, wer das Leben liebt und neue Mög¬
aus Erinnerungen an den „Rosenmontag“, „Zapfenstreich“
lichkeiten gestaltet nicht aber bloß Gefühle nutzlos
und die „Liebelei“ stillos zusammengesetzt. Er spielt in zerpflückt. Als untersuchte ein Arzt einen Körper mit
scharfer Sonde imme
und treffend bemerkt:
Masse. Aber vielleich
artistisch und äußerlich
kurzem sein ganzes 9#
ihn sein „Ruf des L#
Trübsinn) als Dekade
19. Der Rufdes Lebans
K
dem Kasernenzimmer des Leutnants Max. Wenn der
ug Feuileton.
Oberst seinen Offizieren das Wort abnahm, sich dem Tode
—
zu weihen und so als Held dasteht, tat er es wohl, weil —
seine Frau ihn betrügt; eben mit Leutnant Max. Marie
Der Ruf des Lebens.
stürzt ins Zimmer und — hinter den Vorhang; denn eben
Die Erstaufführung von Art
Schnitzlers
tritt Max mit der jungen Gattin des Obersten ein. Er
„Ruf des Lebens“, die am Sam
soll für sie und mit ihr leben, was er seines Schwures
sing=Theater stattfand, hat trotz des äußeren freilich
wegen ablehnt. Da steht der Oberst, den Fenstervorhang
bestrittenen Erfolges dem tiefer Blickenden eine so herbe
zurückschlagend, vor beiden und nähert sich seiner Frau, die
Enttäuschung bereitet, wie sie uns nur ein Dichter, den
Rechte geheimnisvoll in den Mantelfalten.
wir hochschätzen, zuzufügen vermag. Das Schwächliche, ja
Bringt mit der Mordpistol sie um,
Morbide dieser Zerfaserungspoesie, welche Leben und
Entsetze dich, o Publikum!“
Sonne so gern mit herzlicher Freude grüßte, während ihr
sogleich die Schleier des Todes und der Tränen dazwischen¬
Als Leutnant Max der Geliebten im Selbstmord folgen
flattern, tritt immer unangenehmer zutage. Um so mehr,
will, stürzt Marie hinter ihrem Vorhang hervor. Beide
als uns der Dichter diesmal äußerlich robust=dramatisch
durchtaumeln Brust an Brust die Nacht, worauf Max
gekommen ist, wobei er Revolver Gift und die Lauscher
seinem Leben ein Ende macht.
hinter den Vorhängen nicht schonte. Vatermord, Gatten¬
Aber Marie kann, wie uns der letzte, nur reflektie¬
werd, Selbstmord und Schwindsucht spielen ihre Rolle.
rende Akt zeigt, trotz der Vergiftung des Vaters nicht
„Drei Leichen sehen wir auf der Bühne, von der vierten
leben. Nach Schnitzler vermögen es nur die Todgeweihten,
hören wir nur. Und der, ach, so weise Schnitzler=Arzt
welche den Opiumtrank des Sterbens bereit mit der Hand!
spricht schließlich im letzten Akte, der unkünstlerisch die
erfassen, oder gleich den Schwindsüchtigen im Körper
Summe des Ganzen zieht, die höchste Erkenntnis etwa in
tragen. Dafür ist uns Mosers Nichte Katharina ein Be¬
den Worten aus: „Wer lebt, lebt; wer tot ist, ist tot.“
weis. Die scheinbar Gesunden stehen dem Leben von dem
An der Seite des alten Moser, der trotz seiner Krank¬
sie ständig reden, ewig fern. Immer ist für sie Entsagung
heit fieberhaft am Leben hängt, lebt seine Tochter, welcher
und weichliche Sentimentalität der Schluß, ein Boden, auf
dieser Rabenvater keine Freude gönnt. Einzig seiner
dem die geknickten Lilien, be# ufelt von Tränen, vorzüg¬
Pflege soll sie sich widmen und ihm ihre Jugend opfern.
lich wachsen.
Moser ist einst als Rittmeister aus der Schlacht geflohen,
Ich muß gestehen, selten ein mir so durch und durch
indem er so sein Regiment der blauen Kürassiere in
unsympathisches Stück gesehen zu haben. Der Dichter zer¬
Schande stürzte, was aber nur er und seine Tochter weiß.
fasert unsere Empfindungen als Unwahrheiten und Vor¬
Da soeben wieder Krieg ausgebrochen ist, haben aber sämt¬
urteile, um doch wieder zu ihnen zurückzukehren und sie
liche Offiziere und Unteroffiziere des Regiments (??), um
zusammenzuleimen. Fast scheint es, als fehlte ihm jede
die Schande von ihrer Fahne wieder abzuwaschen, ge¬
naive Lebensfreude und =gesundheit, das reiche lachende
schworen, daß keiner lebend zurückkehren solle. Einen von
Dasein anders zu genießen als durch die krankhafte Auf¬
ihnen hat Marie in den wenigen Stunden kennen gelernt,
stachelung im Angesicht des nahen Todes. So kann man
während deren sie sich einst von ihrem Vater wegstahl.
diesmal auch nicht von Charakteren, sondern nur von
Dem Alten gibt sie nun den Schlummertodestrank und
Theaterfiguren reden, die statt der von Schnitzler beabsich¬
eilt, dem Rufe des Lebens folgend, zu dem Geliebten, um
tigten stilisierten Sprache einfach ein Journalisten= und
die letzte Nacht vor dem Auszuge des Regiments mit ihm
Papierdeutsch im Munde führen. Was soll uns aber dieser
zusammen zu sein.
rührsame Hexenkessel eines jammernden Poeten voll Mut¬
Nun hat Schnitzler den zweiten Akt, der gleich dem
losigkeit, Geistreichelei, Skepfis und Sentimentalität! Für
dritten hinter dem Eingang des Dramas weit zurücksteht,
mich ist ein Dichter, wer das Leben liebt und neue Mög¬
aus Erinnerungen an den „Rosenmontag“, „Zapfenstreich“
lichkeiten gestaltet nicht aber bloß Gefühle nutzlos
und die „Liebelei“ stillos zusammengesetzt. Er spielt in zerpflückt. Als untersuchte ein Arzt einen Körper mit
scharfer Sonde imme
und treffend bemerkt:
Masse. Aber vielleich
artistisch und äußerlich
kurzem sein ganzes 9#
ihn sein „Ruf des L#
Trübsinn) als Dekade