19. Der Ruf des Lebens box 24/2
dem Kasernenzimmer des Leutnants Max. Wenn der
ton.
Oberst seinen Offizieren das Wort abnahm, sich dem Tode
zu weihen und so als Held dasteht, tat er es wohl, weil —
seine Frau ihn betrügt; eben mit Leutnant Max. Marie
Lebens.
stürzt ins Zimmer und — hinter den Vorhang; denn eben
Schnitzlers
tritt Max mit der jungen Gattin des Obersten ein. Er
mbrageee gernnen
soll für sie und mit ihr leben, was er seines Schwures
t trotz des äußeren, freilich
wegen ablehnt. Da steht der Oberst, den Fenstervorhang
er Blickenden eine so herbe
zurückschlagend, vor beiden und nähert sich seiner Frau, die
uns nur ein Dichter, den
Rechte geheimnisvoll in den Mantelfalten.
mag. Das Schwächliche, ja
„Bringt mit der Mordpistol sie um,
oesie, welche Leben und
Entsetze dich, o Publikum!“
Freude grüßte, während ihr
gund der Tränen dazwischen¬
als Leutnant Max der Geliebten im Selbstmord folgen
hmer zutage. Um so mehr,
will, stürzt Marie hinter ihrem Vorhang hervor. Beide
Fußerlich robust=dramatisch
durchtaumeln Brust an Brust die Nacht, worauf Max
ner, Gift und die Lauscher
seinem Leben ein Ende macht.
honte. Vatermord, Gatten¬
Aber Marie kann, wie uns der letzte, nur reflektie¬
ndsucht spielen ihre Rolle.
rende Akt zeigt, trotz der Vergiftung des Vaters nicht
Bühne, von der vierten
leben. Nach Schnitzler vermögen es nur die Todgeweihten,
so weise Schnitzer=Arzt
welche den Opiumtrank des Sterbens bereit mit der Hand
te, der unkünstlerisch die
erfassen, oder gleich den Schwindsüchtigen im Körper
höchste Erkenntnis etwa in
tragen. Dafür ist uns Mosers Nichte Katharina ein Be¬
bt; wer tot ist, ist tot.“
weis. Die scheinbar Gesunden stehen dem Leben, von dem
oser, der trotz seiner Krank¬
sie ständig reden, ewig fern. Immer ist für sie Entsagung
lebt seine Tochter, welcher
und weichliche Sentimentalität der Schluß, ein Boden, auf
gönnt. Einzig seiner
dem die geknickten Lilien, beträufelt von Tränen, vorzüg¬
lich machsen.
ihm ihre Jugend opfern.
aus der Schlacht geflohen,
Ich muß gestehen, selten ein mir so durch und durch
er blauen Kürassiere in
unsympathisches Stück gesehen zu haben. Der Dichter zer¬
er und seine Tochter weiß.
fasert unsere Empfindungen als Unwahrheiten und Vor¬
rochen ist, haben aber sämt¬
urteile, um doch wieder zu ihnen zurückzukehren und sie
re des Regiments (??), um
zusammenzuleimen. Fast scheint es, als fehlte ihm jede
wieder abzuwaschen, ge¬
naive Lebensfreude und =gesundheit, das reiche, lachende
ückkehren solle. Einen von
Dasein anders zu genießen als durch die krankhafte Auf¬
n Stunden kennen gelernt,
stachelung im Angesicht des nahen Todes. So kann man
ihrem Vater wegstahl.
diesmal auch nicht von Charakteren, sondern nur von
Schlummertodestrank und
Theaterfiguren reden, die statt der von Schnitzler beabsich¬
end, zu dem Geliebten, um
tigten stilisierten Sprache einfach ein Journalisten= und
ge des Regiments mit ihm
Papierdeutsch im Munde führen. Was soll uns aber dieser
rührsame Hexenkessel eines jammernden Poeten voll Mut¬
weiten Akt, der gleich dem
losigkeit, Geistreichelei, Skepsis und Sentimentalität! Für
s Dramas weit zurücksteht,
mich ist ein Dichter, wer das Leben liebt und neue Mög¬
senmontag“, „Zapfenstreich“] lichkeiten gestaltet, nicht aber bloß Gefühle nutzlos
mmengesetzt. Er spielt in zerpflückt. Als untersuchte ein Arzt einen Körper mit
scharfer Sonde immer und immer wieder, bis er traurig
und treffend bemerkt: dies ist eine unförmige, blutige, tote
Masse. Aber vielleicht jonglierte Schnitzler diesmal nur
artistisch und äußerlich mit den wenigen Motiven, die seit
kurzem sein ganzes Repertoire bilden. Jedenfalls zeigt
ihn sein „Ruf des Lebens“ (in Wahrheit ein Ruf zum
(Trübsinn) als Dekadent im schlimmsten Sinne des Wortes.
Oskar Anwands#
dem Kasernenzimmer des Leutnants Max. Wenn der
ton.
Oberst seinen Offizieren das Wort abnahm, sich dem Tode
zu weihen und so als Held dasteht, tat er es wohl, weil —
seine Frau ihn betrügt; eben mit Leutnant Max. Marie
Lebens.
stürzt ins Zimmer und — hinter den Vorhang; denn eben
Schnitzlers
tritt Max mit der jungen Gattin des Obersten ein. Er
mbrageee gernnen
soll für sie und mit ihr leben, was er seines Schwures
t trotz des äußeren, freilich
wegen ablehnt. Da steht der Oberst, den Fenstervorhang
er Blickenden eine so herbe
zurückschlagend, vor beiden und nähert sich seiner Frau, die
uns nur ein Dichter, den
Rechte geheimnisvoll in den Mantelfalten.
mag. Das Schwächliche, ja
„Bringt mit der Mordpistol sie um,
oesie, welche Leben und
Entsetze dich, o Publikum!“
Freude grüßte, während ihr
gund der Tränen dazwischen¬
als Leutnant Max der Geliebten im Selbstmord folgen
hmer zutage. Um so mehr,
will, stürzt Marie hinter ihrem Vorhang hervor. Beide
Fußerlich robust=dramatisch
durchtaumeln Brust an Brust die Nacht, worauf Max
ner, Gift und die Lauscher
seinem Leben ein Ende macht.
honte. Vatermord, Gatten¬
Aber Marie kann, wie uns der letzte, nur reflektie¬
ndsucht spielen ihre Rolle.
rende Akt zeigt, trotz der Vergiftung des Vaters nicht
Bühne, von der vierten
leben. Nach Schnitzler vermögen es nur die Todgeweihten,
so weise Schnitzer=Arzt
welche den Opiumtrank des Sterbens bereit mit der Hand
te, der unkünstlerisch die
erfassen, oder gleich den Schwindsüchtigen im Körper
höchste Erkenntnis etwa in
tragen. Dafür ist uns Mosers Nichte Katharina ein Be¬
bt; wer tot ist, ist tot.“
weis. Die scheinbar Gesunden stehen dem Leben, von dem
oser, der trotz seiner Krank¬
sie ständig reden, ewig fern. Immer ist für sie Entsagung
lebt seine Tochter, welcher
und weichliche Sentimentalität der Schluß, ein Boden, auf
gönnt. Einzig seiner
dem die geknickten Lilien, beträufelt von Tränen, vorzüg¬
lich machsen.
ihm ihre Jugend opfern.
aus der Schlacht geflohen,
Ich muß gestehen, selten ein mir so durch und durch
er blauen Kürassiere in
unsympathisches Stück gesehen zu haben. Der Dichter zer¬
er und seine Tochter weiß.
fasert unsere Empfindungen als Unwahrheiten und Vor¬
rochen ist, haben aber sämt¬
urteile, um doch wieder zu ihnen zurückzukehren und sie
re des Regiments (??), um
zusammenzuleimen. Fast scheint es, als fehlte ihm jede
wieder abzuwaschen, ge¬
naive Lebensfreude und =gesundheit, das reiche, lachende
ückkehren solle. Einen von
Dasein anders zu genießen als durch die krankhafte Auf¬
n Stunden kennen gelernt,
stachelung im Angesicht des nahen Todes. So kann man
ihrem Vater wegstahl.
diesmal auch nicht von Charakteren, sondern nur von
Schlummertodestrank und
Theaterfiguren reden, die statt der von Schnitzler beabsich¬
end, zu dem Geliebten, um
tigten stilisierten Sprache einfach ein Journalisten= und
ge des Regiments mit ihm
Papierdeutsch im Munde führen. Was soll uns aber dieser
rührsame Hexenkessel eines jammernden Poeten voll Mut¬
weiten Akt, der gleich dem
losigkeit, Geistreichelei, Skepsis und Sentimentalität! Für
s Dramas weit zurücksteht,
mich ist ein Dichter, wer das Leben liebt und neue Mög¬
senmontag“, „Zapfenstreich“] lichkeiten gestaltet, nicht aber bloß Gefühle nutzlos
mmengesetzt. Er spielt in zerpflückt. Als untersuchte ein Arzt einen Körper mit
scharfer Sonde immer und immer wieder, bis er traurig
und treffend bemerkt: dies ist eine unförmige, blutige, tote
Masse. Aber vielleicht jonglierte Schnitzler diesmal nur
artistisch und äußerlich mit den wenigen Motiven, die seit
kurzem sein ganzes Repertoire bilden. Jedenfalls zeigt
ihn sein „Ruf des Lebens“ (in Wahrheit ein Ruf zum
(Trübsinn) als Dekadent im schlimmsten Sinne des Wortes.
Oskar Anwands#