II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 145

19. Der Ruf des- Lebens
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irgendeiner Macht in einen Krieg verwickelt, insgeistreicher Schriftsteller schrieb, werden sie
den auch die Blauen Kürassiere ziehen. Keinerj uns auch nicht eben verständlicher oder sym¬
von ihnen wird lebend heimkehren — Soldaten
pathischer.
und Offiziere haben sich das geschworen, um eine
Die Aufführung bedeutete in jeder Hinsicht einen
Schmach zu fühnen, die das Regiment vor breißig Ruhmestitel für das Lessing=Theater. Trotzdem
Der neue Schuitler.
Jahren durch feige Flucht in einer Schlacht auf
setzte nach dem zweiten Aufzug das Zischen ein
sich lud. Nun, da Marie den heimlich Geliebten
7 (Von uyserem Berliner R. W.=Korrespondenten.)
das nach dem dritten mächtig emporwuchs — die
todgeweiht weiß, treibt es sie mit Macht zu ihm,
Murf H#.
Berlin, 24. Februar.
Freunde Schnitzlers ermöglichten auch da noch
und um der verzehrenden Sehnsucht genügen zu
eine Rache von Hervorrufen.
Und wieder einmal gab es im Lessing= können, mischt sie dem Vater, der sie gewaltsam
Theater eine heiße Premierenschlacht: Schnitz=Lzurückhalten will, die tödliche zehnfache Dosis des
lers dreiaktiges Schauspiel „Der Ruf des Schlaftrunkes in das Glas, entreißt der erstarr¬
Abens“, das heute Abend zum erstenmale auf¬
ten Hand den Schlüssel der Wohnung und stürzt
geführt wurde, entfesselte einen heftigen Streit
zu dem Offizier. In seiner Kasernenstube wird
der Meinungen, in dem schließlich mit Recht die
sie, verborgen hinter den Vorhängen des Bettes,
Nichtapplaudierenden die Oberhand behielten.
Zeugin einer bösen Szene. Die junge Gattin des
Denn auch Schnitzler hat leider einen Ausflug Obersten ist zu dem Leutnant gekommen, den sie
auf jenes Gebiet gemacht, zu dem ihm sein Kol= liebt, und will ihn von dem Todesritt des Regi¬
Mege Budermann den Pfad gewiesen: er hat sich
ments zurückhalten. Der Oberst, dem der Offi¬
„zum dramatisierten Kolportageroman verstiegen.
zier noch kurz zuvor älle Beziehungen zu der
An einen Roman erinnert alles in diesem
Gattin leugnete, ist plötzlich durch das Fenster
stück, dessen Personen keine psychologische Ver¬
in die Stube gesprungen, hat die beiden über¬
lieung zeigen, dessen Vorgänge sich verblüffend
rascht und das Weib erschossen. Und nun kommt
sschnell, ohne Vorbereitung, ohne innere Notwen¬
Marie aus ihrem Versteck hervor und wirft sich
Wigkeit oder Begründung vor uns abspielen. Man= dem Lentnant an die Brust, der sie mit fortführt
Anigfache Motive, auf denen ein ganzes Bühnen=s zur letzten Liebesnacht. Denn als der nächste
werk sich aufbauen ließe, werden berührt, aber
Morgen graut, eilt er in die Kaserne zurück und
sofort wieder fallen gelassen, Dinge und Menschen jagt sich neben der Erschossenen eine Kugel in die
sind mitunter nur zu dem einen Zwecke da, um Schläfe...
einen Theatercoup, eine kräftige Effektszene zu
Was dann, im dritten Akte, noch kommt, ist
ermöglichen — kurz, es ist eine Arbeit von einer
sehr belanglos. Da hören wir die Philosophie
gewissen Sorglosigkeit, der aber doch in manchem
eines Arztes, der Marie darüber aufklärt, daß
klugen, seinen Wort wieder der Geist Schnitzlers
alles, was sie um sich sieht, Leben ist —
aufgeprägt ist.
das, was sie in jener Nacht durchtebt hat; und
Die Handlung spielt „etwa in der Mitte des
da sehen wir den Tod eines schwindsüchtigen
vorigen Jahrhunderts“, und der erste Akt führt
jungen Mädchens, das in dem Drang, die kurze
uns in die Wohnung des greisen, dem Tode ge¬
Spanne Zeit zu nutzen, die ihm noch gegeben,
weihten und sich zäh an das Leben klammernden
seine Kraft in wildem Liebesrausch vergendete.
Moser, eines bösen Alten, der seine Tochter Marie] Aber all das berührt uns nicht. Wir sehen eben;
bis aufs Blut peinigt. In einer Ballnacht drangs nur, was die Figuren des Stückes tun, ohne
zu diesem Mädchen der „Ruf des Lebens“, siel zu wissen, warum sie es tun, und so wecken sie!
hörte ihn in den Armen eines jungen Offiziersl nicht unser Mitgefühl und bleiben uns fremd.
von den Blauen Kürassieren, und das Verlangen Und durch die Phrasen, die sie sprechen, dieses
fiebert in ihr, ihm zu folgen. Oesterreich ist mit unverfälschte Buchdeutsch, das allerdings ein