II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 158

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19. Der Ruf des Lebens
1 deg Verais
hihen Genstent, bul uch.
in Katharinas Geliebten, im jungen Leutnant Albrecht zum Aus= mit dem Faschingsplun
genug herauskommt und in den wohlgesetzten Reden relieflos
druck. Ich möchte dem begabten und sympathischen jungen Künstler, den Anschein, als steg
unbemerkt bleibt.
Die Gewaltsamkeit di Handlung verleitet zum Mißbrauch der diese Rolle recht gut gespielt hat, nichts Unverbindliches sagen. Aber einen Wahn, meinetweg
des groben Effekts. Schnitzler besät das Feld, auf das er uns ich darf nicht verschweigen, daß es meines Erachtens für das nüchterner Mensch, wie
führt, mit Leichen. Ich kenne kaum ein Stück mit einer solchen Stück erheblich vorteilhafter gewesen wäre, wenn die Bedeutung In Wahrheit aber zah
Sterblichkeit. Der alte Moser, Irene und Katharina sterben vor dieser äußerlich unscheinbaren Rolle schon durch die Besetzung mit durch das Akzept seines#
unseren Augen. Die beiden jungen Offiziere Max und Albrecht einem anerkannt ersten Künstler recht deutlich markiert worden hat. Er diskontiert ihn
fallstage — in ehebr
enden als Selbstmörder. Der Oberst, der Unterofsizier, der wach= wäre, mit einer Persönlichkeit, die „das Ohr des Hauses
Obersten wie ein böser
habende Soldat, die Leute, die wir vor dem offenen Fenster der besitzt".
Albrecht versteht nicht, daß er und seine Kameraden aus ihm der herrlichste Te#
Offiziersstube vorüberziehen sehen, die Kameraden der letzten
dem schönen Leben scheiden sollen, weil vor dreißig Jahren jetzt für Kaiser und Reich,
Schwadron, die wir nicht sehen, und alle Mann der anderen
längst Verstorbene und Verschollene durch feige Flucht das hafter Rächer einer alt
Schwadronen, die wir von Mosers Stube aus haben vorüber¬
Wie in Schwin
Regiment mit einer Schmach bedeckt haben, die vielleicht nicht
reiten hören — alle, alle sterben.
verjährt, aber doch vergessen ist. Er sieht nicht ein, daß er die werden, so geht aus d
Erbschaft der alten Schuld anzutreten habe; er weiß nicht, wofür als blinkblanke Ehre h
Das wären woh
Und in allen diesen Getöteten ist der „Ruf des er sich niederschießen lassen soll. Und das, was der junge Mensch
muß“. Wir hätten sie
Lebens“ ertönt, mehr oder minder bewußt, mehr oder minder da harmlos ausspricht — wir alle empfinden es mit ihm.
Was ist das für eine wahnwitzig gräßliche Sühne, dieser
Noch schlimmer
vernehmlich.
Der ernste, zu f
Zwischen Schnitzlers „Ruf des Lebens“ und Zolas anbefohlene Massenselbstmoro! Mir scheint, wenn es den blauen
„Joie de vivre“ vermag ich kaum einen wesentlichen Unter= Kürassicren von 1849 gelänge, mit möglichst geringen Opfern von seiner Frau, die zu lan
schied zu entdecken. Die Uebereinstimmung zwischen dem alten Menschenleben eine den Sieg entscheidende Aktion zu vollbringen, er fürchtet, so ist's de
das würde die seit drei Jahrzehnten mit Schande besudelte Fahne für ihn, für die Ehebr
Moser und dem gichtbrüchigen Chanteau erscheint mir sogar voll¬
wieder reinwaschen. Diese Schande aber mit stupid und massen= gewiß. Wenn er den
kommen. Der eine wie der andere Greis durch ein qualvolles,
haft unschuldig vergossenem Blut übertünchen, das wird man wenn er sich von seine
unheilbares Leiden dem Tode geweiht, der eine wie der andere
unerträglichen Dasein
schwerlich als reinigenden Heroismus gelten lassen. Das ist wüstes
nur von dem sehnlichen Verlangen erfüllt, den Jammer so viel
bürgerliche Trauerspiel
wie möglich zu verlängern und die Stunde der Erlösung möglichst Bramarbasieren, altorientalische, greuliche Roheit, bluttriefender
Molochgötzendienst, mit dem unsere Kultur keine Fühlung hat. soz
m Bedingungen
weit hinauszuschieben. Chanteau, von der Gicht gekrümmt und
Max weiß auf die schlichte und berechtigte Einwendung Nachruf des wenn
gelähmt, dessen Dasein nur ein langes, ununterbrochenes
Schmerzensgeheul ist, ruft aus, als ihm der Selbstmord seiner seines Freundes auch nichts Gescheites zu antworten. Er ent= Wenn aber für ihn,
drallen Köchin gemeldet wicd: „Muß man dumm sein, um sich kräftet nicht einmal die geradezu schauerliche Andeutung Albrechts, hafte Massenhinopferun
ums Leben zu bringen!“ Und der jammernde Moser, der keinen daß diese Massenabschlachtung am Ende auf nichts anderes hinaus= Zweck, seinem von ihn
frohen, keinen schmerzeusfreien Augenblick mehr hat, empfindet, laufe als auf einen „Witz“ des Obersten. „Der Oberst", sagt Skandalgeschichte zu ne
als er die jungen Leute in den Tod traben hört, nur eines: Albrecht, „ist ein gar zu witziger Kopf, darum müssen wir Winkelried herauszupu#
es einfach grauenhaft.
die höllische Genugtuung, daß er, der sieche Greis, noch nicht zu sterben.“
Der Oberst ahn
„Nichts über ihn. Ihr versteht ihn alle nicht,“ entgegnet
sterben braucht. „Ich lebe noch mit neunundsiebzig Jahren und
Max. „Man muß die Zusammenhänge be= außerehelich ergötzt.
werde sie alle überleben — alle — alle!“
ruchbar wird, nicht üb
greifen
Hier hat die „Lust am Dasein“, die „Bejahung des Willens
Mit solchen vieldeutigen und nichtssagenden, nebeligen als persönlich schänden
zum Leben“ in ihrer abstoßendsten Form etwas Krankhaftes,
Skandinavismen wollen wir uns lieber nicht um die Sache noch ein Gran von L#
ja beinahe Unnatürliches. Und der unerschrockene Arzt, der sich
herumdrücken.
die wahre Ursache sein
keinen Augenblick im Zweifel darüber ist, daß die gesunde Marie
Vielleicht kommen wir der Sache näher, wenn wir hören, geschehen, regt es woh
ein größeres Anrecht an das blühende Leben hat, als der sterbens¬
wie der verständige Albrecht den Verdacht ausspricht, daß sein zwanzigjährige Jünglin
kranke Vater an sein welkes Vegetieren, und der weiß, daß die
guter Kamerad Max, der so freudig in den Tod zieht, am mit ihm getötet werde
junge Marie erst aufatmen kann, wenn der alte Moser aus¬
geatmet haben wird, besinnt sich nicht, Marie die Mittel in die Ende „eine persönliche Schuld in der allgemeinen aufgehen“ der Hekatombe der un
Die Unglückliche
Hand zu geben, die, wenn es sein muß, dem Alten die Ohren so lassen wolle.
Das heißt doch wohl aus der gewollten Unklarheit in ver= Vaterlandes und sind
fest verstopfen, daß der Ruf des Lebens nicht mehr zu
ständliches Deutsch übertragen: Max behängt die Sübne der eigenen oufer eines wahnsinnig
ihm dringt.