II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 217

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19. Der Ruf des Lebens





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alles folgerecht entwickelt ist, und sich Glied an Glied
zu fester Kette fügt, so ist es doch kaum als Drama zu
Besprechungen.
nehmen, weil ihm die Kraft willensstarker Menschen
„Der Ruf des Lebens.“ Schauspiel von Artur
fehlt, die mit dem Schicksal ringen und die es brechen
Schnitzler. Berlin 1906. S. Fischer. Der Ruf
oder von ihm zerbrochen werden. Trotz alledem
des Lebens; der zum Tode ruft: Dieses Paradoxon para¬
muß das Buch als ein in sein. Art gelungenes Kunst¬
phrasiert das neue Schauspiel Artur Schnitzlers „Der
werk bezeichnet werden, in welchem der Dichter erreichte,
Ruf des Lebens“ mit seinen wundervollen, novellen
was er wollte; wenn es auch kein Drama, sondern nur
haften Stimmungswerten, das deshalb ebenso wahr und
eine Novelle in dramatischer Form genannt und nur so
tragisch ist, wie das Leben das größte Paradoxon in
gewertet werden darf, wollen wir dem Dichter und seiner
seiner Tragikomödie ist. Aber wiewohl in diesem Drama
Schöpfung gerecht werden; denn niemals darf das Leben
durch starre Gesetze zerstört werden. Stephan Sturm.s
„UBSEHVER
i. Esterr behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Verfretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis. New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr)
Ausschnitt aus:
WOCHE, WIEN
4 5. 1206
vom:
1
„Der Ruf des Lebens“ Schauspiel in
drei Akten von Arthur Schnitzler. Berlin, S.
Telephon 12801.
Fischers Verlag 1906.
Vielleicht hätte dieses Drama bei Publikum und
„OBSERVER‘
Kritik in Berlin einen unbestrittenen Erfolg gehabt,
vielleicht wäre es überhaupt ein effektvolleres Theater¬
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeilungs-Ausschnltte
stück, wenn es mit dem zweiten Akt schlöße.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Allein dann wäre es nicht die wundervolle, alles
Vertretungen
umspannende Dichtung vom Leben, zu der es ja
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
gerade der dritte Akt rundet und erfüllt. In lautester
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
Schrillheit erklingt der Ruf des Lebens in den ersten
Sau Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
zwei Aufzügen: Um sich dem geliebten Manne, einem
(Quelienangabe ehne Ge-ühr.
Offizier, der am nächsten Morgen in Schlacht und
Socialistieche Ichaishefte, Berin
Tod „ieht, wenigstens einmal hingeben zu können,
Ausschnitt aus:
vergiftet Marie Moser ihren unheilbar, kranken alten
Vater, dessen arg gepeinigte Pflegerin sie ist. Sie
vom:
DK 1906
stürmt in die Wohnung ihres Max und erlebt dort,
hinter einem Vorhang versteckt, drei erschütternde
Schnitzlerzkuf Dem Rufe des Lebens
Szenen. Zuerst rechnet Leutnant Max, mit einer
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dann zu folgen, wenn der
anderen Geliebten, der Frau seines Obersten ab,
Tod nach Opfern ausgeht,
dann kommt der Oberst dazu und erschießt seine Frau,
ist ein heldenhaft Wagnis. Entweder
tun dies Wagnis die vom Blut Gehetzten.
und zuletzt entreißt er Max das Versprechen, sich am
Man meint, dass Frauen derartiger Ver¬
Morgen vor dem Ausmarsch selbst zu erschießen.
zücktheit fähiger sind, als Männer. Oder
Und jetzt stürzt Marie hervor, in die Arme des
es sprengen dem Rufe nach Ruhm¬
trotz alledem Geliebten, für eine einzige Nacht. So
fisterne, entsetzlich Kühne, die mit
endet der zweite Akt, der wie ein Orkan menschlicher
Leidenschaft einherbraust. Der dritte Akt jedoch bringt
einem Schwertstreich die ganze Welt
sich erobern können. Diese beiden flam¬
keine Steigerung im gewöhnlichen Sinne, sondern ein
menden Regungen aufzischen, blitz¬
Bild seltsamen Friedens. Marie lebt still und einsam
schnell verzüngeln zu lassen: ich wüsste
in einem kleinen Dorf. Am Horizont ihres Daseins
nicht, was eines Dramatikers mehr wert
stehen wie im ersten Akt zwei treue Freunde, der Arzt,
sein sollte. Dass Schnitzler den präch¬
der seinerzeit die Spuren ihres Verbrechens verwischt
tigsten Stoff, den er je erfand, in seinem
Ruf des Lebens /Berlin, S. Fischer, ver¬
hat, und der Forstmeister, der Marie liebt und sie
dorben hat, wie noch nie einen, ist sehr
trotz eines offenen Bekenntnisses wohl später einmal
beklagenswert. Das konnte als künstle¬
heimführen wird. Und in friedevollen Gesprächen gibt
risches Ende des Dichters aber nur die
der Arzt den großen Sinn und die große Deutung.
Menge jener Kritiker ausposaunen, die
ihr Urteil auf eine Stimmung begründen,
Auch daß Marie hier über die Felder wandert, daß
nicht auf ein sorgsames, liebevolles Prü¬
sie Blumen pflückt und daß sie unter leuchtendem
fen.
Mittagshimmel nachdenkliche Zwiegespräche führt, ist
Leben. Und vielleicht klingt der Ruf des Lebens aus
den einfachen und stillen Dingen sogar reiner und
tiefer in die Seele. Denn was können wir überhaupt
vom Leben wissen, wir, die wir so stolz von gut und
böse und anderen Werten reden? Daß die Toten tod
sind und daß den anderen die Sonne noch scheint.
„Ich weiß nichts anderes auf Erden, das gewiß wäre“.
Dr. Wilhelm von Wymeta