des Lebens box 24/3
19. Der Ruf
dass er in einer übermütigen Stunde das Schicksal
Er fühlt sich als den, der allein imstande ist, das Erbe
des cinst grossen, kriegerischen, jetzt aber hinfälligen und
dieser nach seiner Laune gelenkt hat und muss nun er¬
immer noch von seiner Schuld geplagten grössten aller
kennen, dass er, welcher der Held zu sein glaubte, der
Judenkönige anzutreten. Er glaubt an sich und ##n König¬
Narr, der Diemer des Geschickes gewesen ist " Das ein¬
tum, ob er auch drüber zum Aufrührer, zum Gesellen des
aktige Puppenlustspiel „Der tapfere Cassian ist ein derbes
hasserfüllten Joah, zum Frevler an seiner Gelieblen Abisag
Stück mit grellbunten Farben, das uns zeigl, wie dem
von Sunem, der Pfiegerin Davids, zum Verfluchten, zum
schmachtenden Flôtenbläser, indes er an einem Degen¬
Narren wird. Er glaubt an sich auch noch, als e unter.
stoss stirbt, sein Liebchen mit dem renomierenden Kriegs¬
den Schwertstreichen der Leibwache Salomos fäht. Wohl ist
heiden in die bunte Welt entflieht. Alle Minen lasst Schnitz¬
David dem kühnen, tapferen Sohne gewogen wie einst Absa¬
ler in der einaktigen Burleske „Zum grossen Würstel
lom, um den er noch immer trauert. Doch die Wage neigt
springen. keiner, der Sinn für sprudelnden Humor hat,
sich zu Gunsten Salomos., der hier reichlich schleicherhaft
wird diesen Einakter unbefriedigt aus den fländen jegen.
erscheint, trotz seiner stark betonten Kiugheit und Frie¬
leinrich von Schullern, dessen Name man¬
densliebe. Dass David sich bei der Wahl des Nachfolgers
chem Leser von seinen beiden Romanen Aerzte 1.02, und
hinter Jchovah zurückzieht, scheint mir die schwüchste
Katholiken (1904) bekannt sein wird hat unter seinen
Stelle des Dramas zu sein, so sehr auch der gegebene Stoff
Schriften erst ein Schauspiel (Die Trichine, 1900) aufzu¬
es nahelegte, ju dazu drängte. Stodte hätte, da er doch
weisen. Neuerdings hat er drei Einakter: „Tante Julehens
sonst frei über das Geschehn verfügte, meines Erachtens
Diamanten“, „Die Sirene“ und „Satisfaktion“ unter dem¬
die Entscheidung ganz allein in Davids Brust verlegen, hätte
Obertitel Genusemenschen (München und Leipzig.
sie offen und sichtbar, nicht hinter einem mystischen
Georg Müller, 1906, zusammengefasst. Fr zrichnel uns drei
Spielarten der bezeichneten Gattung: den Lebemann, mit
Vorhang fallen lassen müssen. Dadurch väre die Tragik,
das Bewegend-Menschliche noch gesteigert, für Adonia die
dem es aus ist, sobald die Geldbörse sich leert und die
Wahl bedentsamer und verantwortungsvoller und or allem
Manneskraft zu schwinden beginnt, den armen Teufel, der
das Hinaufschreiten der Zeit, so wie Hebbel es gern seinen
um Alkohol und Liebe Weib und Kind verkommen lässt und
Dramen zum Hintergrunde zu geben pflegte vom kriegeri¬
während der Ernüchterung zum Mörder wird, den Duell¬
schenl, im Blute watenden David zum weisheitsvollen, vom
und Frauenjäger, der sein Leben endet, sobaid man ihm
Frieden träumenden Salomo weit eindrucksvoller geworden.
nicht einmal Genugtnung abverlangt. Kunstwert und Le¬
Freilich hätte daun auch Salomo weit mehr als es Stodte
bensgehalt sind so gering in dem Ganzen, dass ich eine ein¬
gelungen ist. zu Adonia hinaufgehoben, ja in letzten Grunde
gehendere Besprechung nicht von Nôten halte.
ober ihn hinwegsehehen ##erden mücten Dann wärg ein
Theodor Ponwe läest in seiner Trasödin von
grosses Drama aus dem Stücke geworden, das socnur
Vinzenz Pettmilch“ (München und Leipzig, Georg Müller,
eine psychologische Studie über einen Narren ist. Denn
in geschiekter Weise die Händel zwischen Patriziern und
die Gestalt des Adonia verzehrt alles. Wie Salomo „nach¬
Bürgersleuten zu Frankfurt-Sachsenhausen aus den Jahren
denklich“, doch nicht im Innersten bewegt, sehen wir ihn
1612—1614 vor unseren Augen lebendig werden. Wir schauen
fallen, „in sich verglüht, wie eine Fackel, die sich seibst
den markanten Gestalten auf beiden Seiten klar in die
verbrannte“. — Auch uns erscheint es königlich und wahr¬
Augen, wir schen das Gewimmei des gemeinen Volkes leib¬
haft gross, an sich und an das Göttliche in eigner Brust zu
haftig. Das Schwächste dran ist, was doch das Bedeutendste
glauben. Freilich, wer so schwach ist, wie Stodtes Adonia,
sein soflte: Vinzenz Fettmilch, der Kuchenbäcker und Wort¬
so wenig seinen Glauben durch Taten beweist, so blind.
führer der aufsässigen Bürgersleute. Einmal: die Sache,
ist, so dem Tode in den Rechen rennt, der ist ein Narr, ein“
die er vertritt, trägt ihn nicht hoch genug. Diese Stadt¬
Schwärmer, dessen König glaube auf unsicheren Füssen
zänkereien sind zu lokaler, zu unbedeutender Art, als dass
sie einem Tragödienhelden zum Boden dienen könnten. Ju,
steht, nicht aber ein tragischer Held.
wenn ein ganzes Volk hinter ihm stände, wie hinter den
Gracchen! Zum andern ist das Motiv vom rechtsbegehren¬
den, ebenso schnell von Vertrauen und Gunst auf den
Aus der Sagenwelt eines untergehenden Volkes
Gipfel getragenen, wie von Missgunst und Hass in den Ab¬
(Keltische Sagen)
grund gestürzten Volksführer schon so oft und in so ausge¬
Von Hans Benzmann.
zeichneter Weise bearbeitet worden, dass nur ganz ausser¬
(Fortsetzung.)
gewöhnliche Kraft es neu gestalten kann. Und noch eins
Neuerdings sind zwei Werke erschienen, die sich mit
muss ich einwenden. Das Strafgericht, die Reichsacht er¬
der keltischen Sagenpoesie beschäftigen und uns Einblicke
scheint wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und nicht als
gewähren in das Wesen der keltischen Kultur und der
ein notwendiges Gerichtetwerden umn eigner Schuld willen,
merkwürdigen von heroischen und mystischen Vorstellan¬
das langsam, drohend, unabwendbar heraufsteigt und nach
gen beherrschten Seele dieses Volkes. Die beiden Bücher
dem Schlag befreiend wirkt. Beides eben vermisst man; die
ergänzen einander. Wie ich schon ausführte, haben sich
tiefe Erschütterung und nachher die grosse Befreiung. Der
nur spärliche Ueberreste der keltischen Poesie erhalten,
Grund dafür liegt in den angedeuteten Mängeln der Haupt¬
d. h. schriftlich. Die alten Sagen und Poesien leben aber
gestalt. Wenn ich Theodor Poppe einen Rat geben sollte
noch heute im Volke, ja sie beschäftigen die Bewohner
für sein nächstes Werk, dann wäre es der, alle verfügbare
jener öden Moore, Hügelländer und Gestade der schottischen
Kraft auf die Hauptgestalt zu konzentrieren und nicht wie¬
Küste, Irrlands und der Hebriden) viel intensiver als etwa
der so viel an den Hintergrund zu verschwenden. Es ist
die Sagen unseres Landes unsere heutigen Bauern und
immer noch besser, dieser bleibt ein wenig zu blass, als dass
Fischer. Wie ich noch weiter ausführen werde, leben die
jene drunter leidet.
Nachkommen der keltischen Urrasse geradezu in den allen
Hermann Stodte hat mit seinem biblischen fünf¬
heroischen und mystischen Vorstellungen, sie alle sind
aktigen Drama „Königsglaube (Vita, Deutsches Verlags¬
Dichter. Unbewusst beherrscht die Poesie alle Herzen.
haus, Berlin) stofflich einen sehr guten Griff gelan. — Im
Nur aufgezeichnet ist wenig davon. Diese Poesien, die wie
Mittelpunkte des Dramas steht Adonia, der Sohn Davids.
19. Der Ruf
dass er in einer übermütigen Stunde das Schicksal
Er fühlt sich als den, der allein imstande ist, das Erbe
des cinst grossen, kriegerischen, jetzt aber hinfälligen und
dieser nach seiner Laune gelenkt hat und muss nun er¬
immer noch von seiner Schuld geplagten grössten aller
kennen, dass er, welcher der Held zu sein glaubte, der
Judenkönige anzutreten. Er glaubt an sich und ##n König¬
Narr, der Diemer des Geschickes gewesen ist " Das ein¬
tum, ob er auch drüber zum Aufrührer, zum Gesellen des
aktige Puppenlustspiel „Der tapfere Cassian ist ein derbes
hasserfüllten Joah, zum Frevler an seiner Gelieblen Abisag
Stück mit grellbunten Farben, das uns zeigl, wie dem
von Sunem, der Pfiegerin Davids, zum Verfluchten, zum
schmachtenden Flôtenbläser, indes er an einem Degen¬
Narren wird. Er glaubt an sich auch noch, als e unter.
stoss stirbt, sein Liebchen mit dem renomierenden Kriegs¬
den Schwertstreichen der Leibwache Salomos fäht. Wohl ist
heiden in die bunte Welt entflieht. Alle Minen lasst Schnitz¬
David dem kühnen, tapferen Sohne gewogen wie einst Absa¬
ler in der einaktigen Burleske „Zum grossen Würstel
lom, um den er noch immer trauert. Doch die Wage neigt
springen. keiner, der Sinn für sprudelnden Humor hat,
sich zu Gunsten Salomos., der hier reichlich schleicherhaft
wird diesen Einakter unbefriedigt aus den fländen jegen.
erscheint, trotz seiner stark betonten Kiugheit und Frie¬
leinrich von Schullern, dessen Name man¬
densliebe. Dass David sich bei der Wahl des Nachfolgers
chem Leser von seinen beiden Romanen Aerzte 1.02, und
hinter Jchovah zurückzieht, scheint mir die schwüchste
Katholiken (1904) bekannt sein wird hat unter seinen
Stelle des Dramas zu sein, so sehr auch der gegebene Stoff
Schriften erst ein Schauspiel (Die Trichine, 1900) aufzu¬
es nahelegte, ju dazu drängte. Stodte hätte, da er doch
weisen. Neuerdings hat er drei Einakter: „Tante Julehens
sonst frei über das Geschehn verfügte, meines Erachtens
Diamanten“, „Die Sirene“ und „Satisfaktion“ unter dem¬
die Entscheidung ganz allein in Davids Brust verlegen, hätte
Obertitel Genusemenschen (München und Leipzig.
sie offen und sichtbar, nicht hinter einem mystischen
Georg Müller, 1906, zusammengefasst. Fr zrichnel uns drei
Spielarten der bezeichneten Gattung: den Lebemann, mit
Vorhang fallen lassen müssen. Dadurch väre die Tragik,
das Bewegend-Menschliche noch gesteigert, für Adonia die
dem es aus ist, sobald die Geldbörse sich leert und die
Wahl bedentsamer und verantwortungsvoller und or allem
Manneskraft zu schwinden beginnt, den armen Teufel, der
das Hinaufschreiten der Zeit, so wie Hebbel es gern seinen
um Alkohol und Liebe Weib und Kind verkommen lässt und
Dramen zum Hintergrunde zu geben pflegte vom kriegeri¬
während der Ernüchterung zum Mörder wird, den Duell¬
schenl, im Blute watenden David zum weisheitsvollen, vom
und Frauenjäger, der sein Leben endet, sobaid man ihm
Frieden träumenden Salomo weit eindrucksvoller geworden.
nicht einmal Genugtnung abverlangt. Kunstwert und Le¬
Freilich hätte daun auch Salomo weit mehr als es Stodte
bensgehalt sind so gering in dem Ganzen, dass ich eine ein¬
gelungen ist. zu Adonia hinaufgehoben, ja in letzten Grunde
gehendere Besprechung nicht von Nôten halte.
ober ihn hinwegsehehen ##erden mücten Dann wärg ein
Theodor Ponwe läest in seiner Trasödin von
grosses Drama aus dem Stücke geworden, das socnur
Vinzenz Pettmilch“ (München und Leipzig, Georg Müller,
eine psychologische Studie über einen Narren ist. Denn
in geschiekter Weise die Händel zwischen Patriziern und
die Gestalt des Adonia verzehrt alles. Wie Salomo „nach¬
Bürgersleuten zu Frankfurt-Sachsenhausen aus den Jahren
denklich“, doch nicht im Innersten bewegt, sehen wir ihn
1612—1614 vor unseren Augen lebendig werden. Wir schauen
fallen, „in sich verglüht, wie eine Fackel, die sich seibst
den markanten Gestalten auf beiden Seiten klar in die
verbrannte“. — Auch uns erscheint es königlich und wahr¬
Augen, wir schen das Gewimmei des gemeinen Volkes leib¬
haft gross, an sich und an das Göttliche in eigner Brust zu
haftig. Das Schwächste dran ist, was doch das Bedeutendste
glauben. Freilich, wer so schwach ist, wie Stodtes Adonia,
sein soflte: Vinzenz Fettmilch, der Kuchenbäcker und Wort¬
so wenig seinen Glauben durch Taten beweist, so blind.
führer der aufsässigen Bürgersleute. Einmal: die Sache,
ist, so dem Tode in den Rechen rennt, der ist ein Narr, ein“
die er vertritt, trägt ihn nicht hoch genug. Diese Stadt¬
Schwärmer, dessen König glaube auf unsicheren Füssen
zänkereien sind zu lokaler, zu unbedeutender Art, als dass
sie einem Tragödienhelden zum Boden dienen könnten. Ju,
steht, nicht aber ein tragischer Held.
wenn ein ganzes Volk hinter ihm stände, wie hinter den
Gracchen! Zum andern ist das Motiv vom rechtsbegehren¬
den, ebenso schnell von Vertrauen und Gunst auf den
Aus der Sagenwelt eines untergehenden Volkes
Gipfel getragenen, wie von Missgunst und Hass in den Ab¬
(Keltische Sagen)
grund gestürzten Volksführer schon so oft und in so ausge¬
Von Hans Benzmann.
zeichneter Weise bearbeitet worden, dass nur ganz ausser¬
(Fortsetzung.)
gewöhnliche Kraft es neu gestalten kann. Und noch eins
Neuerdings sind zwei Werke erschienen, die sich mit
muss ich einwenden. Das Strafgericht, die Reichsacht er¬
der keltischen Sagenpoesie beschäftigen und uns Einblicke
scheint wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und nicht als
gewähren in das Wesen der keltischen Kultur und der
ein notwendiges Gerichtetwerden umn eigner Schuld willen,
merkwürdigen von heroischen und mystischen Vorstellan¬
das langsam, drohend, unabwendbar heraufsteigt und nach
gen beherrschten Seele dieses Volkes. Die beiden Bücher
dem Schlag befreiend wirkt. Beides eben vermisst man; die
ergänzen einander. Wie ich schon ausführte, haben sich
tiefe Erschütterung und nachher die grosse Befreiung. Der
nur spärliche Ueberreste der keltischen Poesie erhalten,
Grund dafür liegt in den angedeuteten Mängeln der Haupt¬
d. h. schriftlich. Die alten Sagen und Poesien leben aber
gestalt. Wenn ich Theodor Poppe einen Rat geben sollte
noch heute im Volke, ja sie beschäftigen die Bewohner
für sein nächstes Werk, dann wäre es der, alle verfügbare
jener öden Moore, Hügelländer und Gestade der schottischen
Kraft auf die Hauptgestalt zu konzentrieren und nicht wie¬
Küste, Irrlands und der Hebriden) viel intensiver als etwa
der so viel an den Hintergrund zu verschwenden. Es ist
die Sagen unseres Landes unsere heutigen Bauern und
immer noch besser, dieser bleibt ein wenig zu blass, als dass
Fischer. Wie ich noch weiter ausführen werde, leben die
jene drunter leidet.
Nachkommen der keltischen Urrasse geradezu in den allen
Hermann Stodte hat mit seinem biblischen fünf¬
heroischen und mystischen Vorstellungen, sie alle sind
aktigen Drama „Königsglaube (Vita, Deutsches Verlags¬
Dichter. Unbewusst beherrscht die Poesie alle Herzen.
haus, Berlin) stofflich einen sehr guten Griff gelan. — Im
Nur aufgezeichnet ist wenig davon. Diese Poesien, die wie
Mittelpunkte des Dramas steht Adonia, der Sohn Davids.